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Astronomie: Planetensuche mit Polarlichtern

Seltsame langwellige Radiostrahlung vom Roten Zwerg GJ 1151, die an Jupiters Polarlichter erinnert, erregte die Neugier von Forschern. Dahinter könnte ein Planet stecken, der am Magnetfeld des Sterns zerrt – eine neue Waffe für Planetenjäger?
Planetensuche mit Polarlichtern

Sie sind ästhetisch, gut für den skandinavischen Tourismus und können manchmal so hell leuchten, dass sie eine versteckte Welt verraten: Mit Hilfe von Polarlichtern will ein Forscherteam um Harish Vedentham von der Universität Groningen einen erdgroßen Planeten aufgespürt haben. Gut 26 Lichtjahre von uns entfernt kreist ihm zufolge der Kandidat binnen weniger als einer Woche um den Zwergstern GJ 1151. Sollte das bestätigt werden, wäre es nicht nur der erste Exoplanet, der in Verbindung mit einem Polarlicht steht, sondern auch der erste Planet, der im Radiobereich statt im sichtbaren Licht indirekt nachgewiesen wurde.

Beobachtungen mit LOFAR

Eine Wiese, irgendwo in Europa. Das Teleskop hinter der Entdeckung wirkt auf den ersten Blick nur mäßig spektakulär: ein Wald schlicht aussehender Pfosten, kaum geschützt vor Wind und Wetter. Das Low Frequency Array (LOFAR) hat keine gewaltigen Parabolschüsseln nötig – stattdessen schaltet es eine Vielzahl richtungsloser Antennen zusammen. Für die Wellen, die LOFAR empfangen kann, sind nur die wenigsten Radioinstrumente empfindlich: Die Auflösung wächst mit dem Verhältnis aus Wellenlänge und Teleskopöffnung. Um bei Wellenlängen von 1 bis 30 Metern eine brauchbare Auflösung zu erzielen, muss ein Teleskop einen Durchmesser von Kilometern aufweisen. Der Trick liegt darin, an Stelle immer größerer Schüsseln mehrere Empfänger zusammenzuschalten, denn in dem Fall wird der Abstand zwischen den Teleskopen zur virtuellen Öffnung. Diese gängigen Verfahren beruhen auf der Interferometrie.

LOFAR hat diesen Kniff perfektioniert: Wo sich andere Antennenarrays über die Fläche von Fußballfeldern erstrecken, macht LOFAR ganz Europa zum Teleskop. Neben dem Kern in den Niederlanden strecken sich die vielen LOFAR-Fühler nach Irland, England, Schweden, Frankreich, Polen und Deutschland  aus.

LOFAR in Jülich | Eine der LOFAR-Stationen befindet sich in Jülich, gebaut von der Ruhr-Universität Bochum, der Jacobs University Bremen und dem Forschungszentrum Jülich. Die Luftaufnahme zeigt vorne die Antennen für hohe Frequenzen. Sie sind in Styroporgerüsten montiert und liegen direkt nebeneinander. Weiter entfernt liegt das Feld mit den Antennen für niedrige Frequenzen – einfachen Drahtdipolen, die von einem senkrecht stehenden, 1,6 Meter hohen Pfosten aus gespannt sind.

Eines der Ziele, die dieses gewaltige Netzwerk verfolgt, ist ein Scan des gesamten Radio-Nordhimmels. Bei einer Wellenlänge von zwei Metern sammelt LoTTS, der LOFAR Two-metre Sky Survey, Daten, die Aufschluss über Schwarze Löcher, Galaxien und das ferne Universum geben sollen. Vedentham und seine Kollegen wollten nun auch nahe Sterne und Planeten darin finden: Die LoTTS-Signale in einem Himmelsausschnitt von 420 Quadratgrad glichen sie mit den vom Astrometriesatelliten Gaia erstellten Himmelskarten ab, um deren Quelle zuzuordnen. Zunächst war die Ausbeute überwältigend – die Mehrzahl der Signale stammte von Galaxien und ihren aktiven Kernen. Erst nachdem die Forscher ihre Filter verengten und nur noch zirkular polarisiertes Licht betrachteten, wurde die Datenmenge überschaubar. Ein Signal stach heraus: Die Gaia-Daten verrieten, dass ein Radioausbruch bis auf den Bruchteil einer Bogensekunde genau aus der Richtung eines Roten Zwergs stammte.

