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Polarforschung: Polarstern beobachtet »wie das Eis der Arktis stirbt«

Hinter dem Eisbrecher Polarstern liegt eine Reise der Superlative. In der Zentralarktis ließ er sich vom Packeis einschließen. Jetzt beginnt die nächste wichtige Arbeit für die Wissenschaft.
Die Polarstern im arktischen Winter

Internationale Wissenschaftler sind nach einem Jahr auf dem deutschen Forschungsschiff Polarstern in der Zentralarktis zurückgekehrt. Die Forscher hatten bei der von der Expedition »Mosaic« gefühlte Temperaturen von minus 65 Grad Celsius und mächtige Stürmen erlebt und rund 150 Tage in völliger Dunkelheit gearbeitet, um eine Unmengen an Daten zu gewinnen. Deutlich wird das historische Ausmaß der Meereisschmelze in diesem Jahr. Die Auswertung der Daten werde die Wissenschaftler aber noch über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschäftigen, sagte Expeditionsleiter Markus Rex nach der Ankunft in Bremerhaven.

Der Eisbrecher Polarstern war fast zehn Monate lang an eine riesige Eisscholle angedockt durch das Nordpolarmeer gedriftet – nach dem Vorbild der Reise des Norwegers Fridtjof Nansen mit dem Segelschiff Fram vor rund 125 Jahren. Route und Geschwindigkeit bestimmte die Drift des Eises, getrieben von Wind und Strömung. Wissenschaftler von 80 Instituten aus 20 Ländern konnten so den gesamten Eiszyklus vom Gefrieren bis zur Schmelze messen und dokumentieren. Normalerweise ist die winterliche Arktis unzugänglich.

Die Wissenschaftler versprechen sich von den Daten und Proben von Eis, Schnee, Ozean und Atmosphäre wichtige Erkenntnisse. Die Messungen hätten »nachdrücklichen Einfluss auf die Arktisforschung«, sagte Rex. Die Arktis gilt als Frühwarnsystem für Klimaveränderungen, sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von allen Erdregionen am stärksten erwärmt. So war sie zu Zeiten Nansens im Winter noch zehn Grad kühler.

Mit 140 Millionen Euro Budget war es die bisher teuerste und logistisch aufwändigste Expedition in die zentrale Arktis. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) kündigte an, zusätzliche zehn Millionen Euro für die Auswertung der Daten zur Verfügung zu stellen, um möglichst schnell erste Ergebnisse vorliegen zu haben. »Nur wenn wir wissen, wie sich das Klima in der Arktis entwickelt, sind wir in der Lage, auch bei uns in Deutschland Vorsorge gegen Klimaveränderung zu treffen und effektiv dem Klimawandel entgegenzuwirken«, sagte die Ministerin. Die Arktis sei das Epizentrum des Klimawandels.

Rund 450 Menschen aus allen Ecken der Welt waren etappenweise an Bord der Polarstern, die von anderen Eisbrechern regelmäßig mit neuem Personal, Lebensmitteln, Material und Treibstoff versorgt wurde. Geplant war im Frühjahr auch ein Austausch per Flugzeug, der wegen Corona-Reisebeschränkungen dann aber ausfiel. Die Polarstern unterbrach nur für kurze Zeit ihre Drift, um die neue Mannschaft in Spitzbergen an Bord zu nehmen und dann zu ihrer Scholle zurückzukehren. In den folgenden beiden Expeditionsetappen beobachteten die Polarforscher im sommerlichen Nordpolarmeer dann eine nie gekannte Meereisschmelze.

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