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Genome Editing: Was können wir von CRISPR erwarten?

Veränderte Vögel und Bienen sind nur der Beginn der boomenden Gene-Editing-Technologie. Doch wie weit wird die Entwicklung gehen?
Rinder im Stall

Timothy Dorans elf Monate alte Tochter ist allergisch gegen Eier – wie etwa zwei Prozent aller Kinder weltweit. Und weil viele Standardimpfstoffe in Hühnereiern hergestellt werden, können diese Kinder nicht alle Impfungen erhalten. Doran selbst arbeitet als Molekularbiologe an der CSIRO, der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation in Geelong in Australien und will mit Hilfe des Gene-Editing-Tools CRISPR/Cas9 Abhilfe schaffen.

Die meisten Hühnereiallergien werden durch eines der gerade einmal vier Proteine des Eiweißes ausgelöst. Deshalb modifizierten Dorans Kollegen eines davon im bakteriellen System und testeten es an Allergikern. Wie sie anhand des Blutbildes der Probanden zeigen konnten, traten bei Testpersonen mit dem modifizierten Protein keine allergischen Reaktionen mehr auf. Doran hofft nun, anhand des CRISPR-Systems das Gen in Hühnern verändern zu können, um so hypoallergene Eier zu erhalten.

Die Forscher wollen bis Ende des Jahres die erste Generation der modifizierten Hühner als so genannten Proof of Concept erzeugen, als Nachweis, dass das Prinzip funktioniert. Doran weiß natürlich, dass es einige Zeit dauern wird, bis die Zulassungsbehörden gentechnisch veränderte Eier genehmigen werden – seine Tochter wird bis dahin hoffentlich die Allergie überwunden haben. "Wenn aber doch nicht, wird sie als Erste die neuen Eier testen", sagt er.

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Doch Hühner sind nur eine der Tierarten, deren Genome schon bald umgebaut werden könnten. Mit den bisherigen Werkzeugen konnten die Wissenschaftler lediglich eine kleine Auswahl an Lebewesen genetisch manipulieren, noch dazu ineffizient und mit sehr großem Aufwand. Seit dem Aufkommen von CRISPR lassen sich Gene verschiedenster Organismen mit ziemlicher Genauigkeit und relativ einfach verändern. Schon in den letzten zwei Jahren hatte die Aussicht auf geneditierte Affen, Mammuts, Moskitos und andere Lebewesen immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, als so mancher Forscher versuchte, die Methode für Anwendungen in der Landwirtschaft, der Medikamentenproduktion bis hin zum Wiedererwecken ausgestorbener Spezies einzusetzen. Mittels CRISPR modifizierte Tiere wurden sogar schon als Haustiere zum Kauf angeboten. "Wir können jetzt alle möglichen Projekte in Betracht ziehen, an die bisher nicht zu denken war", sagt der Biotechnologe Bruce Whitlaw vom Roslin Institute im schottischen Edinburgh. "Viele wollen sich nun auch ernsthaft mit Genome Editing befassen."

Die Zulassungsbehörden beraten aber immer noch darüber, wie sie mit solchen neuen Geschöpfen umgehen sollen, besonders mit jenen, die als Lebensmittel oder für die freie Wildbahn gedacht sind. Da gibt es doch jede Menge Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Auswirkung auf die Umwelt. Sogar der Direktor der nationalen Nachrichtendienste der USA hat sich eingeschaltet und die Sorge geäußert, der einfache Zugang, die niedrigen Kosten und die rasante Entwicklung des Genome Editings könnten das Risiko einer Herstellung schädlicher biologischer Agenzien erhöhen.

Eleonore Pauwels studiert am Wilson Center in Washington D. C. im Bereich Zulassungsverfahren in der Biotechnologie. Ihrer Meinung nach bietet der CRISPR-Boom den Forschern und Politikern eine gute Gelegenheit, die Öffentlichkeit in die Debatte mit einzubeziehen. So ließe sich auch herausfinden, in welchem Bereich CRISPR dem Menschen wirklich nützen könnte und wo die Grenzen der Technologie liegen. "Die Bevölkerung wäre da eine sehr nützliche Kontrollinstanz", sagt sie.

Resistenzen gegen Krankheiten

Eine der populärsten Anwendungen für CRISPR in der Landwirtschaft sind Resistenzen gegen häufige Krankheiten, und die Wissenschaft forscht bereits an etlichen Tieren. Brian Gillis hat ein Biotechnologieunternehmen in San Francisco und will gegen das weltweite und massive Sterben der Honigbiene vorgehen, das auf der Ausbreitung von Krankheiten und Parasiten beruht.

