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Physik: Forscher korrigieren Atomkernmasse

Was wahr ist, hängt in der Physik mitunter von der zehnten Nachkommastelle ab. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür haben nun Heidelberger Forscher entdeckt.
Atom

Mehr als 100 Jahre nach Entdeckung der Atomkerne ist noch immer unklar, wie schwer einzelne Exemplare sind. Eine oft Schwindel erregend präzise Vorstellung haben sich Physiker selbstverständlich erarbeitet. Doch wenn es um die zehnte Nachkommastelle geht, besteht mitunter noch große Unsicherheit. Das hört sich nach einer Petitesse an, kann aber leicht andere Messungen im Mikrokosmos verfälschen. Und wenn es dabei um so etwas Wichtiges wie die Lichtspektren von Atomen und Molekülen geht, die von der Masse der Kerne abhängen, wackelt schnell das Fundament etlicher Studien.

Ein Forscherteam um Sascha Rau vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg ist nun solch einer Unstimmigkeit mit potenziell weit reichenden Folgen auf die Schliche gekommen: Die Masse des Deuterons sei um 10 milliardstel Prozent geringer als der in der Fachliteratur hinterlegte Wert, berichten die Forscher in »Nature«.

Das Deuteron ist der Kern von Deuterium, einem engen Verwandten des Wasserstoffs. Statt nur aus einem Proton besteht sein Atomkern aus einem Proton und einem Neutron. Die Forscher bestimmten die Deuteron-Masse mit einer so genannten Penningfalle, die einzelne Atomkerne in einem sehr starken Magnetfeld fängt. Dort bewegen sich die geladenen Teilchen laufend im Kreis und induzieren dadurch am Rand der Falle in periodischen Abständen kleine Strompulse. Über sie lässt sich die Kreisbewegung des Atomkerns rekonstruieren – und darüber die Masse.

Die Methode gilt als extrem genau, da die Forscher mit ihr einen direkten Vergleich zu anderen Atomkernen anstellen können. Dafür ersetzten sie die Deuteronkerne in der Falle zeitweise mit Kohlenstoffkernen, deren Masse die Referenz im Mikrokosmos ist. Letztlich habe man so die bisher präziseste Messung einer Atomkernmasse durchgeführt, lobt Jeroen Koelemeji von der Universität Amsterdam in einem ebenfalls in »Nature« veröffentlichten Kommentar.

Entsprechend könne die Studie einen Beitrag dazu leisten, Experimente an vorderster Front der Physik voranzubringen. Beispielsweise erschweren unklare Atomkernmassen manchen Präzisionstest der Quantenelektrodynamik, der wichtigsten Theorie über das Zusammenspiel von Licht und Materie. Auch Messungen der Neutrino-Masse könnte man künftig auf ein solideres Fundament stellen: Hierbei kommt es auf die Masse von Tritium-Atomkernen an, dem nächstschwereren Isotop des Wasserstoffs.

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