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News: Sag mir, was ich werden soll

Bei vielen Tieren ist ein Protein namens Notch zum großen Teil für die Kontrolle der Zellentwicklung und -differenzierung verantwortlich. Das Protein sitzt in der Zellmembran und dient als Rezeptor für externe chemische Signale, die der Zelle 'sagen', wie sie sich entwickeln soll.
Eine der am besten untersuchten Funktionen der Signalstoffe ist es, zu bestimmen, ob eine Zelle zu einem Neuron werden soll. Zwei Berichte, der eine veröffentlicht in Cell vom 15. Mai 1998, der andere in Nature vom 28. Mai 1998, zeigen nun, wie das Notch-Protein diese Signale weitergibt und so die Form und Struktur der ausgewachsenen Zelle bestimmt.

Das Notch-Protein ist in die Zellmembran integriert, wobei ein großer Bereich nach außen schaut. Signalstoffe, die zum Beispiel bestimmen, welcher Bereich des Embryos der Kopf und welcher der Schwanz sein soll oder aus welchem Bereich welche Gewebeart wird, können sich an diese äußere Region anlagern. Es war jedoch bisher nicht ganz klar, wie die Botschaft von dort weitergeleitet wird.

Damit eine Zelle zu einer bestimmten Art von Gewebe differenziert, müssen spezifische Gene an- bzw. abgeschaltet werden. Aber das genetische Material befindet sich im Kern und die Rezeptordomäne des Notch-Proteins befinden sich außerhalb der Zelle. Wie gelangt die Botschaft von der Membran in den Kern?

Es gibt zwei konkurrierende Modelle darüber was passiert, nachdem ein Signalstoff gebunden wurde. Entweder diffundieren einige der Notch-Proteine von der Membran ins Innere der Zelle und finden zusammen mit DNA-bindenden Proteinen einen Weg zum Kern. Oder DNA-bindende Proteine gehen mit Notch in der Membran eine Wechselbeziehung ein, lösen sich dann ab und leiten die Botschaft allein weiter.

Jetzt schreiben Gary Struhl und Atsuko Adachi vom Howard Hughes Medical Institute in New York in Cell, und Eric Schroeter und seine Kollegen von der Washington University in Missouri in Nature, daß beide Forschungsteams zu demselben Schluß gekommen sind: Der Bereich des Notch-Proteins, der innen an der Zellmembran sitzt, wird als Reaktion auf die Bindung eines Signalstoffes abgespalten und dient der Signalweiterleitung.

Schroeter und seine Mitarbeiter fanden heraus, wo das Protein gespalten wird und zeigten, daß eine Mutation in der Nähe der Spaltungsstelle eine Signalweitergabe behindert. Struhl und Adachi, die mit der Taufliege Drosophila arbeiteten, fanden heraus, daß der zur Signalleitung benötigte Proteinteil irgendwo in der intrazellulären Domäne des Notch liegt – also ins Innerne der Zelle hineinragt. Sobald ein abgespaltenes Notch-Fragment sich im Kern befindet, kann es mit Hilfe von DNA-bindenden Proteinen die Gene aktivieren, die benötigt werden, um die Zelle in eine Nervenzelle zu verwandeln.

In einem Begleitkommentar in Nature hat Julian Lewis vom Imperial Cancer Research Fund in London auf einen interessanten Aspekt der Untersuchung hingewiesen. Er sagt, daß die Spaltung des Notch-Proteins eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der Spaltung des beta-Amyloid-precursor-Proteins aufweist, das an der Alzheimer-Krankheit beteiligt ist. Die beiden Spaltungsprozesse könnten auf einem gemeinsamen Mechanismus basieren. In Lewis' Worten: "Dasselbe Molekül, das uns während unserer Gestation mit einer angemessenen Zahl von Neuronen ausstattet, raubt uns diese im hohen Alter wieder."

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