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Funktioniert IQ-Doping?

Der Wissenschaftsjournalist David Adam verliert sich in anekdotischen Schilderungen, statt den Stand der Forschung zum IQ-Doping aufzuzeigen.

David Adam ist Redakteur bei »Nature«, einer der renommiertesten Fachzeitschriften der Welt. Als solcher sollte er bestens geeignet sein, die Potenziale der menschlichen Intelligenz wissenschaftlich auszuloten. Leider schöpft er seine Möglichkeiten nicht aus. Um komplexe Sachverhalte zugänglich zu machen, folgt er den Gepflogenheiten vieler erfolgreicher Sachbuchautoren, Forschung als Geschichte zu erzählen und mit eigenen oder fremden Erfahrungen zu ummanteln. Doch oft scheinen diese Anekdoten in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den geschilderten wissenschaftlichen Befunden zu stehen. Statt zu einem besseren Verständnis beizutragen, enden die narrativen Umwege immer wieder in einer Sackgasse. Und so wirft bald jeder neuerliche Schlenker die Frage auf, ob es sich denn lohnt, ihm zu folgen.

Ein Beispiel: Als es um die elektrische Stimulation des Gehirns geht, schildert Adam seitenlang einen Selbstversuch mit einem Stimulationsgerät, das er sich für 55 Dollar gekauft hat. Anschaulich beschreibt er, wie er es zusammenbaut, verliert sich dann aber in seinem vermeintlichen »Doppelblindversuch«, der offenbar an einem Missverständnis zwischen ihm und seiner Frau scheiterte. Nur wollte er den Effekt des Geräts ohnehin lediglich auf seine Leistung im Rudern testen. Offen bleibt, ob es keine methodisch wasserdichten Experimente gibt, die den Effekt solcher Geräte auf die Intelligenz – das eigentliche Thema – getestet haben. Oder ob es ihm einfach mehr Spaß macht, von seinen sportlichen Klimmzügen zu erzählen.

Vages Fazit

An anderer Stelle berichtet er ausufernd über das traurige Ende eines dopenden Radfahrers bei einer Tour-de-France-Etappe. Das soll wohl auf das Thema IQ-Doping hinleiten, etwa mit Modafinil, einem Medikament zur Behandlung von Narkolepsie. Er kommt allerdings zu keinem Schluss, sondern zählt am Kapitel­ende stattdessen weitere Stimulanzien auf.

Zudem breitet Adam sich drei Seiten lang über ein eigenes Squashmatch aus und weitere zwei Kapitel darüber, wie es ihm gelang, Mitglied im Hochbegabtenverein Mensa zu werden. Ein echtes Experiment über den Effekt von Modafinil in einem IQ-Test ist ihm hingegen genau einen Satz wert. Zumindest einen Absatz widmet er dessen Wirkung auf das Gehirn. Am Ende steht ein vages Fazit: »Wissenschaftler sind skeptisch, inwiefern Modafinil wirklich hilft, bei Tests besser abzuschneiden.« Ethische Fragen zum IQ-­Doping wirft er ebenfalls viele auf, stellt aber keine Ansätze vor, diese Probleme zu lösen.

Immerhin: Die Lektüre ist unanstrengend und oft unterhaltsam. Wann immer er den Vorhang der Geschichte hebt, eröffnet er ungewohnte Einblicke. Etwa in die Ursprünge der Intelligenzforschung und wie Francis Galton (1822–1911) daran scheiterte, seine Theorie von sensorisch bedingten IQ-Unterschieden zu belegen. Wer sich für Historisches interessiert oder Anregungen für Selbstexperimente sucht, ist mit dem Buch also gut beraten.

Nur geht es wissenschaftlich selten in die Tiefe, und die vereinzelten Puzzleteile müsste man schon selbst zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Wer sich von einem Experten umfassend auf den Stand der Forschung bringen lassen will oder sich sogar eine kritische Begutachtung entsprechender Experimente erhofft, dürfte von der Lektüre enttäuscht werden. Ob und gegebenenfalls wie gut und warum welche Formen von IQ-Doping wirken – darüber weiß man am Ende nicht viel mehr als zuvor.

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