Direkt zum Inhalt

Sicher helfen: Wie hilft man bei Kopfverletzungen?

Nimmt das Gehirn bei einer Kopfverletzung Schaden, besteht ein Schädel-Hirn-Trauma. Das kann problemlos verheilen – oder lebensgefährlich sein. Dann muss man schnell handeln.
Ein Mann mittleren Alters steht auf der Leiter, streicht das Holz über einem Fenster und fällt fast von der Leiter
Wenn man auf einer Leiter arbeitet, sollte diese auf ebenem Boden stehen und am besten durch eine weitere Person oder einen Sicherheitsbügel vorm Umfallen gesichert sein. Zudem sollte man immer mit beiden Füßen auf den Stufen stehen.

Achtung: Dieser Text bietet lediglich einen Überblick über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Er ersetzt keinen Erste-Hilfe-Kurs. Kursangebote bieten unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund und auch viele private Ausbildungsstellen in ganz Deutschland an.

Sie gehen in den Garten und sehen, dass Ihr Freund auf der Leiter steht, um die Fensterrahmen zu streichen. Auf einmal verliert er das Gleichgewicht und fällt nach hinten von der Leiter. Als Sie zu ihm eilen, ist er kurz bewusstlos, öffnet dann aber die Augen. Er fasst sich an den Hinterkopf und hat etwas Blut an seinen Fingern.

Was ist los?

Ihr Freund ist auf den Boden gestürzt und hat sich dabei zumindest eine Platzwunde am Kopf zugezogen. Haben lediglich Schädelknochen, Haut und Blutgefäße Schaden genommen, spricht man von einer Schädelprellung. Ist zusätzlich das Gehirn verletzt, besteht ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT).

Kopfwunden entstehen oftmals durch Stürze oder bei Verkehrsunfällen, Gewalttaten und Sportunfällen. Eine Kopfverletzung kann unter anderem Blutergüsse, Hirnblutungen oder Schwellungen im Gehirn verursachen, die das Nervengewebe schädigen. Insgesamt entwickeln rund 266 000 Menschen in Deutschland pro Jahr ein SHT, häufig Kleinkinder, Jugendliche und junge Erwachsene oder Ältere ab 75 Jahren.

Sicher helfen

Erste Hilfe rettet Leben. Wenn jemand in eine medizinische Notsituation gerät, sind wir deshalb alle verpflichtet, zu helfen. Trotzdem zögern viele Menschen im Ernstfall, oft aus Angst vor Fehlern. Diese Unsicherheit muss aber nicht bleiben. In unserer Serie »Sicher helfen« erklären wir, was im Notfall zu tun ist: Wie erkennt man eine Vergiftung? Welche Informationen braucht der Notruf? Und wann muss man reanimieren?

Warum ist das gefährlich?

Ein Schädel-Hirn-Trauma verursacht vielfältige Beschwerden, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind und teils erst mehrere Stunden später auftreten. Je nach Bewusstseinszustand der verletzten Person unterscheidet man zwischen drei Schweregraden (siehe Infokasten): Bei etwa 90 Prozent der Verletzten wird ein leichtes SHT festgestellt, die so genannte Gehirnerschütterung. Dabei treten unter anderem Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit auf. Sie hat normalerweise keine Langzeitfolgen. Dazu kommen oft Platzwunden oder Schwellungen am Kopf, die eine Entzündung der Hirnhäute oder des Gehirns begünstigen. Je nach Art des Unfalls treten zusätzlich Verletzungen der Wirbelsäule oder anderer Organe auf.

Eine schwere Verletzung erkennt man nicht immer sofort: Starke Schläfrigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit, Gedächtnisstörungen, Desorientiertheit, anhaltende und stärker werdende Kopfschmerzen oder Krampfanfälle gelten als Warnsignale. Ebenso sprechen Symptome wie häufiges Erbrechen, Seh- oder Hörstörungen, unterschiedlich große Pupillen, Blutungen am Kopf oder aus Nase, Ohren oder Mund austretendes Blut oder Flüssigkeit, bei der es sich um Hirnwasser handeln könnte, für eine schwere Kopfverletzung. Besonders gefährlich werden Blutungen innerhalb des Schädels oder im Gehirn, weil sie das Hirngewebe einquetschen und schädigen. Zugleich sammelt sich Wasser in dem verletzten Gewebe, es schwillt an. Da das Gehirn von einer harten Knochenschale umgeben ist und sich nicht ausdehnen kann, steigt der Hirndruck an. Der erhöhte Druck verringert die Hirndurchblutung, was ebenfalls schädlich ist. Im schlimmsten Fall werden Atmung und Herz-Kreislauf-Funktion so stark beeinträchtigt, dass Lebensgefahr besteht. Knapp vier Prozent haben ein mittelschweres SHT. Bei fast der Hälfte von ihnen bleiben Beeinträchtigungen zurück. Ein schweres SHT liegt bei mehr als fünf Prozent der Betroffenen vor. Es endet in rund einem Drittel der Fälle tödlich.

