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Wasser: Die meisten Flüsse versiegen jedes Jahr

Überraschend viele Fließgewässer verschwinden regelmäßig. Die meisten Ursachen sind natürlich - noch jedenfalls. Die beteiligte Arbeitsgruppe fordert nun einen »Paradigmenwechsel«.
Trockengefallener Fluss.

Flüsse wie der Rhein, die rund ums Jahr Wasser führen, sind nicht der Normalfall. Die Hälfte aller Fließgewässer, darunter große Flüsse wie der Niger in Zentralafrika, fallen möglicherweise regelmäßig trocken, und das aus völlig natürlichen Gründen. Noch jedenfalls. Das berichtet jetzt eine Arbeitsgruppe um Mathis Loïc Messager von der McGill University in Montreal in »Nature«. Das betrifft viele Flüsse in trockenen Regionen, aber selbst in den feuchtesten Regionen der Welt führt etwa ein Drittel der Flüsse mindestens einen Tag im Jahr überhaupt kein Wasser, legt die Analyse nahe. Das Resultat stelle fundamentale Annahmen über Flüsse in Frage, schreibt das Team. Solche temporären Fließgewässer würden nach wie vor nicht nur in der Forschung vernachlässigt, sondern auch im Wassermanagement. Es fordert ein »neues konzeptionelles Modell für Flüsse«, das auch regelmäßiges Versiegen der Gewässer einschließt.

Die Arbeitsgruppe nutzte vorhandene Daten über Flüsse und kombinierte sie in einem Modell mit Informationen über Klima, Geografie, Vegetation und andere Faktoren, die den Wasserhaushalt beeinflussen. Die auf diesem Weg ermittelten Zusammenhänge übertrug sie dann auf Flüsse weltweit, um deren Flussraten zu bestimmen. Demnach fallen 51 bis 60 Prozent aller Flüsse in Teilen ihres Laufs mindestens einen Tag im Jahr völlig trocken. In sehr ariden Regionen betrifft das – wenig überraschend – etwa 95 Prozent aller Flüsse, doch selbst in feuchten Regionen zum Beispiel Südostasiens hören bis zu 35 Prozent aller Fließgewässer zeitweilig auf zu fließen. Die Analyse bestätigt im Grundsatz frühere Arbeiten unter anderem auch von deutschen Fachleuten.

Solche regelmäßig trockenfallenden Gewässer sind nicht nur weit verbreitet, sondern beherbergen oft auch besonders artenreiche und eigenständige Ökosysteme. Daneben sind sie für den Wasserhaushalt größerer, meist permanenter Gewässer entscheidend, bei denen man bisher häufig annimmt, dass sie konstant Zufluss von ihren Oberläufen erhalten. Nicht zuletzt sind solche Daten über nicht permanente Gewässer entscheidend, um die tatsächlichen Auswirkungen menschlicher Eingriffe auf den Wasserhaushalt einer Region einzuschätzen. Denn eine Vielzahl menschlicher Aktivitäten gräbt den Flüssen der Welt buchstäblich das Wasser ab.

Klimawandel verändert die Niederschlagsmuster, Landnutzung den Abfluss von der Oberfläche und Wasserentnahme über und unter der Erde ganz direkt den Wasserstand von Flüssen. Wie nur teilweise fließende Flüsse im Unterschied zu dauerhaften Gewässern auf solche Veränderungen reagieren und was das für Konsequenzen für den Wasserhaushalt in ihrer Umgebung hat, ist bislang nur zum Teil erforscht. Das betrifft die Wasserversorgung und Umwelt von Milliarden Menschen. Gemäß der Analyse des Teams um Messager leben 52 Prozent aller Menschen in der Nähe eines immer wieder trockenfallenden Flusses.

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