Gillis hat bereits das Genom von "reinlichen" Bienen analysiert, die ihren Bienenstock wie besessen säubern und kranke beziehungsweise infizierte Larven sofort entfernen. Ihre Kolonien sollten nicht so häufig Milben, Pilzen und anderen Pathogenen erliegen wie weniger reinliche Stämme. Gillis möchte nun Gene finden, die mit diesem Verhalten assoziiert sind, um diese in anderen Arten entsprechend zu verändern und damit die Gesundheit der Bienenstöcke zu fördern.

Das könnte allerdings schwierig werden. Bisher haben Gillis und seine Arbeitsgruppe nämlich noch keine mit Reinlichkeit und Hygieneverhalten assoziierten Gene gefunden, und die Wurzeln für bestimmte Verhaltensweisen sind oft komplex, weiß BartJan Fernhout, der Vorsitzende von Arista Bee Research in Boxmeer in den Niederlanden, wo am Thema Milbenresistenz geforscht wird. Und selbst wenn die Wissenschaftler relevante Gene finden, ließen sich neue resistente Populationen auch durch klassische Züchtung erhalten, die angesichts weit verbreiteter Ablehnung der Gentechnik vielleicht sogar von der Bevölkerung vorgezogen würde.

Solche Bedenken scheinen aber die Forschung an Krankheitsresistenzen nicht zu beeinflussen. Whitelaws Gruppe am Roslin Institute ist nicht das einzige Team, das mit CRISPR und anderen Gene-Editing-Systemen Schweine verändern möchte, um diesen eine Resistenz gegen virale Erkrankungen einzupflanzen, welche die Agrarunternehmen jährlich Hunderte von Millionen Dollars kosten.

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Whitelaws Team will Immungene des Hausschweins so editieren, dass sie jenen der Warzenschweine näherkommen; diese besitzen nämlich eine natürliche Resistenz gegen das für die Landwirtschaft problematische Afrikanische Schweinefiebervirus. Randall Prather von der University of Missouri in Columbia hat Schweine gezüchtet, deren Zellen ein mutiertes Protein enthalten, welches das Eindringen eines tödlichen Atemwegsvirus verhindern soll. Andere Forscher arbeiten an Rindern, die resistent gegen die Schlafkrankheit auslösenden Trypanosomen sind.

Die Zulassungsbehörden und auch die skeptischen Konsumenten werden Genveränderungen mit dem Ziel der Resistenzbildung hoffentlich besser annehmen als jene allein zur Wachstumsförderung, meint Whitelaw – nicht zuletzt, weil so das Leiden der Tiere verringert werden könnte. Die Regierungen mancher Länder überdenken auch schon, ob die mittels CRISPR modifizierten Tiere überhaupt dieselben Zulassungsverfahren durchlaufen sollten wie andere gentechnisch veränderte Tiere, weil sie ja eigentlich keine DNA von anderen Arten enthalten.

Neue Medikamente

Doran muss seine Versuche zu den Allergenen in Hühnereiern gut kontrollieren. Der Trick dabei ist es, die genetische Sequenz so anzupassen, dass die exprimierten Proteine keine Immunreaktion auslösen, aber immer noch ihre normale Funktion in der Embryonalentwicklung der Hühner übernehmen können. Das CRISPR-System ist die erste Technologie, die solch ein passgenaues Editing der Sequenz ermöglicht. "CRISPR ist der Retter in Sachen Allergene", schwärmt der Molekularbiologe Mark Tizard von der CSIRO, der zusammen mit Doran an dem Hühnereiprojekt arbeitet.

Doch die Anwendung bei Vögeln ist nicht ganz so einfach wie bei Säugetieren. Hier lässt sich die Produktion zusätzlicher Eizellen anregen, die entnommen werden können, um sie zu verändern, zu befruchten und wieder einzupflanzen. Bei Vögeln sind die befruchteten Eier aber fest mit dem Dotter verbunden, so dass eine Entnahme den Embryo zerstören würde. Und weil die Eier im Inneren der Henne schwer zu erreichen sind, können die CRISPR-Komponenten auch nicht direkt in die Eier injiziert werden. Sobald das Ei gelegt ist, ist die Entwicklung aber schon zu weit fortgeschritten, um mittels Gene Editing noch Veränderungen für die nächste Generation einzuführen.

