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Plastikmüll: Schuhe und Zahnbürsten überschwemmen Inselparadies

Die Kokosinseln im Indischen Ozean gelten als tropisches Idyll. Doch ihre Strände gleichen einer Müllhalde. Dort liegen mehrere hundert Millionen Überreste unserer »Zivilisation«.
Müll auf den Kokosinseln

977 000 Schuhe und 373 000 Zahnbürsten – das sind zwei der häufigsten großen Abfallstücke, welche die Strände der zu Australien gehörenden Kokosinseln verschmutzen. Insgesamt säumen geschätzte 414 Millionen einzelne Überreste unserer Konsumgesellschaft den Uferbereich der kleinen Eilande im Indischen Ozean, die 2100 Kilometer nordwestlich und rund 1000 Kilometer südwestlich von Sumatra liegen. Diese Mengen ermittelten Jennifer Lavers von der University of Tasmania in Battery Point und ihr Team während einer umfassenden Bestandserhebung auf dem Archipel 2017; die Daten publizierten sie in »Scientific Reports«. 60 Prozent des Mülls entfielen dabei auf Mikroplastik mit einem Durchmesser von zwei bis fünf Millimetern; ein weiteres Viertel bestand aus noch erkennbaren Alltagsgegenständen wie den Schuhen, Zahnbürsten, Strohhalmen oder Plastikflaschen und -tüten und ein Zehntel auf weitere Kunststoffprodukte etwa aus dem Fischereibedarf. Der Rest entfiel auf sonstige Abfälle wie Metallverschlüsse, industrielle Hartschäume oder Glas.

Insgesamt liegen rund 240 Tonnen Müll auf den sieben untersuchten Inseln (von 27 insgesamt), rechnen die Wissenschaftler hoch – so viel, dass die wenigen hundert Bewohner der Inseln nicht wissen, wo sie diesen Unrat überhaupt entsorgen sollten: Es gibt keine geeignete Deponie in ihrer Heimat. Die Zahl der Schuhe und Zahnbürsten sei so groß, dass die lokale Bevölkerung etwa 4000 Jahre brauchen würde, um die gleiche Menge an Abfall zu erzeugen, schreibt der »Guardian«. Dabei umfasst die Studie nur den Unrat, der auf dem Strand liegt und bis zu einer Tiefe von zehn Zentimetern im Sand vergraben ist. Nicht berücksichtigt wurde Müll, der bereits tiefer verschüttet wurde oder in den Riffen um die Inseln hängt.

»Entlegene Inseln ohne größere Besiedlung sind wie Kanarienvögel in den Kohleminen. Sie zeigen an, wie viel Müll tatsächlich in unseren Meeren schwimmt«, sagt Lavers. Sie hatte zuvor bereits eine Studie auf der ebenfalls isolierten Insel Henderson im Pazifik durchgeführt, die sogar unbesiedelt, aber dennoch extrem verschmutzt ist. Dort bestand ein großer Teil der Abfälle allerdings aus Unrat aus der Fischerei: Bojen, Netze, Langleinen. Plastikmüll hat ohnehin mittlerweile alle Regionen der Erde erreicht: vom tiefsten Punkt der Erdoberfläche im Marianengraben bis hin zum Eis an den Polen. Auch angeblich abbaubares Plastik dümpelt jahrelang in den Ozeanen herum, wie der Fund einer entsprechenden Tüte zeigt.

Angesichts der gefundenen Mengen auf den Kokosinseln schätzen Lavers und Co, dass die Menschheit das Plastikproblem in den Meeren immer noch unterschätzt. Dazu kommt, dass weltweit der Verbrauch an Kunststoffen zunimmt. Seit 2006 wurde die Hälfte aller Kunststoffprodukte erzeugt, die in den letzten 60 Jahren überhaupt auf den Markt kamen. Pro Jahr gelangen zudem 40 Prozent der in diesem Zeitraum verkauften Tüten, Flaschen, Zahnbürsten und anderen Gebrauchsgegenstände nach einmaligem oder kurzfristigem Gebrauch in die Umwelt – und reichern sich letztlich im Meer an.

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