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Kolloide: Neue Materialien in Selbstorganisation

Imitiertes Molekül

In Blut, Tinte oder Rauch schweben winzige Partikel in Flüssigkeit beziehungsweise Luft. In konzentrierter Form klumpen diese so genannten Kolloide meist ungeordnet und unkontrolliert zusammen. Durch verschiedene Andockstellen an solchen Teilchen erreichen Forscher um David Pine von der New York University nun, dass sich diese selbstständig in Molekülverbänden zusammenfinden – mit einer breiten Palette an geometrischen Formen. Prinzipiell sollten sich mit den künstlichen Atomen auch Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften herstellen lassen.

Die mikrometergroßen Partikel lagern sich für gewöhnlich mit jeder beliebigen Stelle ihrer Oberfläche an benachbarte Partikel an, ohne dabei bestimmte zu bevorzugen. Frühere Ansätze erreichten eine Selektivität, indem sie einzelsträngige DNA-Moleküle an die Teilchen anfügten. Dadurch binden nur noch Kolloide mit komplementären DNA-Strängen an sie. Pine und seine Kollegen erweiterten dieses Konzept nun, um auch die Ausrichtung dieser Bindungen zu kontrollieren. Dazu ordneten sie zunächst bis zu sieben Polystyrolkügelchen in verschiedenen Geometrien an und kapselten diese derart ein, dass jeweils nur noch ein kleiner Ausschnitt der Kugeln herausragte. Die symmetrisch verteilten "Inseln" rüsteten die Forscher dann mit Hilfe von DNA-Strängen zu spezifischen Andockstellen auf. Durch dieses Verfahren konnten sie die Anzahl der Bindungen, die das synthetisierte Teilchen eingehen kann, genau festlegen. Diese so genannte Bindungswertigkeit führt dazu, dass sich die Partikel eigenständig in charakteristischen Anordnungen zusammenschließen – wie Atome in Molekülen [1].

In den Experimenten der Gruppe entstanden aus den präparierten Kolloiden unter anderem Gebilde, die an lineare Kohlendioxid-, trigonal planare Bortrifluorid- oder tetraedrische Methanmoleküle erinnern. Diese Arbeit sei ein großer Fortschritt, schreiben Matthew Jones und Chad Mirkin von der Northwestern University in Evanston, Illinois, in einem begleitenden Text [2]. So ließen sich damit gemäß dem Bottom-up-Prinzip deutlich komplexere Strukturen aus kleineren Bestandteilen aufbauen als bislang möglich. Bisher haderten Wissenschaftler damit, die Andockstellen mit der erforderlichen Präzision auf die Partikel aufzubringen und die zulässigen Bindungsachsen auf diese Weise gezielt festzulegen.

Partikel unterschiedlicher Eigenschaften können durch den neuen Ansatz in einer Vielzahl von Konfigurationen zusammengesetzt werden, durch die Länge und Sequenz der DNA-Moleküle lässt sich Abstand und Bindung zwischen den Teilchen einstellen, und die Symmetrie und Anzahl von Andockstellen erlaubt vielfältige Geometrien. Die Gruppe um Pine möchte mit dieser Methode zukünftig aber nicht nur künstliche Moleküle herstellen, sondern auch neue funktionelle Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften, wie etwa photonische Kristalle mit genau definierten Defektstellen. Eine Hürde, die es dafür noch zu nehmen gilt, ist allerdings die Produktion einer ausreichenden Menge an präparierten Kolloiden.

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  • Quellen
[1] Nature 491, S. 51–55, 2012
[2] Nature 491, S. 42–43, 2012

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