Um dies zu umgehen, möchten Tizard und Doran mit Urkeimzellen, so genannten PGCs (primordial germ cells) arbeiten; bei diesen handelt es sich um unreife Zellen, aus denen sich die Spermien und Eier entwickeln. Anders als bei vielen sonstigen Tieren befinden sich die PGCs der Hühner während der Entwicklung im Blut. Die Forscher können sie deshalb relativ einfach entnehmen, im Labor verändern und anschließend wieder zurückgeben, um die Entwicklung der Küken einzuleiten. Das Team am CSIRO hat sogar schon eine Methode entwickelt, mit der sie die Komponenten des CRISPR-Systems direkt in den Blutstrom einbringen können, wo die PGCs dann editiert werden.

Die Forscher planen auch die Entwicklung von Hühnern, bei denen die verschiedenen Komponenten schon im Genom integriert sind – das Ganze nennen sie CRISPRi chickens (CRISPRi-Hühner). Damit ließe sich die DNA der Hühner noch einfacher verändern, was sich für das Gene Pharming – die Medikamentenproduktion aus dem Stall – als wahrer Segen erweisen könnte. Die Zulassungsbehörden haben auch bereits ihre prinzipielle Bereitschaft zur Zulassung solcher Medikamente geäußert. Schon 2006 genehmigte die Europäische Union die Produktion eines Gerinnungshemmstoffs in Ziegenmilch durch ein Verfahren, das 2009 auch von der amerikanischen Behörde FDA (Food and Drug Administration) zugelassen wurde. 2015 genehmigten beide Behörden auch transgene Hühner, deren Eier ein Medikament gegen eine Erkrankung des Fettstoffwechsels produzieren.

Ausgestorbene Tiere wieder zum Leben erwecken

Vor etwa 4000 Jahren trug der Mensch durch die Jagd auf das Wollmammut (Mammuthus primigenius) wesentlich zu dessen Aussterben bei. Der CRISPR-Pionier George Church von der Harvard Medical School in Boston in Massachusetts möchte den Schaden nun wiedergutmachen. Hierzu plant er, bedrohte Indische Elefanten mit Hilfe der CRISPR–Technologie in Wollmammuts umzuwandeln – oder zumindest in kälteunempfindliche Elefanten. Diese möchte er dann in einem Reservat in Sibirien freilassen, wo sie seiner Meinung nach ausreichend Platz zum Herumstreunen hätten.

Der Plan klingt verrückt – aber es gibt schon länger Versuche, die großen Säuger den Mammuts ähnlicher zu machen. Letztes Jahr präsentierte der Genetiker Vincent Lynch von der University of Chicago in Illinois Zellen, in die er ein Mammutgen für Wärmegefühl und Fellwachstum integriert hatte, und die auch bei niedrigen Temperaturen wuchsen. Bei Mäusen mit ähnlichen Genvarianten wurde beobachtet, wie sie in einem Käfig mit unterschiedlichen Temperaturbereichen speziell die kühleren Teile bevorzugten. Church sagt, er habe bereits etwa 14 solcher Gene in Elefantenembryos editiert.

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Es ist aber kein ganz leichtes Unterfangen, erst ein Gen-Editing durchzuführen, dann die mammutähnlichen Elefanten zur Welt zu bringen und sie anschließend aufzuziehen. Church hält es auch für ethisch nicht vertretbar, gentechnisch veränderte Embryonen in bedrohte Elefanten zu implantieren. Deshalb versucht er mit seinem Labor eine Art künstliche Gebärmutter zu entwickeln, um die Embryos dort aufzuziehen – bisher funktioniert allerdings noch keine dieser Apparaturen.

Doch es gibt auch weniger anspruchsvolle Projekte zur Wiederbelebung ausgestorbener Tiere. Ben Novak von der University of California in Santa Cruz beispielsweise möchte die Wandertaube (Ectopistes migratorius) wieder aufleben lassen, die einstmals weit verbreitet war und Ende des 19. Jahrhunderts durch übermäßige Jagd ausgerottet wurde. Seine Arbeitsgruppe vergleicht derzeit DNA aus Museumspräparaten mit der von heute lebenden Tauben. Er möchte dann mit derselben PGCs-Methode wie Doran das Genom der modernen Tauben so verändern, dass die Vögel den ausgestorbenen Arten wieder stärker ähneln.

Laut Novak ist die Technologie noch nicht weit genug fortgeschritten, um die Hunderte von Genen zu editieren, die zwischen heutigen und alten Taubenarten variieren. Aber das CRISPR-System ist die bisher beste Möglichkeit, seinen Traum zu verwirklichen und eine ausgestorbene Art wieder zum Leben zu erwecken. "Ohne CRISPR wäre das Projekt völlig unmöglich", meint er.