Derartige Sterne sind eine Goldgrube für Planetenjäger: Zwar leuchten sie nur schwach, dafür wimmelt es um sie herum statistisch gesehen von erdähnlichen Planeten. Die sind ihrem Zentralgestirn obendrein so nah, dass sie mit Transit- und Dopplerbeobachtungen besonders leicht entdeckt werden können.

Rote Zwerge sind allerdings meist ziemlich aktiv, denn sie unterliegen gelegentlichen starken Flares und neigen so zu heftigen Helligkeitsausbrüchen. Nicht so GJ 1151: Dank seiner sehr langsamen Rotation mit einer Periode von 125 Tagen – zum Vergleich: Unsere Sonne benötigt nur knapp einen Monat, um sich um ihre eigene Achse zu drehen – und seiner schwachen magnetischen Aktivität gilt er als Ruhepol unter den Roten Zwergen. Umso überraschter waren die Forscher, ausgerechnet bei ihm einen starken Strahlungsausbruch zu entdecken.

Es war kein Flare

Gerade die vermeintliche Stille des Sterns ließ sie aufhorchen. GJ 1151 ist kein Flare-Stern; wenn er bei einem Sternsturm trotzdem einmal im Radiobereich aufflackert, sollte die Intensität vergleichbar mit derjenigen unserer Sonne sein – auf den richtigen Abstand hochgerechnet um drei Größenordnungen schwächer als beobachtet.

Auch sonst wollten die Daten nicht so recht zu einem Flare passen: Bei der beobachteten Polarisation und Bandbreite der Radiostrahlung – der gesamte untersuchte Wellenlängenbereich von 1,8 bis 2,5 Metern leuchtete auf – hätten die Forscher eine Dauer von nur wenigen Minuten erwartet. Das Signal hingegen hielt während des gesamten achtstündigen Beobachtungsfensters an. Strahlung von benachbarten Galaxien konnte es nicht sein, denn die wäre nicht so stark polarisiert. Zudem kann der Effekt nicht beständig andauern, denn GJ 1151 wurde binnen eines Monats gleich viermal beobachtet, und in den anderen drei Datensätzen ist keine Auffälligkeit zu entdecken.

Den Strahlungsmechanismus, der das Leuchten am besten erklärt, hätten Vedentham und seine Kollegen eigentlich weniger von einem fremden Stern als von Planeten und Braunen Zwergen erwartet: Fließt Plasma durch ein Magnetfeld und stößt dabei auf eine Hürde, wird kohärente Strahlung (phasengleich wie bei einem Laser) – insbesondere im Röntgenbereich – freigesetzt. Deren Spektralbereich ist üblicherweise schmal. Nimmt man jedoch an, dass die Strahlung aus allen Richtungen und Stärken des Magnetfelds stammt, so lässt sich damit auch die hohe Bandbreite des Signals erklären. Die plausibelste Begründung lautet: Es gibt einen Planeten, der so nah um den Stern kreist, dass er sich innerhalb von dessen Magnetfeld bewegt. Unrealistisch ist ein solches Szenario nicht, denn selbst bei uns zu Hause im Sonnensystem können wir die so erzeugte Strahlung beobachten: Der Mond Io umkreist seinen Mutterplaneten Jupiter innerhalb von dessen Magnetfeld und ist dadurch Mitverursacher der gewaltigen Polarlichter um die Pole des Gasriesen.

LOFAR-Stationen | Mehrere europäische Länder, darunter auch Deutschland, betreiben LOFAR-Stationen. Sie sind alle über Hochgeschwindigkeits-Glasfaserverbindungen mit der zentralen Station in den Niederlanden verbunden. LOFAR steht für Low Frequency Array, also einen Teleskopverbund für niedrige Frequenzen von rund 10 bis 240 Megahertz, entsprechend Wellenlängen zwischen 1,3 und 30 Metern.

