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News: Schnelles Schnuppern

Während unser Geruchssinn doch recht verkümmert ist, besteht die Welt der Nagetiere aus einer Fülle verschiedenster Düfte und Gerüche. Bei der Unterscheidung dieser Duftkompositionen erweisen sich Ratten auch noch als außerordentlich flink: Einmal schnuppern genügt.
Vermutlich verfügen nur wenige Menschen – wenn überhaupt – über den begnadeten Geruchssinn eines Jean-Baptiste Grenouille, jenem tragischen Helden aus Patrick Süskinds Roman "Das Parfum", der auf der Suche nach immer neuen betörenden Duftkreationen mordend durch das Frankreich des 18. Jahrhunderts schleicht. Für uns normal Sterbliche bleibt dieser Sinn doch eher unterentwickelt; unsere Welt setzt sich vielmehr aus Bildern und Tönen zusammen.

Für Nagetiere sieht die Welt dagegen ganz anders aus. Sie sind bekannt für ihr sprichwörtlich feines Näschen; Rattenkomponisten würden wohl eher auf Duftsinfonien setzen. Dennoch gingen die Wissenschaftler davon aus, dass die Geruchssensorik auch bei Ratten und Mäusen zu den "langsamen" Sinnen gehört, die das Gehirn nicht so schnell wie visuelle Eindrücke verarbeitet.

Naoshige Uchida und Zachary Mainen vom Cold Spring Harbor Laboratory waren sich da nicht so sicher und schickten daher zehn Ratten zum Schnüffeltest: Die Tiere lernten, aus jeweils zwei angebotenen Düften, den richtigen auszuwählen, und wurden – bei Erfolg – mit einem Schlückchen Wasser belohnt. Dabei bewältigten sie mehrere Wochen lang 200 bis 300 Schnupperproben pro Tag, sodass den Wissenschaftlern schließlich etwa 34 000 Entscheidungen der Nager zur Auswertung vorlagen. Als Geruchsstoffe setzten die Forscher organische Moleküle wie verschiedene Fettsäuren ein, deren Düfte das ganze Repertoire von Käse bis Schweißfüße abdeckte.

Erwartunsgemäß erwiesen sich die Ratten als Meister ihres Fachs: In über 90 Prozent ihrer geruchlichen Wahlen lagen sie richtig; auch außerordentlich ähnliche Duftstoffe konnten sie mühelos unterscheiden.

Was die Forscher jedoch besonders beeindruckte, war die Schnelligkeit ihrer Versuchstiere. Denn über ein bildgebendes Verfahren, dem so genannten intrinsic optical imaging, konnten Uchida und Mainen die Hirnaktivität im Riechkolben der Ratten verfolgen. Und dabei zeigte sich, dass die Tiere weniger als 200 Millisekunden für ihre Entscheidung benötigten. Da die Forscher gleichzeitig über die Temperaturänderungen in der Nase auch das Ein- und Ausatmen der Tiere beobachteten, konnten sie messen, wie oft eine Ratte schnuppern musste, um sich zu entscheiden. Das Ergebnis: Einmal schnüffeln genügte.

"Das Tier kann also sehr schnell überprüfen, was es riecht und sein Verhalten entsprechend ändern", erklärt Mainen. "Daher ist der Geruch, im Vergleich zu anderen Formen der Wahrnehmung, ein schneller Sinn und kein langsamer."

Das Ergebnis lässt sich auch auf den Menschen übertragen, sind die beiden Wissenschaftler überzeugt. Denn ähnlich schnelle Prozesse wie im Rattenhirn werden auch im menschlichen Gehirn bei der Sinnesverarbeitung ablaufen, wenn auch das Augenmerk hier verstärkt auf visuellen Eindrücken und weniger auf Gerüchen liegt – schließlich hat nicht jeder eine so feinsinnige Nase wie Jean-Baptiste Grenouille.

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