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Genmanipulation: Gene Drive scheitert noch an Mäusen

Was bei Insekten klappt, sollte doch bei Mäusen auch gehen: die gezielte Erbgutveränderung ganzer Populationen? Stimmt vielleicht schon, ist aber komplizierter als gehofft.
Eine stilisierte DNA-Helix unter einer stilisierten Lupe

Das Gentechnikwerkzeug CRISPR macht es nicht nur möglich, einzelne Gene in einem Organismus sehr gezielt zu verändern – die Technik erlaubt es auch, eine alte, bis vor Kurzem aber für kaum durchführbar gehaltene Idee von Genetikern praktisch umzusetzen: über einen »gene drive«, den Genpool einer gesamten Population dauerhaft und gezielt genetisch zu verändern. Das klappt bei Insekten schon recht gut: Zuletzt gelang es Wissenschaftlern, eine ganze Population von Malariamücken per fataler, von Generation zu Generation verbreiteter Genmanipulation auszulöschen. Viele Forscher wollen ähnliche Gene Drives mit CRISPR-Turbo auch auf andere unerwünschte Lebewesen maßschneidern – um zum Beispiel invasive Ratten loszuwerden, die die Tierwelt Neuseelands bedrohen. Hier gibt es aber offenbar einen Haken: Was bei Insekten funktioniert, muss in Nagern noch lange nicht problemlos klappen, berichten Forscher in »Nature« nach ersten Versuchen.

Beim CRISPR-Gene-Drive werden zunächst wenige genmanipulierte Arten geschaffen, die eine veränderte Erbanlage sowie den geeigneten CRISPR/Cas9-Komplex auch in den Keimzellen tragen. Nach einer Befruchtung wird das Werkzeug in den verschmelzenden Keimzellen aktiv, zerlegt die unveränderte natürliche Kopie der Partner-DNA, lässt sich selbst und die veränderte Kopie durch ein zelluläres Reparaturwerkzeug kopieren und sorgt so dafür, dass am Ende nur der genetisch modifizierte Code in alle Zellen des neuen Organismus gelangt. Pflanzt dieser sich wieder fort, so wiederholt sich der Prozess, so dass sich die veränderte Genvariante samt Schneidewerkzeug in der Population immer mehr ausbreitet. Kimberly Cooper von der University of California in San Diego und ihre Kolleginnen probierten die ersten Schritte der Technik nun mit einem manipulierten Gen in Mäusen – und stellten fest, dass die für den Genaustausch notwendigen Reparaturenzyme in Säugetieren womöglich nicht so mitspielen wie in Insekten.

Am Ende, so die Auswertung, werden in rund 70 Prozent der Fälle bei einer Befruchtung von Keimzellen die manipulierten statt der unveränderten Gene weitervererbt. Zudem kommt es vor, dass die Schneidewerkzeuge an den Zielsequenzen nicht so sauber arbeiten wie gehofft. Gerade das könnte im Sinn der Anwendbarkeit fatal sein: Womöglich verändert sich durch diese Unsauberkeit zufällig auch einmal die Andocksequenz für den CRISPR/Cas9-Komplex und macht ihn damit wirkungslos. So hätte das Werkzeug dann eine gegen seine eigene Wirkung resistente Version des Zielgens geschaffen, die sich in der Population verbreiten kann. Diese Resistenzentwicklung würde das Ausrotten einer Population unmöglich machen.

Warum der Ansatz bei Mäusen wohl schlechter funktioniert als bei Insekten, ist noch nicht ganz klar. Vermutlich hängt es mit den unterschiedlich stark aktiven Varianten von möglichen DNA-Reparaturmechanismen zusammen, vermuten die Forscherinnen. Wichtig ist etwa, dass die beim Prozess an den Sollbruchstellen eingeführten DNA-Doppelstrangbrüche durch den exakt arbeitenden Mechanismus der »homologieabhängigen Reparatur« geflickt wird und nicht der alternativen, ungenaueren Methode, der »nichthomologen Endverknüpfung«. Das scheint aber nur in den weiblichen Keimzellen der Mäuse regelmäßig der Fall zu sein, nicht aber in den Keimzellen von Männchen oder in den älteren, sich teilenden Zellen wachsender Embryonen.

Dieses Problem muss umgangen werden, um die Methode einmal effizient einsetzen zu können. Weitere Arbeit ist also nötig – immerhin aber zeigen die Mäuseversuche, dass das in Insekten erfolgreiche CRISPR–Cas9-System in die Verteilungshäufigkeit von Mäuse-Allelen eingreifen kann, so die Forscherinnen optimistisch.

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