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Anmaßendes Verhältnis

Richard David Precht ist vielen als Bestsellerautor und TV-Moderator in philosophischen Zusammenhängen bekannt. Er hat Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte studiert und in Germanistik promoviert. 1997 erschien sein erstes Buch "Noahs Erbe", in dem er sich mit ethischen Fragen zum Verhältnis zwischen Mensch und Tier auseinandersetzte. Das vorliegende Werk ist quasi eine Neuauflage, die zahlreiche Veränderungen der zurückliegenden zwanzig Jahre berücksichtigt. Dazu zählen neue Erkenntnisse aus der Forschung, die Grenze zwischen Mensch und Tier verwischend; die Verankerung des Tierschutzes im deutschen Grundgesetz; eine steigende Anzahl von Vegetariern und Veganern; und damit kontrastierend eine weiter zunehmende Massentierhaltung.

Precht widmet sich zunächst vor allem dem Menschen. Er versucht zu klären, was diesen zum Menschen macht und vom Tier absetzt. Genetisch lässt sich der Unterschied recht genau beziffern: Das Erbgut von Mensch und Schimpanse beziehungsweise Bonobo unterscheidet sich zu 1,6 Prozent, vielleicht auch zu 1,23 Prozent, wie der Autor zitiert. Andere Kriterien wie Sozialverhalten, Sprache und Bewusstsein lassen sich nicht so leicht quantifizieren. Precht liefert hierfür eindrückliche Beispiele und versucht dabei, Naturwissenschaft und Philosophie aufeinander zu beziehen. Er stellt althergebrachte Erkenntnisse und Überzeugungen in Frage und eröffnet gerade philosophischen Laien immer wieder neue Perspektiven auf das Thema.

It's the economy, stupid

Im zweiten Buchabschnitt wirft der Autor einen Blick in die Geschichte und zeigt, wie sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier immer wieder gewandelt hat. Heute ist es laut Precht vor allem von den anthropozentrischen Religionen geprägt, die den Menschen als "Krone der Schöpfung" sehen und ihm die restliche Natur unterordnen. Besonders in diesem Teil des Werks wird klar, wie sehr Philosophen und Wissenschaftler immer auch Kinder ihrer Zeit und in gesellschaftlichen Situationen und religiösen Überzeugungen verhaftet sind. Immer schon haben ökonomische Argumente eine Rolle für das Mensch-Tier-Verhältnis gespielt, wie Precht zeigt.

In den folgenden beiden Buchabschnitten versucht der Autor eine "neue Tierethik" zu entwickeln und Denkanstöße zu deren praktischer Umsetzung zu geben. Dabei geht es immer wieder darum, ob wir Tiere einsperren, nutzen, töten und essen dürfen. Doch so sehr sich Precht bemüht – allein durch Denken und philosophische Überlegungen lässt sich das wohl nicht beantworten.

Das Tier in dir – und du im Tier

Es überrascht ein wenig, wenn der Autor nach etwa 300 Seiten denkerischer und sprachlicher Gymnastik feststellt, dass nicht die Vernunft, sondern das Gefühl die Moral des Menschen bestimmt. Seine "Ethik des Nichtwissens" beruht auf der Annahme, dass wir nicht wissen können, was wirklich im Kopf eines Tieres vorgeht. Im Zweifelsfall sollten wir davon ausgehen, es ähnele uns im Denken und Fühlen und sei entsprechend zu behandeln. Der Autor plädiert dafür, dass wir uns in kleinen Schritten einer tiergerechteren Gesellschaft annähern, damit die Veränderungen breit akzeptiert werden. Eine durchaus realitätsnahe Kompromisshaltung. Einzig Prechts Parteinahme für Fleisch aus der Petrischale klingt etwas seltsam.

Seine persönliche Einstellung macht Precht von Anfang an sehr deutlich: Er hält es für pure Anmaßung, so mit Tieren umzugehen, wie wir es derzeit tun. Über Tierversuche, Jagd und Massentierhaltung urteilt er sehr undifferenziert und lehnt sie fast schon militant ab. Ganz unrecht hat er damit nicht, doch was er von sich gibt, klingt des Öfteren nach ungefilterten Argumenten militanter Tierschutzorganisationen. Zoos kommen in seiner Beurteilung übrigens erstaunlich gut weg. Das könnte daran liegen, dass er als Kind einmal Zoodirektor werden wollte und sein Herz daran hängt. Ein Werk, das manche Schwächen und Tendenzen aufweist, aber allen entgegenkommen dürfte, denen an Respekt den Tieren gegenüber gelegen ist.

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