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Italiens Ureinwohner

Kaum ein antikes Volk gibt den Gelehrten so viel Rätsel auf wie die Etrusker, die sich selbst "Rasenna" nannten, bei den Griechen aber "Tyrrhenoi" und bei den Römern "Tusci" hießen. Das beginnt schon mit der Frage nach ihrer Herkunft: Glaubt man dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot (um 480 – 424 v.  Chr.), sind die Etrusker im 13. vorchristlichen Jahrhundert aus Kleinasien in das Gebiet der heutigen Toskana eingewandert. Unfug, schrieb 400 Jahre später der Historiker Dionysios von Halikarnassos. Für ihn waren die Etrusker ein alteingesessenes mittelitalisches Volk, das schon seit jeher in Etrurien beheimatet war – eine Ansicht, der sich auch die neuere Forschung anschließt.

Hervorgegangen aus der Villanova-Kultur, die – nach einem wichtigen Fundort in Norditalien benannt – die frühe Eisenzeit in Italien repräsentiert, prägten die Etrusker zwischen 800 und 100 v. Chr. die Ländereien Mittelitaliens zwischen Arno und Tiber, dem Tyrrhenischen Meer und dem Bogen des Apennin. Sie beherrschten den Handel zur See und zu Land, formten einen Zwölf-Städtebund und wurden, beginnend mit dem Fall der Stadt Veji im Jahr 396 v. Chr., vom römischen Reich aufgesogen. Dem Imperium schenkten sie mit der berühmten bronzenen Wölfin das Staatssymbol, mit den "Fasces" (Rutenbündeln, die ein Beil enthalten) die Herrschaftsinsignien – und mit der "etruskischen Disziplin" die Kunst der Weissagung, um den Willen der Götter aus der Gestalt von Blitzen, dem Flug der Vögel oder den Eingeweiden frisch geopferter Tiere zu lesen.

Keine kämpferische Kultur

Doch die "Toskana-Fraktion der Antike" war nicht nur Impulsgeber des römischen Reichs, sondern zeigte sich auch gegenüber Einflüssen von außen recht aufgeschlossen, wie der reich illustrierte Bildband der Wiener Archäologin Friederike Bubenheimer-Erhart verdeutlicht. Mehr den schönen Dingen des Lebens zugetan als dem Krieg, pflegten die Etrusker einen regen kulturellen Austausch mit den Griechen, die seit Mitte des 8. Jahrhunderts in Kampanien siedelten. Von ihnen übernahmen sie neben dem Alphabet und der Töpferkunst auch die politische Gepflogenheit, sich in autonomen Stadtstaaten zu organisieren. Daneben waren die Etrusker innovative Baumeister, begnadete Handwerker und tüchtige Geschäftsleute, die ihre Waren über die Alpen, nach Kleinasien, in die Levante und bis nach Ägypten vertrieben. Besonders gut verstanden sie sich auf die hohe Kunst der Eisenverarbeitung, aber auch auf Keramikproduktion und Goldschmiedetechnik.

Dies belegen auch die zahlreichen baulichen Hinterlassenschaften der Etrusker, angefangen von den "vie cave", jenen Hohlwegen, die das Hügelland zwischen den Städten Pitigliano, Sovana und Sorano durchfurchen, bis hin zu Nutzbauten wie Brücken, Entwässerungsanlagen, Foren und Tempeln – Konstruktionen, welche die Etrusker den Römern in die Wiege legten. Für Letztere war diese kulturelle Befruchtung äußerst nützlich, für Erstere endete sie mit dem Verlust der Identität: Sie waren 89 v. Chr. zu römischen Bürgern geworden.

Partykeller der Ewigkeit

Nach wie vor kommt unser Wissen über das rätselhafte Volk vorwiegend aus seinen Gräbern. Von außen schmucklos und trist, entpuppen sie sich innen als prunkvolle Totenpaläste. Kräftig kolorierte Wandmalereien erzählen von ausgelassenen Festbanketten, von Fischfang, Gesang, Spiel und Tanz. In der Grabanlage Tomba del Triclinio liegen Mann und Frau gemeinsam auf steinernen Bänken und Kissen, während rundherum gemalte Musikanten aufspielen, Paare tanzen und nackte Sklaven bedienen. Auf Wandgemälden in der Tomba Cardarelli widmet man sich dem "kòttabos", einem Spiel, bei dem es gilt, Wein aus einer Schale in ein schwimmendes Gefäß zu schleudern und dabei den Namen der Geliebten zu rufen. Eines von vielen Indizien dafür, wie freizügig und emanzipiert etruskische Frauen damals waren: Im Unterschied zu ihren griechischen Geschlechtsgenossinnen nahmen sie aktiv am sozialen Leben teil. Diese "Partykeller der Ewigkeit", in denen sich Etruriens Prominenz überschwänglich feierte, verströmen unbekümmerte Heiterkeit und Lebensfreude.

Wer sich auf die Spuren der Etrusker begeben möchte, die im ersten vorchristlichen Jahrhundert lautlos aus der Geschichte verschwanden, ist bei Bubenheimer-Erhart bestens aufgehoben.

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