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Geburtshilfe: Todesfälle durch nicht zugelassenes Medikament?

Die Magentablette Cytotec wird in deutschen Krankenhäusern auch zur Geburtseinleitung verwendet. Vermutlich starben mehrere Menschen. Die Gefahren waren lange bekannt.
Neugeborenes Baby

Ein Medikament, das trotz fehlender Zulassung in deutschen Kliniken zur Geburtseinleitung genutzt wird, kann wohl schwere Komplikationen hervorrufen. Der Wirkstoff Misoprostol, in Deutschland unter dem Namen Cytotec verkauft, ist hier zu Lande als Vorbeugung gegen Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zugelassen. Allerdings bringt der Wirkstoff auch die Muskulatur der Gebärmutter dazu, sich zusammenzuziehen, und kann so Wehen auslösen. Deswegen und weil der Wirkstoff einfach einzusetzen ist, nutzen ihn laut einer bisher unveröffentlichten Umfrage der Universität Lübeck etwa die Hälfte aller Kliniken in Deutschland zur Geburtseinleitung – obwohl er dafür keine Zulassung hat. Das hatte wohl in einigen Fällen schwer wiegende Folgen. Laut Medienberichten sei bei werdenden Müttern während der Geburt der Uterus gerissen, mehrere Neugeborene seien in Deutschland und Frankreich gestorben. Nach Ansicht mancher Fachleute waren die Gefahren lange bekannt; das Medikament hätte demnach nicht in dieser Weise verwendet werden dürfen.

Schon seit Jahren wissen Fachleute und Behörden um die Risiken des Medikaments. Schon 2015 warnte die US-Lebensmittel- und Arzneibehörde FDA in einem Informationsschreiben davor, Cytotec zur Einleitung von Wehen einzusetzen. Auch in Deutschland ist es dafür nicht zugelassen, was aber erst einmal nicht grundsätzlich gegen einen Einsatz spricht. Die Praxis, ein Medikament für etwas anderes zu nutzen als für den eigentlich vorgesehenen Zweck, bezeichnet man als Off-Label-Use.

Grundsätzlich dürfen Ärztinnen und Ärzte im Rahmen ihrer Therapiefreiheit – der Freiheit bei der Auswahl einer angemessenen Behandlungsmethode – Medikamente auch jenseits des eigentlichen Anwendungsgebiets nutzen, vorausgesetzt, das Medikament ist überhaupt zur Anwendung bei Menschen zugelassen. Patientinnen müssen zusätzlich über die Risiken aufgeklärt werden, denn anders als bei zuvor geprüften und genehmigten Anwendungen gibt es beim Off-Label-Use oft keine Daten über die Wirksamkeit oder Risiken. Unklar ist allerdings, ob und in welchem Ausmaß die Patientinnen über die bekannten Risiken bei Cytotec aufgeklärt wurden.

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