Krankheitsüberträger kontrollieren

Andere Forscher wollen schon seit Jahrzehnten Moskitos gentechisch verändern, um so die Verbreitung von Krankheiten wie Denguefieber und Malaria zu verhindern. Das CRISPR-System bietet hier neue Möglichkeiten.

Im November berichtete der Molekularbiologe Anthony James von der University of California in Irvine, wie er mittels Gene Drive ein Resistenzgen gegen Malaria ins Genom von Moskitos eingebaut hat, das nun auch an deren Nachkommen weitergegeben wird. Und weil beim Gene Drive fast alle Nachkommen zwei Kopien des editierten Gens erhalten, wird dieses sehr schnell in der gesamten Insektenpopulation verbreitet.

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Eine Publikation vom letzten Dezember zeigt einen anderen Ansatz mit Gene Drive; hier wird in einer Moskitopopulation ein Gen verbreitet, das alle weiblichen Tiere steril werden lässt und so die Insekten ausrotten könnte. Der Ausbruch des Zika-Virus in Mittel- und Südamerika – ebenfalls durch Moskitos verbreitet – führte zum gesteigerten Interesse an der Methode, und mehrere Forschungslabors arbeiten bereits daran, den Verbreitungsvektor des Virus, die Moskitospezies Aedes aegypti, mittels Gene Drive auszurotten.

Viele Wissenschaftler sorgen sich aber auch um unbeabsichtigte und noch nicht bekannte ökologische Folgen durch das Aussetzen der veränderten Moskitos. Deshalb hat das Team um Church ein so genanntes Reverse Gene Drive entwickelt, mit dem die Mutationen in der Population wieder rückgängig gemacht werden könnten.

Auch Jason Rasgon forscht an der Pennsylvania State University im University Park an gentechnisch veränderten Insekten. Natürlich müsste man immer die Ökosysteme beachten, sagt er, aber das Ausmaß und die Letalität von Erkrankungen wie Malaria würden schwerer wiegen. Mit Moskitos lässt es sich am einfachsten arbeiten, so Rasgon, doch auch andere Anwendungen des Editing-Systems werden untersucht. Beispielsweise wollen sie Stechmücken so modifizieren, dass diese den Erreger der Lyme-Borreliose nicht mehr weitergeben können. Außerdem wird an der Übertragung der Parasitenerkrankung Schistosomiasis gearbeitet: So beschrieben letztes Jahr Forscher ein Set von Genen der Posthornschnecke (Biomphalaria glabrate), durch dessen Editing sie möglicherweise die Weitergabe des Parasiten Schistosoma verhindern können.

Bessere Nahrungsmittelproduktion

Am Ende eines langen Zulassungsverfahrens durch die US-Lebensmittelbehörde FDA wurde im letzten November zum ersten Mal ein transgenes Tier für die Nahrungsmittelproduktion zugelassen: der schnell wachsende Lachs der Firma AquaBounty Technologies aus Maynard in Massachusetts. Doch nach wie vor befürchten einige, der Lachs könnte in die freie Wildbahn gelangen, sich mit Wildfischen paaren und so das ökologische Gleichgewicht durcheinanderbringen.

Der Fischgenetiker Rex Dunham von der Auburn University in Alabama arbeitet an Catfisch, den in den USA am häufigsten in Fischfarmen gezogenen Welsarten. Er möchte solchen Bedenken gleich von vorneherein entgegenwirken und hat deshalb mittels CRISPR die Gene für drei Fortpflanzungshormone ausgeschaltet; damit sollten die Fische steril sein, und ein möglicherweise doch der Fischfarm entkommender Fisch – gentechnisch verändert oder nicht – hätte nur sehr wenig Chance, die natürliche Population zu beeinflussen. "Wenn wir 100 Prozent Sterilität erreichen, können sie das Genom der anderen Tiere nicht beeinflussen", meint Dunham. Um die gentechnisch veränderten Tiere dann weiter zu züchten, würden ihnen Hormone gegeben, und die Methode ließe sich auch auf andere Fischarten anwenden, sagt er.

