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Sicher helfen: Wie helfe ich bei einer Unterzuckerung?

Wenn Menschen mit Diabetes zu wenig essen, droht ein Unterzucker. Sie werden zittrig und können bewusstlos werden. Wie man im Notfall richtig reagiert, kurz erklärt.
Einer Frau ist schwindelig. Sie fasst sich mit einer Hand an den Kopf und stützt sich mit der anderen an der Wand ab.
Unterzucker, auch Hypoglykämie genannt, zählt zu den häufigsten Komplikationen bei Diabetes. Deshalb sollten Betroffene immer eine Ration Traubenzucker mit sich führen.

Achtung: Dieser Text bietet lediglich einen Überblick über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Er ersetzt keinen Erste-Hilfe-Kurs. Kursangebote bieten unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund und auch viele private Ausbildungsstellen in ganz Deutschland an.

Sie besuchen gemeinsam mit einer Freundin einen Tanzkurs. Nach dem anstrengenden Training wird sie plötzlich blass und muss sich zitternd setzen. Ihre Freundin bittet Sie, ihr Traubenzucker aus ihrer Tasche zu geben, den sie als Diabetikerin immer bei sich hat.

Was ist los?

Die Frau leidet, vermutlich begünstigt durch die anstrengende Tanzstunde, an einer Unterzuckerung. Die so genannte Hypoglykämie liegt bei einem Blutzuckerspiegel unter 70 bis 50​​ mg/dl in Kombination mit körperlichen Beschwerden vor. Diese verbessern sich, wenn man beispielsweise Traubenzucker zu sich nimmt. Oft sind Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 und 2 betroffen: Wenn sie zu wenig oder unregelmäßig essen, kann es passieren, dass ihre Medikamentendosis relativ gesehen zu hoch für die geringe Nahrungsmenge ist. Im Jahr 2014 entwickelten insgesamt 2,5 Prozent der Erwachsenen mit einem bekannten Diabetes eine schwere Hypoglykämie.

Starke körperliche Belastungen, Infektionen und Alkoholkonsum begünstigen die Unterzuckerung. Sie tritt aber auch bei Menschen ohne Diabetes auf: Manchmal entsteht sie auf Grund hormoneller Störungen wie einer starken Schilddrüsenunterfunktion oder eines Nebennierenrindenversagens. Menschen nach Magenoperationen, etwa bei Fettleibigkeit, entwickeln ebenfalls schneller eine Hypoglykämie. Geraten Kinder nach dem Essen in einen Unterzucker, könnte eine Fruchtzuckerunverträglichkeit dahinterstecken, seltener eine genetische Erkrankung.

Sicher helfen

Erste Hilfe rettet Leben. Wenn jemand in eine medizinische Notsituation gerät, sind wir deshalb alle verpflichtet, zu helfen. Trotzdem zögern viele Menschen im Ernstfall, oft aus Angst vor Fehlern. Diese Unsicherheit muss aber nicht bleiben. In unserer Serie »Sicher helfen« erklären wir, was im Notfall zu tun ist: Wie erkennt man eine Vergiftung? Welche Informationen braucht der Notruf? Und wann muss man reanimieren?

Warum ist das gefährlich?

Der Körper reagiert meist innerhalb weniger Minuten auf den zu geringen Zuckerspiegel mit Unruhe, Schwitzen, Herzklopfen, Zittern und blasser Haut. Außerdem verspüren Betroffene Heißhunger oder müssen sich erbrechen. Fehlt dem Gehirn seine Energiequelle Zucker, entwickeln sie Kopfschmerzen oder Sprachstörungen, sind gereizt, verwirrt oder aggressiv.

Unbehandelt kann eine schwere Unterzuckerung zu Krampfanfällen, Bewusstlosigkeit bis hin zum Tod führen, vermutlich ausgelöst durch Herzrhythmusstörungen. Im Straßenverkehr drohen Unfälle. Schwere Hypoglykämien treten insbesondere bei Menschen auf, die Warnsymptome wie Herzklopfen und Schwitzen nicht mehr oder nur abgeschwächt wahrnehmen. Das sind vor allem Personen mit einem langjährigen Diabetes mellitus oder häufigen Hypoglykämien.