Die Schweregrade des Schädel-Hirn-Traumas

Fachleute teilen das SHT anhand einer Punkteskala, der Glasgow-Koma-Skala, in drei Schweregrade ein. Dazu vergeben sie je nach Bewusstseinszustand bis zu 15 Punkte: Sie prüfen, ob die Person die Augen öffnet, ob sie weiß, wer und wo sie ist, ob sie sich verbal ausdrücken und auf Aufforderung bewegen kann. Ein leichtes SHT stellen sie bei 13 bis 15 Punkten fest, ein mittelschweres bei bis zu 9 Punkten. Ab 8 oder weniger Punkten hat die Person ein schweres SHT.

Wie kann man helfen?

Als Erstes spricht man die Person an und überprüft, ob sie bei Bewusstsein ist und normal atmet. Ist sie wach und ansprechbar, beruhigt man sie und legt sie vorsichtig mit leicht erhöhtem Kopf und Oberkörper auf den Rücken. Dadurch soll der Hirndruck niedrig gehalten werden. Sonst bewegt man die Person so wenig wie möglich, um eventuell bestehende Wirbelsäulenverletzungen nicht zu verschlimmern. Hat man den Verdacht, dass sie schwer verletzt ist, oder ist unsicher, wählt man sofort den Notruf 112. Bis die Rettungskräfte ankommen, verbindet man blutende Kopfwunden mit einem idealerweise keimfreien Druckverband, hält die Person mit Jacken oder einer Rettungsdecke aus dem Erste-Hilfe-Set warm und bleibt bei ihr. In regelmäßigen Abständen kontrolliert man, ob sie bei Bewusstsein bleibt und weiterhin normal atmet. Ist sie bewusstlos, atmet aber normal, bringt man sie in die stabile Seitenlage. Atmet sie hingegen nicht normal oder gar nicht, beginnt man sofort mit der Wiederbelebung.

Auch wenn es einer Person recht gut zu gehen scheint, sollte man ihr dazu raten, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Mitunter können sich die anfangs leichten Kopfschmerzen im Verlauf deutlich verschlimmern. Gleiches gilt für ein Kind: Bei Warnzeichen wie Bewusstlosigkeit ruft man sofort den Notruf 112, auch wenn es nur kurz ohnmächtig ist. Anderenfalls sollte man das Kind für 24 bis 48 Stunden gut beobachten und bei anhaltenden oder stärker werdenden Beschwerden sofort in die Kindernotaufnahme, zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin gehen. Da sich gerade bei Säuglingen oft nicht einfach sagen lässt, ob sie schwer verletzt sind, ruft man im Zweifel lieber frühzeitig den Rettungsdienst.

Wie geht es weiter?

Die eintreffenden Rettungskräfte überprüfen zunächst Atmung, Bewusstsein und Kreislauffunktionen und reanimieren, falls nötig. Außerdem stabilisieren sie je nach Unfallhergang und Beschwerden die Halswirbelsäule oder die gesamte Wirbelsäule mit speziellen Schienen. Dann untersuchen sie den Kopf auf äußere Verletzungszeichen, versorgen Wunden und weitere Verletzungen und überprüfen grob, ob neurologische Einschränkungen bestehen. Dabei bestimmen sie den Schweregrad des SHT. Außerdem geben sie bei Beschwerden Schmerzmittel.

In der Regel transportieren sie den oder die Verletzte dann ins Krankenhaus, wo in der Computertomografie ein Bild von Schädel und Gehirn zum Ausschluss von Blutungen oder Brüchen gemacht wird. Diese werden meist operiert, um den Hirndruck zu mindern oder Blutungen zu stoppen. Nach erfolgreicher Behandlung schließen sich Rehamaßnahmen an. Bei einem leichten SHT und unauffälliger Bildgebung können Patientinnen oder Patienten nach einer Überwachungsphase wieder nach Hause entlassen werden. Allerdings sollten sie dort zunächst für 24 Stunden von Angehörigen beobachtet werden, sich die nächsten Tage körperlich schonen und zur erneuten Kontrolle zur Arztpraxis vor Ort gehen. Falls sich die Beschwerden verschlechtern, müssen sie sich sofort wieder ins Krankenhaus begeben.

Langzeitfolgen

Einige Verletzte entwickeln innerhalb von zwei Wochen nach der Verletzung dumpfe Kopf- und Nackenschmerzen, die eventuell mit Übelkeit und Schwindel einhergehen und erst nach Wochen wieder abklingen oder sogar chronisch werden können. Bei anderen wird eine Epilepsie diagnostiziert. Ein schweres SHT führt langfristig oft zu psychischen Veränderungen und kognitiven Beeinträchtigungen wie Störungen der Konzentration, des Gedächtnisses oder beim Sprechen. Ebenso kann die Hypophyse in seltenen Fällen versagen, eine Hirnregion, die verschiedene Hormone produziert. Ihr Ausfall geht mit ganz verschiedenen Symptomen einher – von einer Schilddrüsenunterfunktion, ausbleibender Menstruation und Haarausfall bis hin zum Versagen der Nebennierenrinde bei zu niedrigem Blutdruck.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.