Hund und Katze

Die neue Technologie könnte auch das Aussortieren nicht erwünschter Farmtiere verringern, was eine teure und zweifelsohne tierfeindliche Praxis ist. Die Biotechnologin Alison Van Eenennaam von der University of California in Davis setzt die neue Technologie bei der Fleischproduktion mit Rindern ein, wo weibliche Tiere häufig gekeult werden, weil sie weniger Fleisch liefern. Die Forscherin möchte erreichen, dass nur männliche Nachkommen entstehen, oder zumindest was vorab als solche erscheint. Hierfür kopierte sie ein für die Entwicklung des männlichen Geschlechts wichtiges Gen des Y-Chromosoms auf das X-Chromosom von Spermien. Wenn mit diesen nun Nachkommen gezeugt werden, sollten diese entweder unverändert sein, XY-männlich oder XX-weiblich mit männlichen Merkmalen wie einer größeren Muskelmasse.

Aber auch für die Eiproduktion gibt es schon Ansätze. Hier sind männliche Küken von Elitehühnern nicht von Nutzen und werden von den Produzenten meist schon einen Tag nach dem Schlüpfen gekeult. Das Team um Tizard will nun das GFP-Gen, ein für grün fluoreszierendes Protein kodierendes Gen, auf das männliche Geschlechtschromosom der Hühner setzen, damit die männlichen Embryonen in den Eiern unter UV-Licht leuchten. Bevor überhaupt Küken geschlüpft sind, könnten diese Eier dann von den Produzenten aussortiert und beispielsweise zur Impfstoffherstellung eingesetzt werden.

Noch ganz anders ließe sich mittels CRISPR eine etwas "humanere" Landwirtschaft erreichen. So können sich Rinder in Anhängern oder anderen engen Gestelle verletzen, besonders wenn die Hörner der Tiere sehr lang sind. Aus diesem Grund werden die Hörner von Farmern häufig abgebrannt oder mittels Chemikalien abgeätzt, was für die Tiere schmerzhaft und für den Farmarbeiter gefährlich sein kann. Es gibt auch hornlose Rinder, deren Kreuzung mit den "Elitetieren" der Fleisch- oder Milchproduktion allerdings bisher die Qualität des Nachwuchses senkt.

Deshalb hat sich der Molekulargenetiker Scott Fahrenkrug mit seinem Unternehmen Recombinetics in Saint Paul in Minnesota zum Ziel gesetzt, ein Gen zur Unterdrückung der Hornbildung in Elitetiere einzubringen. Bisher haben sie nur zwei hornlose Rinder erhalten, die beide männlich sind und an der University of California in Davis aufgezogen werden, bis sie für die Zucht alt genug sind.

Bessere Haustiere

Letztes Jahr im September überraschte die Firma BGI bei einer Konferenz in Shenzhen in China die Besucher mit Mikroschweinen, die nur etwa 15 Kilogramm schwer werden und damit lediglich die Größe eines Dackels erreichen. BGI wollte die Schweine ursprünglich für die Forschung ziehen, beschloss dann aber, die Tiere für 1600 US-Dollar (etwa 1400 Euro) als Haustiere zu barer Münze zu machen – in Zukunft soll der Käufer auch noch die Fellfarbe im Voraus bestellen können.

BGI will mit Hilfe von CRISPR auch die Größe und Farbe von Kois verändern. Diese Karpfenzucht ist eine uralte Tradition in China. Laut der Leiterin der Gene-Editing-Abteilung bei BGI, Jian Wang, erhält man selbst mit guten Zuchttieren aus Millionen Eiern nur wenige ausgesprochen schön gefärbte und gut proportionierte Fische, die alle Qualitäten eines Champions haben. Durch CRISPR sollte sich das Muster der Fische besser bestimmen und sollten sich die Fische auch besser an Hausaquarien anpassen lassen, sagt sie – bisher müssen diese nämlich in großen Pools gehalten werden. Im Jahr 2017 oder 2018 will die Firma mit dem Verkauf von Kois starten und möglicherweise noch eine weitere Art von Fischen in ihr Haustierrepertoire aufnehmen.

CRISPR-Hacking | Das Werkzeug der Genetiker lässt sich auch auf unkonventionelle Weise einsetzen.

Die Genetikerin Claire Wade von der University of Sydney in Australien will mit Hilfe der neuen Technologie Hunde modifizieren. Ihre Gruppe hat genetische Unterschiede verschiedener Züchtungen analysiert und sucht nun nach Bereichen, die für Verhalten und Eigenschaften wie Lebhaftigkeit verantwortlich sind und sich vielleicht variieren lassen. Das Unternehmen Sooam Biotech aus Seoul ist dafür bekannt, ein verstorbenes Haustier für 100 000 US-Dollar (etwa 88 000 Euro) zu klonen; auch diese Firma ist natürlich an der CRISPR-Technologie interessiert. Wie ihr Mitarbeiter und Forscher David Kim erklärt, wollen sie die Fähigkeiten von Arbeitshunden als Führungshunde oder Herdenhunde verbessern.

