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Blockchain: Welche Risiken stecken in Kryptogeld?

Geldwäsche, ICOs oder Steuerpflicht: An welchen Stellen die Geschäfte mit Bitcoin & Co dringend eigener Regeln bedürfen, erläutert die promovierte Rechtswissenschaftlerin Julie Maupin, Senior Researcher am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg sowie finanztechnologische Beirätin des Bundesfinanzministeriums in Berlin.
Bitcoin

spektrum.de: Frau Dr. Maupin, welche besonderen Risiken bergen Blockchain-Technologien?

Julie Maupin: Die größte Sorge von Regulatoren ist, dass Kriminelle in blockchainbasierten Digitalwährungen einen anonymen Zahlungsweg finden, vorbei an Banken und personalisierten Konten. Niemand möchte, dass Drogen- oder Menschenhändler, Waffenschmuggler oder Terroristen davon profitieren können. Inzwischen hat man allerdings festgestellt, dass sich gerade der Bitcoin nicht besonders für anonyme Geschäfte eignet, da sich jeder Geldfluss in der Bitcoin-Blockchain lückenlos verfolgen lässt. Es bedarf dann nur einer einzigen Verbindung zur Identität, etwa beim Wechsel von Digitalwährung in die offizielle Währung, um sämtliche vorangehenden Transaktionen der betreffenden Person zuordnen zu können. Viele Kriminelle wurden auf diese Weise geschnappt. Inzwischen gibt es allerdings auch Blockchain-Technologien, die die Identität verschleiern. Zum einen erlauben so genannte »Ring Signatures« eine Transaktion derart mit anderen zu vermengen, dass man sie zwar einer Gruppe von Personen zuordnen kann, aber nicht mehr einer Einzelperson. Eine zweite Variante ist eine kryptografische Technik, die dem Handelspartner lediglich meldet, dass man die betreffende Summe überweisen darf, aber weiter nichts verrät. Auf diesem Prinzip, dem »zero-knowledge proof«, basiert die Kryptowährung Z-Cash. Das hat den Vorteil, dass jeder den Zugang zu seinen Daten vollständig selbst kontrollieren kann, birgt aber eben das Risiko eines kriminellen Missbrauchs.

Dr. Julie Maupin | Die promovierte Rechtswissenschaftlerin forscht am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Sie ist finanztechnologische Beirätin des Bundesfinanzministeriums in Berlin und trug als Mitglied der Taskforce »Digitalwirtschaft« zur Blockchain-Agenda beim G-20-Gipfel 2017 in Deutschland bei.

Bedarf es neuer Gesetze, um den Risiken solcher Technologien vorzubeugen?

Wenn sich die alten Gesetze etwa gegen Geldwäsche nicht auf die neuen Technologien anwenden lassen, dann brauchen wir neue. Momentan versuchen viele Staaten, alles an der Schnittstelle zwischen Krypto- und Fiatwährungen zu regeln, also etwa beim Umtausch von Bitcoin in Euro und umgekehrt. Wer die eine Währung in die andere wechseln will, muss seine Identität nachweisen, wie beim Eröffnen eines Kontos. Das ist schon eine vernünftige Regulierung, um Geldflüsse aus kriminellen Aktivitäten nachverfolgen zu können. Mittelfristig reicht das aber nicht aus. Die Bereitschaft von Endnutzern, Kryptowährungen als Zahlungsmittel zu verwenden, steigt langsam. Wenn das so weitergeht, erreichen wir irgendwann den Punkt, wo es nicht mehr nötig ist, Krytpogeld in Euro umzutauschen. Damit fällt der regulatorische Eingriffspunkt weg. Für diese Eventualität sollte man jetzt schon planen.

Gibt es noch andere Angriffspunkte?

Es gibt einen weiteren Bereich, für den wir eigene Gesetze brauchen: so genannte ICOs, initial coin offerings. Es handelt sich dabei um eine Art digitales Crowdfunding, ähnlich einem Börsengang, nur bislang eben mehr oder weniger unreguliert. Hier müsste man sehr sorgfältig die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen schon bekannten Crowdfunding-Formen untersuchen, um eine passende Regulierung für ICOs zu entwickeln. Man will keine »Wildwestmentalität« in den Finanzmärkten, weil das Betrugsrisiken fördert und die Finanzmarktstabilität bedroht. Andererseits will man auch nicht eine spannende neue Form von Kapitalbeschaffung komplett verbieten und dadurch eine wichtige finanzielle Innovation ersticken. Es geht darum, die richtige Balance zu finden. Genau das haben Deutschland und Frankreich 2018 als Ziel für die G-20-Diskussion in Argentinien formuliert.

Welche Regulierungsversuche wurden schon unternommen, und von wem?

