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Mysteriöse »Glitches«: Wenn Neutronensterne aus dem Takt geraten

2016 drehte der Vela-Pulsar für einige Sekunden plötzlich auf. Nun soll das seltene Ergebnis dabei helfen, das Innere der bizarren Sternleichen zu entschlüsseln.
Pulsar

Neutronensterne zählen zu den extremsten Objekten im Weltall: Die ausgebrannten Sterne messen bloß 20 Kilometer, vereinen in ihrem Inneren aber mehr Masse als die 700 000-mal so große Sonne. Entsprechend dicht presst die Schwerkraft die Materie zusammen. Schätzungen besagen, dass ein Löffel Neutronensternmaterie so schwer ist wie der Mount Everest.

Der gigantische Druck drückt Elektronen in die Atomkerne – und verwandelt das Innere der Sterne in ein wildes Gemisch aus Kernbausteinen. Wie sie sich genau verhalten und ob sie dabei neue, exotische Materiezustände annehmen, ist bisher unklar. Eine Möglichkeit, mehr herauszufinden, bieten Radiowellenpulse, die rotierende Neutronensterne mit einer festen Frequenz ins All feuern.

Seltene Störung

Normalerweise sind die Signale dieser Pulsare genauer als jedes Metronom. In selten Fällen fallen die rasant rotierenden Sternleichen jedoch für kurze Zeit aus dem Takt. Bei diesen so genannten »Glitches« nimmt die Drehung des Neutronensterns für kurze Zeit Fahrt auf, nur um sich anschließend wieder zu beruhigen. Ein Team um Gregory Ashton von der australischen Monash University hat sich solch eine Unregelmäßigkeit aus dem Jahr 2016 nun genauer angesehen – und glaubt daraus Rückschlüsse auf das Innere von Neutronensterne ziehen zu können.

Der Glitch zeigte sich beim Vela-Pulsar, der knapp 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Er benötigt rund eine Zehntelsekunde für eine Umdrehung. Am 12. Dezember 2016 verringerte sich die Rotationsdauer jedoch kurzzeitig um ein Zehntausendstel Prozent.

Die Gruppe um Ashton will in den Messdaten dieses Tages erkennen können, dass der Pulsar in den Sekunden vor dem Glitch kurz abbremste, ehe er dann an Tempo zulegte. Das ließe sich mit einem Modell erklären, demzufolge der Neutronenstern aus drei Zonen besteht: einer festen Kruste, einem Kern aus Quark-Gluon-Plasma und einem supraflüssigen Neutronengemisch dazwischen.

In diesem Fall könnten zufällige Schwankungen in den vom Kern erzeugten Magnetfeldern die geladene Kruste abbremsen, berichten die Forscher in »Nature Astronomy«. Die Neutronenschicht wäre davon zunächst nicht betroffen. Klaffen die Rotationsgeschwindigkeiten von Kruste und der Schicht darunter jedoch zu weit auseinander, bilden sich verstärkt Wirbel, durch welche die Neutronen nach oben schießen können. Sobald sie an die Kruste stoßen, übertragen sie einen Teil ihres Drehimpulses – und schubsen so kurzzeitig die Rotation des Pulsars an.

Ob das Szenario das Innere von Neutronensternen wirklich richtig beschreibt, ist offen. Aber nun könne man gezielt danach Ausschau halten, ob sich das Signal von Pulsaren auch schon kurz vor einem Glitch geringfügig verändere, schreiben die Autoren. Sollte das so sein, wäre das ein wichtiger Baustein, auf dem Modelle künftig aufbauen könnten.

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