Raumfahrttechnik: Neuer Raketentreibstoff aus Aluminium und Wasser dank Nanotechnologie

© Steven F. Son, Purdue University (Ausschnitt)
© 2009 Steven F. Son, Purdue University (Ausschnitt)
Der ALICE-Testflug | Der Testflug für die neuen Treibstoff aus Aluminium-Nanopartikeln und Wassereis (Al + Ice, kurz ALICE) fand mit einer meteorologischen Höhenrakete statt. Nach wenigen hundert Metern Aufstieg landete der Flugkörper sicher an einem Fallschirm. Der Start erfolgte in der Nähe der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana, wo Forscher den neuen Treibstoff entwickelten. Die US Air Force und die NASA beteiligten sich als Geldgeber.
Im Alltag kennen wir Aluminium als langlebiges, rostfreies Material. Chemisch gesehen ist es jedoch tatsächlich eines der unedelsten und damit reaktionsfreudigsten Metalle. In Kontakt mit Wasser entreißt es den H2O-Molekülen sofort den Sauerstoff und setzt Wasserstoff und Energie frei. Dies bleibt uns jedoch meist verborgen, da das blanke Metall auch an der Luft sofort mit Sauerstoff reagiert und sich mit einer dünnen Oxidschicht überzieht, die weitere Reaktionen stoppt.
Schon seit den 1960er Jahren forschen Chemiker daher an Methoden, diesen Prozess zu unterbinden, um das enorme Energiepotenzial von Aluminium nutzbar zu machen. Legierungen mit exotischen Metallen wie Gallium oder Quecksilber sind eine teure und giftige Lösung des Problems. In Reaktionen bei Temperaturen von mehr als 2000 Grad wie mit Ammoniumperchlorat oder Eisenoxid schmilzt die Oxidkruste und stellt kein Problem mehr da. Jedoch ist hier eine entsprechend heiße Zündflamme nötig.
Eine neue Lösung eröffnete in den vergangenen Jahren die Nanotechnologie: Verkleinert man die Aluminiumkörner bis zu einem Durchmesser von wenigen Milliardstel Metern, so ist auch die Oxidschicht nur noch einige Atomlagen dick und bricht dementsprechend schnell auf. Dieses Nano-Aluminium (nAl) reagiert nun bereits bei Zündtemperaturen unter 600 Grad mit Wasser und setzt dabei so viel Energie frei, dass die Reaktion sich selbst aufrechterhält.
© 2009 Steven F. Son, Purdue University (Ausschnitt)
Blick ins Innere der ALICE-Brennstufe | Der neue Raketentreibstoff ALICE besteht aus Aluminium-Nanopartikeln und Wassereis (Al + Ice). Durch die extrem große Gesamtoberfläche der Partikel mit jeweils nur rund 50 Milliardstel Meter Durchmesser reagiert das uns eher als träge bekannte Metall explosionsartig mit dem Sauerstoff des Wassers. Dabei entstehen lediglich die umweltverträglichen Stoffe Aluminiumoxid (Tonerde) und Wasserstoff.
Bei den bisherigen Tests verbrannte der Wasserstoff ungenutzt in der Luft. Die beteiligten Forscher der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana wollen dem Gemisch in Zukunft Stoffe beigeben, die zusätzlichen Sauerstoff erzeugen, so dass auch der Wasserstoff verbrennt und weiteren Schub liefert. Nach ersten Berechnungen könnte die Schubleistung von ALICE dann deutlich über der von bekannten Festbrennstoffen liegen.
Der größte Nachteil dieser Technik ist die aufwendige Produktion von nAl. Die Nanopartikel entstehen nur im Hochvakuum in einer 10 000 Grad heißen Plasmaflamme. Auch das rohe Aluminium lässt sich nur unter sehr viel Energieaufwand elektrochemisch aus Erz gewinnen. Eine große Zukunft könnte ALICE jedoch trotzdem im Raumflug bevorstehen, denn Aluminiumverbindungen und Wassereis kommen sehr häufig im Sonnensystem vor. Auf Mond, Mars und anderen Himmelskörpern ließe sich somit Treibstoff direkt vor Ort erzeugen.
Ralf Strobel
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