Direkt zum Inhalt

News: Wuchernde Mischlinge

Wenn der Mensch fremde Tier- und Pflanzenarten absichtlich oder auch ungewollt in neue Lebensräume einschleppt, so kann das unerwartete Folgen für ganze Ökosysteme haben. Denn das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt wird dadurch in oft unvorhersehbarer Weise gestört. Aber die Eindrinlinge machen den einheimischen Arten nicht nur die Nahrung streitig, sondern manchmal können sie sich sogar mit nah verwandten Arten kreuzen. Die Nachkommen sind dann oft viel widerstandsfähiger als ihre unterschiedlichen Elternteile und können so die ursprüngliche Art dann schnell auslöschen. Dieses Schicksal ereilt nun ein Gras an der Westküste der USA, das sich mit einer eingebürgerten verwandten Art von der Ostküste kreuzte und nun durch dessen mischerbigen Nachkommen im rasanten Tempo verdrängt wird.
In natürlichen Ökosystemen spielte sich innerhalb vieler Millionen Jahre ein Gleichgewichtszustand zwischen den Arten ein. Jede Art besetzt nun eine so genannte ökologische Nische, in der sie relativ konkurrenzfrei leben kann und auf charakteristische Weise auf ihre Umwelt einwirkt oder von dieser beeinflusst wird. Dringen nun in dieses fein ausbalancierte Gefüge völlig neue Arten – so genannte Neophyten oder Neozoen – ein, so können sie die angepassten Arten schnell verdrängen und dadurch ganze Ökosysteme umstürzen. Vor allem der Mensch verschleppt zumeist unbewusst immer wieder fremde Tier- und Pflanzenarten in neue Lebensräume. Hier verdrängen die Fremdlinge die ansässigen Arten nicht nur indem sie deren Lebensgrundlagen beanspruchen oder hier weniger Feinde besitzen, sondern bei nahe verwandten Arten auch dadurch, dass sie sich miteinander paaren und "Mischlinge" – so genannte Hybriden – hervorbringen. Diese können manchmal weitaus besser den täglichen Kampf ums Überleben gewinnen, da sie sowohl mit den mühevoll erworbenen Anpassungen ihres bodenständigen Elternteils als auch mit den positiven Eigenschaften des Eindringlings ausgestattet sind.

Überrascht waren Biologen jedoch, als sie kürzlich entdeckten, in welchem Ausmaß eine neu eingeschleppte Grasart die einheimische Art durch Hybridisierung bereits verdrängte. Die neu eingebürgerte Pflanzenart Spartina alterniflora, die ihren Ursprung an der Ostküste der USA hat, wurde 1970 absichtlich in drei Salzsümpfen an der Westküste der USA augesetzt. Schnell begann daraufhin das fremde Gras, der weniger widerstandsfähigen ansässigen Art S. foliosa Wasser, Licht, Nährstoffe und Standorte streitig zu machen, aber auch, sich mit dieser zu kreuzen. "Das Ausmaß der Hybridisierung überraschte uns alle", meint Debra Ayres, Ökologin von der University of California in Davis. In der Zwischenzeit hat die eingeführte Grasart S. foliosa viele der zeitweise überfluteten Küstenbuchten und Kanäle an der Südseite der Bucht von San Francisco überwuchert. Die Folgen für das Ökosystem sind verheerend: Sparsam bewachsene Schlammflächen, die zuvor Tausende von ziehenden Küstenvögeln nutzten, sind nun von dicht bewachsenen Grasmatten aus zwei Meter hohem S. alterniflora und deren Hybriden überzogen.

Um herauszufinden, weshalb das Gras der Ostküste so erfolgreich mit seinem westlichen Verwandten hybridisiert, untersuchten Ayres und ihr Kollege Donald Strong zunächst die Blütezeit beider Arten. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass es kaum zu Überschneidungen kommt, in denen fremde Pollen die Blüten des einheimischen Grases oder umgekehrt befruchten können. Die Hybriden blühen jedoch zur gleichen Zeit wie die einheimische Grasart, wodurch eine gegenseitige Bestäubung sehr leicht erscheint. Tatsächlich stellten die Biologen fest, dass dies auf den salzigen Sumpfflächen der Buchten auch passiert. Hierzu analysierten die Forscher die DNA aus dem Zellkern von 547 Samen, die sie von den ansässigen S. foliosa-Pflanzen einsammelten. Dabei zeigte sich, dass keiner der Samen aus einer Kreuzung beider Arten hervorging, jedoch elf Prozent eine Hybridpflanze als Elternteil hatten. Somit führte nicht die eingeschleppte Art selbst zu der "genetischen Epidemie", sondern ihre mischerbigen Nachkommen.

"Es ist eine hervorragende Arbeit, die zeigt, wie schwer – wenn nicht gar unmöglich – es ist, viele der eingewanderten Arten zu kontrollieren", meint der Biologe David Policansky vom National Research Council in Washington, D.C.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.