Es gibt verschiedene Ansätze weltweit, neue Regeln zu etablieren. Die meisten Länder waren bisher sehr zurückhaltend. Einzelne Staaten wie China verfolgen eine andere Strategie; es geht ihnen weniger um Geldwäsche oder Terrorismusbekämpfung, sondern um die eigene Finanzwirtschaft, die Währungsbindung. Wegen des starken nationalen Wirtschaftswachstums reguliert die chinesische Regierung die Wechselkurse ihrer Währung zum US-Dollar, aber diese künstliche Bindung ließ sich mit dem Bitcoin eine Weile umgehen. Deswegen ist dort nun der Wechsel zwischen Bitcoin und Yuán verboten, obwohl sie den Bitcoin selbst eigentlich nicht verbieten wollten.

»Je mehr Handel in der Kryptowelt, desto mehr Steuereinnahmen verliert der Staat, wenn er keine Steuern erhebt. Nur bislang fehlt es an guten Ideen, wie das vonstattengehen könnte«

Wie ist die Lage in Deutschland: Wer könnte und wer sollte hier eingreifen?

In Deutschland ist die Bundesfinanzaufsicht, die Bafin, zuständig für Finanzmarktstabilität. Sie betrachtet Kryptowährungen als »Recheneinheiten«, denn als Geld gilt in Deutschland nur die offizielle Landeswährung, der Euro. Auf EU-Ebene ist das ähnlich geregelt. Kryptowährungen können also nicht als gesetzliches Zahlungsmittel dienen, aber ähnlich den Frequent Flyer Miles als Recheneinheiten bestimmter Gemeinschaften. Man darf sie also frei verwenden, um Dinge zu kaufen und zu verkaufen. Erst beim Umtausch greifen die üblichen Steuergesetze zur Wertsteigerung. Aber je mehr Handel in der Kryptowelt, desto mehr Steuereinnahmen verliert der Staat auf diese Weise, wenn er hier keine Steuern erhebt. Man möchte daher auch den Handel in der Kryptowelt besteuern. Nur bislang fehlt es an guten Ideen, wie das vonstattengehen soll. So wird derzeit lediglich der Umtausch der digitalen in die offizielle Währung versteuert, beispielsweise der Gewinn aus Spekulationen als Einkunft aus dem Kapitalvermögen. Privatanleger können außerdem nach einem Jahr ihren Gewinn aus Spekulationen mit Digitalwährungen steuerfrei einstreichen. Das geht aber nur, solange man nicht berufsmäßig mit Währungen handelt. Beim üblichen Geld sind die Gewinne aus Währungsspekulationen ja auch nicht allzu hoch. Aber Kryptowährungen können stark an Wert zulegen. Vielleicht wird man deshalb dieses Schlupfloch noch schließen.

Was raten Sie dem Gesetzgeber: Was bedarf dringend einer Regelung?

Ein Problem für viele Blockchains ist die neue Datenschutzverordnung, besonders das Recht auf Vergessenwerden. Denn in der Bitcoin-Blockchain etwa ist jede Transaktion für immer nachzuverfolgen. Wie also lässt sich Datenschutz hier umsetzen? Daran arbeiten nun einige Leute. Technologien wie die von Z-Cash könnten deshalb künftig eine größere Rolle spielen. Dringend sind natürlich auch Sicherheitsfragen, selbst scheinbar fern in der Zukunft liegende Gefahren wie die, Blockchains vor Angriffen mit Quantencomputern zu schützen. Viele der großen Blockchains lassen sich wahrscheinlich mit Quantencomputern hacken. Das gilt natürlich ebenso für viele Banken. Niemand weiß, wann Quantum Computing tatsächlich möglich sein wird. Nur dauert es schätzungsweise zehn bis zwölf Jahre, neue kryptografische Standards zu entwickeln und einsatzfähig zu machen. Deswegen ist es wichtig, damit jetzt anzufangen. Einige Blockchains arbeiten schon an einer quantensicheren Kryptografie, zum Beispiel die chinesische Kryptowährung Neo sowie Iota, eine Blockchain ohne Blöcke, die auf Kommunikation zwischen Maschinen spezialisiert ist.

Sind Gesetze oder Regularien denkbar, die den Blockchain-Technologien ein Ende setzen würden?

Nicht solange wir Elektrizität und Internet haben. Aber man könnte zum Beispiel Bitcoin sehr unattraktiv machen, wenn Energie teurer würde und somit auch die Transaktionen. Man könnte die Transaktionen auch hoch besteuern, um den Kryptohandel zu erschweren, oder wie in China den Umtausch verbieten. Wenn viele Staaten diesem Beispiel folgen würden, hätte das sicherlich Konsequenzen.

