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Wetter im Frühling: Die Aussichten bleiben bescheiden

Von wegen Wonnemonat: Die eingefahrene Wetterlage über Mitteleuropa sorgt weiterhin für kühle und nasse Tage in Deutschland. Wann wird es endlich wärmer?
Grünfink sucht Schutz vor dem Regen

Ob die Freude über die Öffnung der Außengastronomie auch über Pfingsten anhält, scheint angesichts der rauen Wetteraussichten fraglich. Pünktlich zum Wochenende zieht ein neues Tief vom Atlantik heran und tobt sich über dem Norden und der Mitte Deutschlands aus. Kühle Luft, Regen, dicke Wolken sowie Blitz und Donner werden bundesweit erwartet – und natürlich viel Wind. Samstag und Sonntag drohen verbreitet Sturmböen im Land, sonniges und warmes Biergartenwetter ist nicht in Sicht. Allenfalls am Pfingstmontag könnte sich im Südosten und Osten der Republik ein Hauch Frühling bemerkbar machen.

Damit bleibt das Frühjahr seiner unwirtlichen Linie treu, große Teile Europas erleben eine außergewöhnliche Kältephase. Seit März sickert wiederholt Polarluft auf den Kontinent, von Frankreich bis Polen dominiert die Farbe Blau die Wetterkarten: Sie steht für negative Abweichungen vom langjährigen Temperaturmittel. Deutschland steuert mit einer Durchschnittstemperatur von 6,5 Grad Celsius auf den kältesten Frühling seit 1987 (6,1 Grad Celsius) zu, und 2021 könnte am Ende sogar in die Top Ten der kältesten Frühjahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren rutschen.

Das ist aber nicht einzige Grund, warum das Wehklagen der Wärmefanatiker und Sonnenanbeter in diesen Tagen besonders laut ist. Eine längere unterkühlte Wetterphase sind die meisten Menschen nach den zahlreichen Höhenflügen in den vergangenen Jahren einfach nicht mehr gewohnt. Einzig das Frühjahr 2013 brachte ähnlich kühle Temperaturen wie 2021, sonst waren die Jahre von 1991 bis 2020 viel sonniger und wärmer als die Jahrzehnte zuvor. Der Klimawandel hat also nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Erwartungshaltung nach oben geschraubt – sonniges Frühsommerwetter von März bis Mai halten viele Menschen mittlerweile für völlig normal. Daher fühlt sich reales Schmuddelwetter noch eine Spur kälter an, als es im Vergleich zu früher tatsächlich ist.

Vor wenigen Jahrzehnten war das normales Frühlingswetter

Sebastian Schappert kann an dem aktuellen Frühjahr jedenfalls nichts Schlechtes finden. »Der Natur tut das gut«, sagt der Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst, noch immer wirkten die Trockenjahre in den Böden fort, die Grundwasserstände können sich endlich erholen – erst in dieser Woche warnte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vor Trinkwasserknappheit angesichts länger werdender Dürreperioden in Deutschland. Außerdem, so Schappert, sei die Luft frei von Schadstoffen, und die Pollen flögen auch nicht so zahlreich wie sonst. Und es sei zumindest fragwürdig, gutes Wetter lediglich mit Sonne und Wärme zu assoziieren. Regen sei genauso gut und wichtig.

Als Troglage bezeichnen Meteorologen die vorherrschende Wetterlage sachlich-nüchtern und meinen damit den Vorstoß hoch reichender Kaltluft bis über die Alpen. Dabei bildet sich ein gewaltiges Tiefdruckgebiet, das – eingeschlossen zwischen zwei Hochs – wie ein nasser Sack träge seine Kreise über Europa zieht und kaum vom Fleck kommt. »Die Wetterlage ist wie eingefahren«, sagt Sebastian Schappert dazu, sie ähnelt einem auf den Kopf stehenden Omega und regeneriere sich immer wieder neu. Flankiert wird das Tief zum einen vom kräftigen Grönlandhoch, das die Nordwestströmung über Europa auslöst, und zum anderen von einem ungewöhnlich starken Kontinentalhoch über Westrussland, an dessen Vorderseite in der Ausgleichsbewegung heiße Luft aus Nordafrika bis in die Arktis strömt. In Nordrussland fallen dadurch die Hitzerekorde; selbst am Polarkreis hat es phasenweise 30 Grad Celsius.

Hier zu Lande ist Hitze weiter kein Thema, ein beständiges Sommerhoch weit und breit nicht in Sicht. Stattdessen liegt der wetterbestimmende Jetstream ungewöhnlich weit im Süden Europas und fegt in dieser Woche über Spanien, Frankreich und Mitteleuropa. Dadurch setzt sich das kühle Aprilwetter im Mai fort. Die eingesickerte kalte Polarluft wird von der starken Sonne schlagartig erwärmt und schießt nach oben: Schauer und Gewitter sind die Folge. Diese labile Schichtung der Atmosphäre bringt die Wettermodelle an Grenzen. Sogar Kurzfristvorhersagen sind dadurch vergleichsweise unsicher, stundengenaue Regenprognosen kaum möglich. Wer den dicken Regentropfen ausweichen möchte, sollte also am besten das Regenradar im Blick behalten. Herkömmliche Wetter-Apps, die scheinbar sichere Prognosen über mehrere Tage vorgaukeln, sollte man in diesen Tagen am besten ignorieren. Schlechter planbar ist das Wetter selten.

