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Bose-Einstein-Kondensat: Quantenmaterie im Erdorbit

Eine exotische Materieform für Quantenexperimente fliegt jetzt auf der ISS mit. Fachleute erhoffen sich davon genauere Experimente mit Materiewellen.
Erde als riesige Linse

Auf der Erde werden Bose-Einstein-Kondensate, eine exotische Materieform, in der eine ganze Atomwolke eine einzelne Materiewelle bilden, routinemäßig für Quantenexperimente hergestellt. Seit ihrer Entdeckung vor 25 Jahren sind solche Versuche zu einem Standardwerkzeug bei der Untersuchung seltsamer Quanteneffekte geworden. Eine Sache allerdings nervt: die Schwerkraft. Exotisch oder nicht, wenn man ein Bose-Einstein-Kondensat nicht festhält, fällt es runter, und das stört eine ganze Reihe der empfindlichen Experimente. Nun allerdings hat eine Arbeitsgruppe um David Aveline vom California Institute of Technology diese Schwierigkeit umgangen. Wie das Team in »Nature« berichtet, hat es ein Bose-Einstein-Kondensat auf der Internationalen Raumstation ISS erzeugt. Im Erdorbit befinden sich die Atomwolken mit der Station im freien Fall, was einer Situation ohne Gravitationskraft gleichkommt.

Normalerweise ist die Schwerkraft in der Größenordnung von Quantenobjekten vernachlässigbar. Für ein Bose-Einstein-Kondensat werden die Atome jedoch unter anderem mit Lasern so stark gekühlt, dass ihr Impuls extrem klein wird – und dann ist die Schwerkraft plötzlich wieder wichtig. Zum Beispiel muss man relativ starke Magnetfelder verwenden, um die Atome bei der Herstellung des Kondensats festzuhalten. Für Experimente jedoch wäre es günstiger, die Atome in schwächeren Fallen zu fangen, denn damit wäre die Wechselwirkung zwischen Kondensat und Falle geringer. Dadurch könnte man das Kondensat 1000-fach länger beobachten als auf der Erde. Aveline und sein Team zeigten nun, dass im Erdorbit schwächere Magnetfallen möglich sind und sich die erhofften Vorteile tatsächlich einstellen. Grundsätzlich unterscheidet sich das Experiment auf der ISS jedoch nicht von bisherigen Versuchen mit Bose-Einstein-Kondensaten auf der Erde. Bemerkenswert sei vielmehr die technische Leistung, den Versuchsaufbau an die strikten Grenzen für Masse, Volumen und Energieverbrauch auf der ISS anzupassen, bewerten Maike Lachmann und Ernst Rasel von der Leibniz Universität Hannover die Veröffentlichung in einem Kommentar für »Nature«.

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