Jeantine Lunshof arbeitet als Bioethikerin in Churchs Labor in Harvard und hält die Absicht, Tiere nur wegen ihres Aussehens zu verändern – "nur um unsere eigenwilligen Wünsche auszuleben" – für sehr fragwürdig und möglicherweise schädlich für das Wohlergehen der Tiere.

Aber sie gibt auch zu, dass dies letztlich nicht viel anders ist als die klassischen Züchtungsmethoden, mit denen wir schon seit Jahrhunderten versuchen, die Eigenschaften von Haustieren zu verbessern. Und CRISPR könnte sogar dazu beitragen, unerwünschte Merkmale verschwinden zu lassen, wie beispielsweise die Anfälligkeit vieler Hunderassen für Hüftprobleme. "Wenn wir ungute Effekte, die durch jahrzehntelange Züchtung aufgekommen sind, wieder reversieren könnten, dann wäre das gut."

Modelle für Erkrankungen

Lange Zeit wurden Frettchen in der Forschung als Influenzamodell genutzt: Das Virus repliziert sich in ihren Atemwegen, und die Tiere niesen manchmal, woran sich gut die Übertragung des Virus untersuchen lässt. Vor der CRISPR-Ära hatten die Virologen keine Möglichkeiten, Frettchengene auf einfache Art zu verändern. Xiaoqun Wang und seine Kollegen von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking haben nun anhand des CRISPR-Systems verschiedene an der Gehirnentwicklung beteiligte Gene in diesen Tieren modifiziert. Nun wollen sie noch die Anfälligkeit der Tiere für Grippeviren modulieren und dieses Modell auch anderen Forschern aus dem Bereich der Infektionskrankheiten zur Verfügung stellen.

Die Verhaltensforscher hoffen besonders auf genetisch modifizierte Pinseläffchen, zwei Gattungen der Krallenaffen, die dem Menschen verwandter sind als üblicherweise eingesetzte Nagetiere. Am schnellsten entwickelt sich das Feld in China und Japan, wie beispielsweise die Veröffentlichung des Teams um den Neurowissenschaftler Zilong Qiu von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Schanghai im Januar zeigte. Die Gruppe hatte mittels CRISPR in Makaken eine Mutation in dem Gen  MECP2 induziert, das beim Menschen mit der Entwicklungsstörung Rett-Syndrom assoziiert ist. Die gentechnisch veränderten Tiere zeigten verschiedene Symptome der Autismusspektrumstörung, wie sich wiederholende Verhaltensweisen und die Vermeidung von Sozialkontakt.

Aber der Genetiker Anthony Chan von der Emory University in Atlanta in Georgia mahnt zu Besonnenheit und fordert die Wissenschaftler dazu auf, solche Modelle im Hinblick auf die ethische Vertretbarkeit zu überprüfen; auch müsse sich jeder fragen, ob nicht die Standardtiere der Labore wie Mäuse ausreichend seien. "Nicht jede Erkrankung muss im Primatenmodell untersucht werden", sagt er.

Natürlich könnte auch die Grundlagenforschung der Neurowissenschaften von neuen Tiermodellen profitieren. Der Neurobiologe Ed Boyden vom Massachusetts Institute of Technology hält eine ganze Kolonie des kleinsten Säugetiers der Welt, der etruskischen Baumspitzmaus (Suncus etruscus). Ihr Gehirn ist so klein, dass sich das Organ als Ganzes unter dem Mikroskop betrachten lässt. Wenn Genveränderungen dazu führen würden, dass Neuronen bei jedem Signal aufleuchten, könnten Forscher das gesamte Gehirn in Echtzeit, sozusagen in real time untersuchen.

Der CRISPR-Zoo expandiert sehr schnell – die Frage ist jetzt, wie man ihn steuern und kontrollieren kann. Laut Pauwels könnte das ganze Feld dieselbe Abneigung erfahren, wie schon vorausgegangene Generationen gentechisch veränderterer Pflanzen und Tiere. Um das zu vermeiden, müssten die Wissenschaftler die Vorteile ihrer Arbeit sehr deutlich darstellen. "Wenn es etwas gibt, das von Vorteil ist", sagt er "dann sollten wir es annehmen und nutzen."

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