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Lebensmittelverschwendung: Wie viel werfen wir wirklich weg?

Laut einer neuen Studie werfen Privathaushalte doppelt so viele Lebensmittel weg wie gedacht. Doch stimmt das auch? Tatsächlich enthält das Modell große Ungewissheiten.
Lebensmittel in einer Mülltonne.

Der Verbraucher, die Umweltsau? Doppelt so viele Lebensmittel wie vermutet landen in Privathaushalten im Abfall; das sagt jedenfalls eine Arbeitsgruppe um Monika van den Bos Verma von der Wageningen University & Research in Den Haag. Erweist sich das als korrekt, hätte das enorme Auswirkungen auf die Menge verschwendeter Lebensmittel. In Deutschland werfen Privathaushalte weit über die Hälfte aller entsorgten Lebensmittel weg. Wie das niederländische Team in »PLOS ONE« berichtet, kommt die Differenz dadurch zu Stande, dass bisherige Modelle nicht die Auswirkungen von Wohlstand auf das Kauf- und Wegwerfverhalten betrachten. Demnach setzt in Ländern ab einer Konsumschwelle von etwa sechs Euro pro Person und Tag ein charakteristischer Zusammenhang ein, bei dem die Verschwendung von Lebensmitteln mit steigendem Konsum drastisch zunimmt. Bei höheren Einkommen flacht die Kurve wieder ab. Berücksichtige man diesen Effekt, komme man auf viel höhere Werte für die Lebensmittelverschwendung als gemeinhin angenommen.

Als Vergleich dient dem Team ein im Jahr 2011 von der Lebensmittel- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen in Auftrag gegebener Bericht einer Arbeitsgruppe um Jenny Gustavsson. Das Team kommt darin zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2015 jeder Mensch im Durchschnitt pro Tag Lebensmittel mit einem Energiegehalt von 214 Kilokalorien wegwarf. Van den Bos Verma dagegen kommt auf 527 Kilokalorien pro Tag – eine dramatische Differenz. Das Modell der niederländischen Gruppe basiere allerdings auf einer fehleranfälligen Überschlagsrechnung, gibt der Agrarökonom Achim Spiller von der Georg-August-Universität in Göttingen zu bedenken.

»Die Autoren nehmen Daten des Lebensmittelangebots und ziehen davon den berechneten Kalorienverbrauch der Bevölkerung ab.« Das sei grundsätzlich zulässig, berge aber eine große Fehlerspanne, besonders beim Kalorienverbrauch der Bevölkerung. »Für die vorliegende Studie bedeutet dies, dass der Zusammenhang zwischen Wohlstand und ›food waste‹ wahrscheinlich etwas überschätzt wird«, sagt Spiller. Auch sein Kollege Matin Qaim, ebenfalls von der Universität Göttingen, warnt davor, den konkreten Zahlen in der Studie zu viel Gewicht beizumessen: »Die Präzision der Schätzungen sollte nicht überbewertet werden, weil das vorgestellte Modell viele wichtige Einflussgrößen nicht berücksichtigt.« In dem Ergebnis der Untersuchung sieht er vor allem eine Warnung für die Zukunft: »Wir lernen, dass die Wegwerfproblematik global betrachtet erheblich ist und mit steigendem Einkommen noch zunimmt.« Weitere Forschung sei nötig, aber die globale Gesellschaft müsse das Problem reduzieren. Wir könnten uns eine solche Ressourcenverschwendung vor dem Hintergrund planetarer Grenzen nicht leisten.

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