Direkt zum Inhalt

News: Holmes und das Rätsel der toten Stuarts

Für Holmes war es eindeutig. Was Großbritanniens König Charles II. im Jahre 1685 so plötzlich tötete, war kein Schlaganfall, wie die Zeitgenossen des Verschiedenen annahmen. Es war eine akute Quecksilbervergiftung. Vergiftet hatte sich der König, als er in einem ungelüfteten Labor in seinem Palast mit Chemikalien spielte.
Und was Queen Anne 1714 erledigte, war die Autoimmunkrankheit Lupus – nicht, wie damals angenommen, die Gicht, sagt Frederick Holmes, Arzt am University of Kansas (KU) Medical Center. Dazu paßt, daß sie zwar fast 20 Mal schwanger war, aber nur drei Babies zur Welt brachte. Diese drei starben innerhalb von zehn Jahren. Mit ihnen starb das House of Stuart, das Großbritannien ein Jahrhundert lang regiert hatte.

Hätte es die Möglichkeiten der modernen Medizin schon damals gegeben, die Geschichte wäre anders verlaufen, meint Holmes. Lupus läßt sich heute sehr gut behandeln. Nur angenommen, die Hälfte ihrer Schwangerschaften wäre erfolgreich verlaufen und die Kinder hätten überlebt, sinniert er. Anne hätte eine Victoria werden können und ihre Nachfahren säßen noch heute auf dem Thron.

Solche Gedankenspiele beschäftigten Holmes in den letzten Jahren manchmal, wenn er seine "Rücksicht" auf etwa 200 Jahre medizinischer Geschichte betrieb. Der Professor der Medizin hat seine Diagnosefähigkeiten auf das Geschlecht der Stuarts angewandt. Er wollte herausfinden, wo es die kränklichen Monarchen wirklich zwickte.

Wenige Ärzte beschäftigen sich mit geschichtlichen Figuren. Holmes entdeckte bald, daß er mit einem hohen Maß an Sicherheit beurteilen konnte, was die Stuarts tatsächlich umbrachte. Berichte ihrer behandelnden Ärzte und lebhafte, detailgetreue Beschreibungen von Botschaftern, die die königliche Familie beobachteten, lieferten einen ganzen Berg von Anhaltspunkten. Holmes konnte enträtseln, woran Ärzte damals und Historiker heute scheiterten. Der Mediziner weist darauf hin, daß an den meisten Monarchen Autopsien vorgenommen wurden, aus denen Ärzte Schlüsse ziehen können, zu denen Historiker nicht in der Lage sind.

Der Professor vergrub sich in den Magazinen der Watson- und der Spencer-Bibliothek, der Sammlung von Regierungsdokumenten und den wissenschaftlichen Bibliotheken der University of Kansas auf dem Lawrence Campus sowie der Clendening History of Medicine Library im KUMC. Dort entdeckte er faszinierende Quellen – vom Tagebuch des Gynäkologen Queen Annes bis zu einer Analyse des Arztes James I. Nach Holmes Meinung war diese "so gut, man könnte sie zu den Akten eines heutigen Krankenhauses stellen".

Holmes zieht aus seinen Untersuchungen unter anderem folgende Schlüsse:

James I. lief nicht, bis er fünf Jahre alt war. Beobachtern fielen merkwürdige Mundbewegungen auf, die auf eine cerebrale Lähmung hindeuten. Als bessere Schlußfolgerung bietet sich an, daß er als Kind Polio hatte. Das würde nach Holmes auch die schwachen Beine erklären.

Der Sohn von James I., Charles I. – der exekutiert wurde, nachdem er einen Bürgerkrieg verloren hatte –, konnte ebenfalls nicht laufen, bis er vier oder fünf Jahre alt war. Auch in späteren Lebensjahren war er nicht besonders gut zu Fuß. Holmes ist der Meinung, daß er an einer milden, erblichen Form von Muskeldystrophie litt. Damals dachten die Ärzte, seine Amme sei Trinkerin und ihre Milch hätte ihm geschadet.

Charles II. starb an akuter Quecksilbervergiftung.

Queen Mary, die gemeinsam mit ihrem Mann William of Orange regierte, starb an Pocken, als sie erst Mitte Dreißig war. Wie ihre Schwester Queen Anne hatte Mary keine Kinder. Sie war zwei Mal schwanger, brachte aber keine lebenden Kinder zur Welt.

Nachdem Queen Anne gestorben war, bot eine Ratsversammlung Georg I. von Hannover den Thron an. Er war ein Urenkel James I. Andere Stuarts, die in direkterer Linie mit der Königin verwandt waren, lehnte der Rat ab. Das House of Stuart war beendet. Der letzte der Stuarts starb im 19. Jahrhundert.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.