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Insekten: Kein Brexit für Schwebfliegen

Viele Insekten wandern tatsächlich über größere Strecken. Dazu gehören nach neuen Erkenntnissen auch Schwebfliegen. Für Großbritannien sind sie ein Glücksfall.
Schwebfliege

Laien verwechseln Schwebfliegen wegen ihrer Färbung bisweilen mit Bienen oder Wespen – dabei sind sie völlig harmlos. Wie Bienen bestäuben sie aber sehr emsig Blüten, und ihre Larven fressen zudem Blattläuse. Was jedoch auch Wissenschaftler lange nicht wussten: Diese Insekten ziehen alljährlich über den Ärmelkanal und wieder zurück. Bis zu vier Milliarden Individuen der Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) und der Gemeinen Feldschwebfliege (Eupeodes corollae) wandern demnach im Frühling nach Großbritannien und im Herbst wieder zurück, wie eine Studie von Wissenschaftlern um Myles Menz vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz und Karl Wotton von der University of Exeter in »Current Biology« zeigt.

Die Biologen setzten dazu spezielle Radargeräte ein, mit denen sich das Flugverhalten von kleinen Insekten beobachten lässt. Aus diesen Daten schlossen sie auf die enorme Zahl an Schwebfliegen, die sich mit günstigen Winden in bis zu 1000 Meter Höhe auf die Britischen Inseln und wieder zurück bewegen. Die Zahl der auf das Festland zurückwandernden Schwebfliegen ist dabei um rund eine Milliarde Tiere größer als die Population, die sich im Frühjahr von Frankreich aus in den Süden des Königreichs begibt. Ein Schwebfliegenweibchen kann während ihres einmonatigen Lebens bis zu 400 Eier legen, so dass Verluste durch Fressfeinde, Parasiten oder schlechtes Wetter rasch ausgeglichen werden können: Die letzte Generation des Sommers kehrt dann zum Überwintern nach Europa zurück. »Großbritannien ist ein Netto-Exporteur von Schwebfliegen«, sagt Jason Chapman von der University of Exeter.

Angesichts der Massen an Schwebfliegen vermuten die Biologen, dass die Insekten in Großbritannien mehrere Milliarden Blüten bestäuben – darunter für die menschliche Ernährung wichtige Obstsorten. Zudem frisst ihr Nachwuchs schätzungsweise bis zu sechs Billionen Blattläuse. Und schließlich transportieren sie auf ihrer Reise auch Pollen über den Kanal, was den genetischen Austausch zwischen Pflanzenbeständen verbessert. Selbst den Nährstoffeintrag in Ökosysteme könnten sie beeinflussen, vermuten Menz und Co.

Die Zahl der wandernden Schwebfliegen kann von Jahr zu Jahr schwanken. Über den beobachteten Zehn-Jahres-Zeitraum hinweg habe man aber keine eindeutigen Trends ausgemacht, schreiben die Wissenschaftler in einer Mitteilung. Die beiden Schwebfliegenarten widersetzen sich also der negativen Bestandsentwicklung, die viele andere Bestäuber betrifft. »Wir wissen aus Studien, dass migrierende Insekten in der Regel nicht so stark zurückgehen wie an einem Ort lebende Arten. Wahrscheinlich können sie dank ihrer Mobilität die für sie besten Lebensräume ausfindig machen«, so Chapman. Das gilt beispielsweise für den europäischen Distelfalter, der regelmäßig in großer Zahl aus dem Mittelmeerraum nach Norden migriert. Umgekehrt hat allerdings die Zahl wandernder Monarchfalter in Nordamerika deutlich abgenommen.

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