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Wetter: Kältester April seit Langem

Seit Wochen herrschen immer wieder die gleichen Wetterlagen über Mitteleuropa: Sie brachten Kälte, aber auch Trockenheit. Der Mai bleibt erst einmal unterkühlt.
Krokusse im Schnee

Es ist offiziell: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) verkündete am 29. April, dass dieser April der kälteste seit 40 Jahren sei. Seit 1980 habe es keinen derart kalten April mehr in Deutschland gegeben. »Der Temperaturdurchschnitt lag mit 6,1 Grad Celsius um minus 1,3 Grad unter dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Im Vergleich zur aktuellen und wärmeren Vergleichsperiode 1991 bis 2020 betrug die Abweichung sogar minus 2,9 Grad«, schreibt der DWD.

Außergewöhnlich waren vor allem die vielen Tage mit Frost: Über Deutschland fiel das Thermometer im Durchschnitt an 13 Tagen unter die Null-Grad-Marke. Nach 1929 war das die zweithäufigste Anzahl an Frosttagen in diesem Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und wie in den Vorjahren fiel erneut zu wenig Niederschlag – ein Trend, der sich seit 2009 fortsetzt. In vielen Landesteilen herrscht in den Böden bereits wieder oder immer noch Dürre.

Doch wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Wetter? Grund für die Kälterückschläge seien wiederholte Nordlagen gewesen, die das große Kältereservoir der Polargebiete anzapften, sagt Sebastian Altnau vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Dort herrschen nach wie vor winterliche Bedingungen, die tiefsten Temperaturen werden in den Polargebieten meist im März, gegen Ende der Polarnacht, erreicht, erklärt Stephan Bader vom Schweizer Wetterdienst MeteoSchweiz. »Günstige Aprilwetter-Bedingungen herrschen, wenn ein stabiles Hochdruckgebiet über Nordwesteuropa oder dem Atlantik liegt – und gleichzeitig ein Tief über Skandinavien, so dass Polarluft direkt nach Mitteleuropa fließen kann.« Ein solches Muster war typisch in diesem Jahr.

Dominanz einer Wetterlage

Überhaupt dominierten so genannte meridionale Wetterlagen. Das sind Strömungen entlang des Meridians in Nord-Süd-Richtung. Dadurch gelangen extrem unterschiedliche Luftmassen entweder von Norden oder von Süden nach Mitteleuropa, auch winterlich kalte Ostlagen werden dazu gezählt. Solche Großwetterlagen gehen mit extremen Luftmassenwechseln einher: Mal ist es schon sehr warm, wie Ende Februar und Ende März, oder es sickert eben arktische Kaltluft ein wie Anfang Februar und im April. Entweder lausig kalt oder sehr warm – dazwischen gibt es in diesem Jahr nur wenig. Für die Landwirtschaft und da vor allem im Obst- und Weinanbau waren die Bedingungen verheerend.

29 meridionale Wetterlagen zählte der Wetterdienst in diesem Frühling, der für die Meteorologen Anfang März begann, hauptsächlich solche aus Norden. Hinzukommen zwölf so genannte gemischte Zirkulationen, worunter etwa Nordwestlagen oder auch Hochdrucklagen direkt über Mitteleuropa gezählt werden. Am wenigsten kamen in diesem Frühjahr gemäßigte zonale Zirkulationen in Mitteleuropa vor; das sind feuchte Westwetterlagen, die Atlantikluft mit Regen nach Europa bringen. Davon zählten die Meteorologen bislang nur elf, allesamt im März. Im April trat noch keine einzige Westwetterlage auf – ebenfalls mit drastischen Konsequenzen für den Süden des Landes. Dort ist es zu Beginn der Vegetationsperiode erneut viel zu trocken.

Schmuddelwetter | Das Wetter im April brachte den Pflanzen wenig Gutes. Durch sehr warme Phasen im Februar und März war die Natur bereits weit fortgeschritten. Doch im April kam der schädliche Frost zurück. Das Ergebnis: Viele Obstbauern werden deutliche Ernteeinbußen erleiden.

Ursache des Aprilwetters im Januar?

Als mögliche Ursache des unterkühlten Frühjahrs verweisen manche Meteorologen auf ein Wetterphänomen im Januar. Damals ereignete sich im nächsthöheren Stockwerk der Atmosphäre eine so genannte plötzliche Stratosphärenerwärmung (SSW für Sudden Stratospheric Warming). In der Folge brach die normale Zirkulation auf der Nordhalbkugel komplett zusammen und erholte sich bislang nicht wieder – der wetterwirksame Jetstream ist in einer Schwächephase, der Atlantik blockiert.

»Grundsätzlich kann man sagen, dass eine plötzliche Stratosphärenerwärmung eher meridionale Strömungen im Mittel bis zu etwa zwei Monate nach Auftreten des Phänomens begünstigen kann», sagt die Klimaforscherin Marlene Kretschmer von der University of Reading bei London. Da sich das Event allerdings schon im Januar ereignete, glaubt Kretschmer also nicht, dass das Phänomen immer noch eine direkte, unmittelbare Rolle spiele. Ähnlich sieht das der Klimatologe Tobias Fuchs vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach: »Die starke SSW-Episode hat sich unserer Kenntnis nach nicht über Februar hinaus ausgewirkt.« Insofern könne daraus auch kein Indiz für eine Langfristvorhersage für den Sommer 2021 abgeleitet werden, sagt er.

Allerdings verlief die Stratosphärenerwärmung in diesem Jahr ziemlich ungewöhnlich und zog sich über Wochen – im Gegensatz beispielsweise zum Jahr 2018. Klimaforscher bringen immer wieder einen Einfluss der Barentssee auf den europäischen Winter ins Spiel, ein Randmeer nördlich von Norwegen und Westrussland. Die starke Erwärmung dieses Teils des Nordpolarmeers könnte Wintereinbrüche über Europa begünstigen, wie eine Studie in »Nature Geoscience« nahelegt.

Was das alles für den weiteren Verlauf des Frühjahrs und den Sommer bedeutet, ist natürlich Spekulation; dabei könnten Langfristprognosen in diesem Jahr auf etwas sichereren Füßen stehen als sonst. Das meridionale Muster der Großwetterlage würde jedenfalls, sollte es anhalten, zumindest im jetzt schon trockenen Süden einen sehr warmen und trockenen Sommer erwarten lassen.

Und der Mai? Der startet erst einmal ungemütlich mit zahlreichen Tiefausläufern, die wenigstens Regen bringen sollen. Die Natur benötigt diesen dringend, auch wenn dafür der Maifeiertag regional ins Wasser fällt. Selbst stürmische Verhältnisse sind nächste Woche nicht ausgeschlossen, wie erste Prognosen andeuten. Dann zeichnet sich jedoch ein Silberstreif am Horizont für Wärmebedürftige ab: Zum übernächsten Wochenende könnte sich warme Luft aus Südeuropa bei uns breitmachen. Aber gewiss ist das leider noch nicht.

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