»Es gibt für eine Blockchain wie Bitcoin keine zuständigen Gerichte, denn es gibt dahinter kein Unternehmen, keine rechtlich verantwortlichen Personen«

Wer kann und sollte überhaupt Gesetze für Blockchain-Technologien beschließen? Welche Kompetenzen braucht es, um auf diesem Gebiet klug zu entscheiden?

Man benötigt Experten für zahlreiche Themen: Steuergesetze, Geldwäsche, Börsenhandel, Datenschutz, Cybersicherheit. Erschwerend kommt hinzu, dass die nationalen Gesetze nicht so einfach greifen. Es gibt für eine Blockchain wie Bitcoin keine zuständigen Gerichte, denn es gibt dahinter kein Unternehmen, keine rechtlich verantwortlichen Personen. Genau das gilt es noch zu klären: wie man Recht und Gesetz in solchen Fällen gestalten kann. In den USA gibt es theoretisch 50 verschiedene Bundesstaaten, die eigene Gesetze für den Kryptohandel erlassen können. Wer einen Service für Digitalwährungen anbieten will, müsste dann streng genommen überall den entsprechenden Vorschriften nachkommen. In Deutschland ist es einfacher, weil der Bund über Fragen der Finanzpolitik entscheidet. Am sinnvollsten wäre es allerdings, wenn internationale Institutionen die Regeln entwickeln, beispielsweise die EU auf europäischer Ebene und die G 20 auf internationaler Ebene. Das würde Konflikten zwischen den Herangehensweisen verschiedener Länder vorbeugen.

Wer denkt auf deutscher Seite gerade über mögliche Gesetze nach?

Unter anderem der finanztechnologische Beirat des Bundesministeriums der Finanzen, in dem auch ich sitze. In den Quartalstreffen diskutieren wir derzeit vor allem zwei Themen: Blockchain-Technologien und künstliche Intelligenz. Die Bundesfinanzaufsicht hat sich außerdem einen Blockchain-Experten ins Haus geholt, der ausschließlich mit diesem Thema befasst ist. Dazu überwacht ein Team der Bundesbank die Folgen von Digitalwährungen für die Stabilität des Euros. Die Bundesbank hat eine ähnliche Haltung wie die US-Notenbank: nicht überstürzt eingreifen, sondern beobachten, was passiert.

Gibt es von staatlicher Seite Überlegungen, blockchainbasierte Digitalwährungen einzuführen?

Nicht für den Euro, aber die russische Zentralbank denkt über einen digitalen Rubel nach, der von der russischen Regierung kontrolliert würde. Als regulatorische Maßnahme gegen Geldwäsche erwägen sie, eine Steuer von 13 Prozent auf Kryptogelder zu erheben, deren Herkunft der Besitzer nicht nachweisen kann. Das könnte dem Staat ordentlich Einkünfte bescheren, denn 13 Prozent Steuern sind nicht viel für Leute, die Geldwäsche betreiben. Schweden und China diskutieren beide über einen Umstieg auf eine rein digitale Währung. Und die Bank of England stellt Gedankenexperimente mit einem blockchainbasierten Pfund an, dessen zentrale Geldflüsse öffentlich einsehbar wären. Interessant wäre daran, dass man die Folgen finanzpolitischer Entscheidungen in der Blockchain live beobachten könnte. Man könnte also direkt mitverfolgen, was mit Investitionen passiert. Derzeit erhält man solche Daten erst Monate oder Jahre später.

Wo werden uns Blockchains in zehn Jahren noch begegnen? Und wie werden sie aussehen?

Viele Kryptowährungen werden sicherlich einfach wieder verschwinden. Ob etwa Bitcoin noch bestehen wird, kann niemand vorhersagen; es kommt darauf an, ob Probleme wie langsame Transaktionen und hohe Energiekosten lösbar sein werden. Dafür gibt es zwar derzeit viele Ansätze, aber verbunden mit vielen Fragezeichen. Es wird voraussichtlich nicht den einen großen Ledger geben, denn für unterschiedliche Zwecke braucht es unterschiedliche Arten von Blockchains mit jeweils passender Architektur: Kryptowährungen wie Bitcoin, dezentrale Technologien für Verträge wie Ethereum und Plattformen wie Iota, die Maschinen erlauben, viele winzige Datenpakete mit anderen Maschinen auszutauschen. In zehn Jahren werden ganz verschiedene Blockchains womöglich auch untereinander kommunizieren können. Persönlich wünsche ich mir vor allem, dass Blockchain-Technologien es mehr Menschen ermöglichen, am internationalen Handel teilzunehmen. Damit sie sich durchsetzen, bedarf es aber dezentraler Anwendungen, so genannter Dapps, mit denen jeder Blockchain-Technologien nutzen kann, ohne sich damit auszukennen. So wie wir heute Google nutzen, ohne dafür wissen zu müssen, wie die Suche dahinter eigentlich funktioniert.

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