Wie kann man helfen?

Vermutet man eine Unterzuckerung, darf man auf keinen Fall Insulin geben. Das Hormon senkt den Blutzucker und verschärft die bestehenden Beschwerden. Bei einer leichten Unterzuckerung kann die Person selbst zum Beispiel zwei bis vier Traubenzuckerplättchen oder ein Glas Limonade oder Fruchtsaft zu sich nehmen. Der darin enthaltene Zucker wird vom Körper leicht aufgenommen und hebt den Blutzuckerspiegel rasch. Diätprodukte und fetthaltige Speisen wie Schokolade oder Milch eignen sich nicht. Letztere lassen den Blutzuckerspiegel eher langsam steigen. Kann sich die Person nicht mehr selbst helfen, ist aber noch bei Bewusstsein und kann schlucken, verabreicht man ihr etwa zwei Gläser Saft oder Traubenzucker. Sofern ein Blutzuckermessgerät vorhanden ist, misst man den Blutzuckerspiegel. Liegt er nach einer Viertelstunde noch unter 60 mg/dl, sollte die Person nochmals Zucker zu sich nehmen. Wenn der Zucker ausreichend wirkt, sollte die Person eine Mahlzeit oder einen Snack essen, um eine erneute Unterzuckerung zu vermeiden.

Hat die betroffene Person eine schwere Hypoglykämie, kann sie Muskelkrämpfe bekommen und bewusstlos werden. Dann muss man sofort den Notruf 112 verständigen und sie in eine stabile Seitenlage bringen. Falls die Person ein Notfallset mit einer Spritze des Zucker freisetzenden Hormons Glucagon bei sich trägt, injiziert man dieses in den Oberschenkel oder den Oberarm. Wie man die Spritze anwendet, steht im Deckel oder im Beipackzettel der Verpackung. Seit wenigen Jahren ist auch ein Nasenspray mit Glucagon erhältlich. Das Mittel Glucagon ist ein natürlicher Antagonist des Hormons Insulin und steigert den Blutzuckerspiegel. Kommt die Person im Anschluss wieder zu sich, gibt man ihr sofort etwas Zuckerhaltiges. Ist sie weiterhin bewusstlos, wartet man auf die Rettungskräfte und überprüft regelmäßig Atmung und Bewusstsein der Person. Hört sie auf zu atmen oder atmet nicht richtig, müssen Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden.

Wie geht es weiter?

Grundsätzlich messen die Rettungskräfte vor Ort bei jedem Bewusstlosen den Blutzuckerwert und bringen ihn in die stabile Seitenlage. Liegt eine Hypoglykämie vor, verabreichen sie Zucker verdünnt über eine Infusion oder spritzen Glucagon. Wenn die Person zu sich kommt, geben sie ihr direkt zuckerhaltige Speisen oder Getränke. In einigen Fällen nehmen die Rettungskräfte sie mit ins Krankenhaus: Menschen, die unter der Diabetestherapie eine Unterzuckerung entwickelt haben oder immer wieder einen Unterzucker entwickeln, sowie Schwangere sollten für ein bis drei Tage stationär beobachtet werden. Dort passen die Mediziner die Diabetesmedikamente und deren Dosierung entsprechend an oder organisieren eine Ernährungsberatung. Personen mit Diabetes werden von ihren Ärzten standardmäßig darin geschult, wie sie Unterzuckerungen erkennen und vermeiden können. Außerdem lernen sie, Traubenzucker oder zuckerhaltige Präparate für den Notfall mit sich zu führen, oder erhalten ein Glucagon-Notfallset. Menschen ohne Diabetes behandeln die Ärztinnen und Ärzte je nach zu Grunde liegender Ursache.

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