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»Welternährung«: Weil sich eine Menge ändern muss

Michael Dachler präsentiert die wichtigsten Daten und Fakten zur Welternährungssituation. Er tut dies umfassend, klar und mit angemessener Dringlichkeit.
Algenfelder, so weit das Auge reicht

Die Welternährungslage ist geprägt von dynamischen Faktoren wie Bevölkerungswachstum oder Klimawandel sowie von unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Sie ist ein hochkomplexes Thema, das selbstverständlich auch die Politik in hohem Maße beschäftigt. Der Agrarwissenschaftler Michael Dachler präsentiert in seinem Buch die wichtigsten Daten und Probleme der Welternährungssituation übersichtlich und stringent. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Nahrungsmittelproduktion möchte er den Status quo der Welternährung einem breiten Publikum nahebringen. Gleichzeitig eignet sich das Buch auch für Studierende einschlägiger Fachrichtungen sowie Beratungsorganisationen, da es einen umfassenden und zu vielen Aspekten detaillierten Überblick über die wichtigsten Fakten zum Thema bietet.

Alle Leser profitieren von der vorbildlichen Aufbereitung der Informationen. Neben ausführlichen Erläuterungen zu den einzelnen Themen bietet das Buch viele Tabellen und Grafiken, grafisch hervorgehobene Teaser und Kurzzusammenfassungen. So lässt es sich auch als Nachschlagewerk nutzen und lädt zum »Hineinschmökern« ein.

Die Ausgangslage formuliert der Autor deutlich: »Um mit dem weiteren Bevölkerungswachstum und der Ernährungsumstellung Schritt zu halten, muss die landwirtschaftliche Produktion bis 2050 weltweit um bis zu 70 Prozent und in Entwicklungsländern um bis zu 100 Prozent gesteigert werden.« Vor diesem Hintergrund beschreibt Dachler die jeweiligen landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen wie Bodenbeschaffenheit, Klima oder Wasserversorgung. Dabei widmet er sich den Produktionsmethoden für die wichtigsten Pflanzen- und Tierarten, inklusive der Speisefische. Weitere Kapitel thematisieren die Verluste und die Verschwendung von Nahrungsmitteln oder beschreiben Alternativen zur herkömmlichen Ernährung wie Algen, In-vitro-Fleisch, Insekten oder künstliche Milch. Auch auf die Ernährungsempfehlungen von WHO und FAO (»Food and Agriculture Organization«) geht Dachler ein und gibt Ausblicke auf wahrscheinliche Entwicklungen. Diese münden in »Schlussfolgerungen« und Empfehlungen, die nicht nur charakteristisch für die Herangehensweise des Autors sind, sondern auch einen Eindruck davon vermitteln, wie viele Ebenen beim Thema Welternährung zusammengedacht werden müssen.

Konkrete Empfehlungen und der Blick aufs große Ganze

So empfiehlt Dachler, dass eine Beendigung des Bevölkerungswachstums angestrebt werden sollte, um auch in Zukunft alle Menschen ausreichend und gesund ernähren zu können. Die Kraftstoffproduktion aus Pflanzenmaterial (Energiepflanzen) müsste, abgesehen von der der Biogasproduktion aus Sekundärrohstoffen, unterbleiben. Bei der Tierproduktion sollte die Anzahl der Wiederkäuer wegen ihres großen Wasserbedarfs, der geringen Futtereffizienz und hoher Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden. Entsprechend sollten sich Produktion und Konsum von tierischem Eiweiß auf Geflügelfleisch, Milch und Eier konzentrieren. Bei der Tierhaltung insgesamt müssten generell der Antibiotikaeinsatz auf ein Minimum reduziert und die Gabe von Hormonen unterbunden werden.

Großen Verbesserungsbedarf sieht der Autor auch bei der Fischproduktion, insbesondere bei Zucht, Futtermitteln und Krankheitsbekämpfung. Außerdem fordert er, mindestens 30 Prozent aller Meeresgebiete unter Schutz zu stellen. Bei der Pflanzenzucht verweist er auf das Potenzial der Geneditierung, die große Chancen bei der Entwicklung von Krankheits- und Schädlingsresistenz biete. Eine größere Resilienz von Pflanzen gegenüber abiotischem Stress durch Trockenheit, Kälte oder Nässe sei auf diesem Wege ebenso erreichbar.

Auch mit Blick aufs große Ganze überzeugt die Darstellung Dachlers. So beschreibt er den Klimawandel als existenzielle Bedrohung für die globale Ernährungssicherheit, da Extremwetterereignisse wie Dürren und Überschwemmungen die Ernteerträge massiv beeinflussen. Gleichzeitig sieht er die Doppelrolle der Landwirtschaft: Sie ist sowohl Opfer als auch Mitverursacherin des Klimawandels. Letzteres als Problem wahrzunehmen und konkrete Hinweise zu seiner Lösung zu erarbeiten, ist Anspruch und Verdienst dieses Buches.

Michael Dachler vermittelt ein umfassendes Bild der globalen Ernährungslage und beschreibt gut verständlich, wie sehr es veränderter Anbaumethoden, angepasster Technologien und koordinierter Anstrengungen auf lokaler und internationaler Ebene bedarf. Nur so lasse sich die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung auf hohem Qualitätsniveau und ohne allzu negative Auswirkungen sicherstellen. Einschlägig Interessierten kann das Buch uneingeschränkt empfohlen werden.

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