Die weiteren Aussichten

Und wann nimmt das Schmuddelwetter ein Ende? Die den Meteorologen aktuell am meisten gestellte Frage beantwortet Wetterexperte Sebastian Schappert recht emotionslos: »In den nächsten zehn bis zwölf Tagen bleibt es bei dem Temperaturniveau.«

Das unterkühlte Wetter trügt sogar ein bisschen: Besonders nass war der Frühling nicht. Bislang fielen bundesweit fast 150 Liter Regen pro Quadratmeter, das sind gut 30 Liter weniger als im Durchschnitt. Zwar kommen bis Monatsende noch ein paar Regenmengen zusammen, allerdings dürfte die Jahreszeit auch am Ende nicht außergewöhnlich nass ausfallen. Richtig nass waren hingegen die Frühjahre 1983, 2006 und auch 2013. Im Jahr 1983 kamen 279 Liter vom Himmel, absoluter Rekord.

Dunkle Regenwolken über München | Immer wieder ziehen momentan Schauer und Gewitter über Deutschland. Die eingefahrene Wetterlage sorgt für einen bislang unterkühlten Frühling.

Durch den vielen Regen ist das Jahr 1983 bis heute auch einsame Spitze, was den Negativrekord des Sonnenscheins im Frühling betrifft. Gerade einmal 337 Stunden zeigte sie sich damals, ähnlich dunkel verlief auch 2013 mit 399 Stunden. Das aktuelle Jahr bringt es derzeit auf 421 Stunden, das sind immer noch 100 Stunden weniger als im Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Zum Vergleich: Im sonnigen Lockdown-Frühling 2020 registrierten die Meteorologen am Ende 708 Stunden Sonnenschein, ebenfalls Rekord. Solche Werte wird es in diesem Frühling sicher nicht geben.

Die Jahre 1983, 2006 und 2013 sind aber noch in anderer Hinsicht interessant: Sie beweisen, dass ein unterkühltes, nasses und dunkles Frühjahr kein schlechtes Omen für den Sommer sind. Im Gegenteil: Die drei Jahre brachten insgesamt heißes und trockenes Badewetter, 1983 ging damals sogar als Dürre- und Jahrhundertsommer in die Geschichte ein. Historisch war auch der Juli 2006, nicht nur wegen der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, auch Sommermärchen genannt, sondern wegen der Hitze. Bis heute hat der Julirekord aus jenem Jahr mit durchschnittlich 22 Grad Celsius Bestand, ebenso wie der Sonnenscheinrekord mit 335 Stunden.

Und der Sommer

Was sich daraus ableiten lässt? Streng genommen nicht viel. Alles kann passieren, nichts muss. Das Wetter ist weder deterministisch noch lässt sich sein Verlauf länger als zehn Tage seriös vorhersagen. Parallelen zu früheren Sommern können das sein, was das Wetter in seinem Wesen ausmacht: reiner Zufall. Und trotzdem arbeiten viele Atmosphärenforscher und Meteorologen zunehmend erfolgreich daran, saisonale Prognosen zu verbessern. Das gelingt im Winter besser als im Sommer, weil die Troposphäre, unsere wetterwirksame Luftschicht, dann mit der nächsthöheren Schicht, der Stratosphäre, in Verbindung steht. Veränderungen in großer Höhe wirken sich häufig auf das Wetter am Boden aus, der Polarwirbel lässt Langfristprognosen zu – insofern können sich Umstellungen der Wetterlage über einen Zeitraum von wenigen Wochen ankündigen. Im Sommer hingegen ist der Polarwirbel zusammengebrochen, die Troposphäre macht weitgehend ihr eigenes Ding, und eine Prognose für Juli oder August, ausgehend von Mitte Mai, wäre daher ziemlich gewagt.

Einer, der es trotzdem probiert, ist der Atmosphärenforscher Simon Lee von der University of Reading. In seinem Blog hat er kürzlich seine »Gedanken über den Sommer 2021« veröffentlicht. Dabei fahndet er nach Signalen in der Atmosphäre, die eine grobe Prognose für Europa ermöglichen könnten. Mit Hilfe von acht großen Wettermodellen untersuchte er die Druckverhältnisse für die Region Nordatlantik-Europa und fand zwei Indizes, mit denen man die Schwankungsbreite des Sommers gut erklären kann. Das Ergebnis seiner Berechnung wird Sommerfreunde freuen: Demnach wird sich das Grönlandhoch bald abschwächen und die Blockadelage des kalten Frühjahrs beenden. Der Sommer würde demnach eher zu warm und zu trocken ablaufen, zumindest in England. Für Mitteleuropa könnte das ähnliche Bedingungen schaffen, vor allem wenn sich das dominante Hochdruckgebiet eher in Richtung Kontinent bewegt. Aber für solche Details ist es in jedem Fall zu früh: »Diese Vorhersage könnten sich auch als völlig falsch herausstellen«, schreibt er.

Die Wettermodelle deuten unterdessen für den Monatswechsel tatsächlich eine sachte Änderung der Großwetterlage an. Das nasskalte Wetter würde zu Ende gehen, pünktlich zu Beginn des meteorologischen Sommers Anfang Juni würde Mittelmeerluft nach Deutschland wehen. Es wäre ein Szenario, wie man es aus dem Jahr 2006 kennt. Damals, pünktlich zur Fußball-WM im eigenen Land, setzte sich ein ewiger Sommer durch.

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