Schon länger postulieren Forscher, dass vergleichbare, teils aber um ein Vielfaches stärkere Effekte gleichermaßen zwischen Sternen und ihren Planeten auftreten. Sie könnten uns die Wechselwirkung des Systems näherbringen – auch hinsichtlich einer möglichen Lebensfreundlichkeit. Denn langsame Plasmawellen, wie sie hinter dem Polarlicht stecken, könnten den gefährlichen Sternwind durch das Magnetfeld des Planeten schleusen und auf diese Weise eine bereits bestehende Atmosphäre vernichten.

Vorgeschlagen wurde solch ein Effekt schon für mehrere Exoplaneten, darunter die Erde-2.0-Kandidaten um die M-Zwerge Proxima Centauri und TRAPPIST-1. Dort wäre es ein Rückschlag für alle, die auf Leben gehofft haben. Doch die Systeme unterscheiden sich von dem neu entdeckten: Beide Sterne sind masseärmer; die potenziell lebensfreundlichen Planeten benötigen mehr als eine Woche für einen Umlauf und sind damit weiter entfernt. Um das Radiosignal zu erklären, müsste der mögliche Exoplanet GJ 1151 b eine Umlaufbahn mit der Periode von ein bis fünf Tagen haben. Damit wäre er viel zu heiß, um in die habitable Zone zu fallen, und mit Leben wäre es in keinem Fall etwas geworden.

Spannender an der Entdeckung ist, dass GJ 1151 b die Tür für zahllose weitere Polarlichter verursachende Exoplaneten öffnen könnte. Haben sie mit ihrer Methode erst einmal den gesamten LoTSS-Himmel abgesucht – das behaupten Vedentham und seine Kollegen –, so werden sie statistisch gesehen noch Dutzende Exoplaneten mit diesem Verfahren aufspüren.

Ist koronale Radiostrahlung also die nächste systematische Methode zur Planetenjagd? Vielleicht. Eine Stichprobe von eins ist zunächst einmal eine wenig aussagekräftige Basis für jegliche Statistik; und selbst dafür, dass GJ 1151 tatsächlich einen Planeten aufweist und der Radioausbruch nicht nur ein falscher Alarm war, muss erst noch ein unabhängiger Beleg her. Das könnten Daten leisten, die auf dem Dopplereffekt beruhen und in denen die winzige Bewegung des Sterns um das gemeinsame Massenzentrum sichtbar wird.

Polarlicht auf Jupiter | Wie bei der Erde gibt es auch auf Jupiter Polarlichter. Sie entstehen, wenn die Teilchen des Sonnenwinds, geleitet durch das planetare Magnetfeld, auf die Atmosphäre prallen und mit den Gasatomen in Wechselwirkung treten. Die punktförmigen Leuchterscheinungen in den Polarlichtern wurden von den Jupitermonden Io, Ganymed und Europa induziert. Die Aufnahme mit dem Weltraumteleskop Hubble vom 26. November 1998 zeigt den Nordpol des Gasriesen mit dem Polarlichtoval um den magnetischen Nordpol und darin weitere diffuse Emissionen.

Die Jagd hat bereits begonnen

Nur wenige Tage später publizierte ein Team um Benjamin Pope auf dem Preprintserver ArXiv eine Auswertung von 20 Beobachtungen des Spektrografen HARPS-N, in denen es nach Anzeichen für den Planeten gesucht hatte. Gefunden hat die Arbeitsgruppe nichts – doch 20 Spektren sind wenig, und die Auflösung des Instruments ist zu gering für einen Planeten von Erdgröße.

Entsprechend bestätigt das Ausbleiben einer Entdeckung die ursprüngliche These: Immerhin lässt sich nun ausschließen, dass die Polarlichter von einem Begleiter mit mehr als 5,6 Erdmassen stammen, etwa einem Partnerstern oder einem Gasriesen. Der Polarlicht-Planet darf bleiben – vorerst. Jetzt müssen mehr Spektren her. Denn für Planetenjagddaten, mit welcher Methode auch immer, gilt nun einmal: Viel hilft viel.

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