Direkt zum Inhalt

Schlichting!: Lichtspiele auf der Rollladen-Rückseite

Die Schlitze in Rollläden lassen Licht hindurch und erzeugen ein Durcheinander von Streifenmustern. Es lässt sich ordnen, indem man die Lichtwege durch die Scheiben verfolgt.
Die Öffnungen zwischen den Lamellen einer Jalousie werden von Licht durchstrahlt und erzeugen zahlreiche helle Streifen
Die Schlitze in einem Rollladen erzeugen ein scheinbar chaotisches Durcheinander von Lichtstreifen. Mit etwas physikalischem Durchblick lässt sich aber alles fein säuberlich sortieren.

Wenn man einen normalen Kunststoffrollladen nur so weit herunterlässt, dass die Schlitze in den Lamellen offen bleiben, bietet sich einem manchmal eine rätselhafte Ansicht. Der Eindruck, wie man ihn vom teilverdunkelten Zimmer aus gewinnt, ist ein auf den ersten Blick völlig ungeordnetes Über- und Nebeneinander von Lichtstreifen. Die Details des Geschehens lassen sich aber entschlüsseln. Dabei ist hier von Vorteil, wenn die Fenster nicht gut geputzt sind – dadurch wird die Richtung des einfallenden Sonnenlichts sichtbar.

Es fällt von schräg links oben durch die Schlitze auf die Scheibe und wird von dort auf die Rückseite der Lamellen reflektiert. Davon zeugen je zwei parallele, übereinander angeordnete Reihen von weiß-beigen rechteckigen Streifen. Von diesen überlagern sich jeweils zwei leicht gegeneinander verschoben.

Wenn man nur eine Reihe mit einem einfachen Rechteck zu sehen bekäme, wäre die Erklärung für deren Zustandekommen schnell bei der Hand: Das einfallende Sonnenlicht bildet die Streifen durch spiegelnde Reflexionen in der Fensterscheibe auf die Lamelle ab. Von dort gelangt das Licht dann durch diffuse Reflexion ins Auge beziehungsweise in die Kamera. Diffus heißt, dass das Licht in alle Richtungen ausgestrahlt wird.

Aber wieso tritt das helle Rechteck im leicht zueinander versetzten Doppelpack auf? Nicht nur die vordere Grenzschicht der Scheibe reflektiert einen Teil des Lichts (etwa vier Prozent), sondern auch die Rückseite. Und da diese ein kleines Stück (etwa fünf Millimeter) weiter vom Loch entfernt ist, verschieben sich die Reflexe leicht gegeneinander. Das meiste Licht geht durch die Scheiben hindurch ins Zimmer.

Rollladen-Lichtspiele | Auf den ersten Blick bietet sich ein völlig ungeordnet erscheinendes Lichtszenario, wenn man die Lamellen einer Jalousie nicht ganz herabgelassen hat. Dann werden die dazwischenliegenden Öffnungen vom einfallenden Licht durchstrahlt.

Die untere Reihe von Doppelreflexen ist darauf zurückzuführen, dass wir es hier mit einer Doppelglasscheibe zu tun haben. Dadurch wiederholt sich dasselbe Geschehen in einem etwas größeren Abstand. Im Prinzip wären weitere Aufhellungen durch Reflexionen zwischen den Scheiben untereinander zu erwarten – Reflexionen von Reflexionen von Reflexionen … Die Intensität ist allerdings so gering, dass man davon hier nichts sehen kann.

Hinter zahlreichen alltäglichen Dingen versteckt sich verblüffende Physik. Seit vielen Jahren spürt H. Joachim Schlichting diesen Phänomenen nach und erklärt sie in seiner Kolumne. Schlichting ist Professor für Physik-Didaktik und arbeitete bis zur Emeritierung an der Universität Münster. Alle seine Beiträge finden sich auf dieser Seite.

Getrennt von und zusätzlich zu diesen weiß-beigen projizierten Streifen sind außerdem eine Reihe hellblauer Exemplare auf der Lamelle zu sehen. Sie unterscheiden sich von den ersteren nicht nur durch die Farbe, sondern vor allem durch eine weitere Eigenschaft: Ihre Lage hängt vom Blickwinkel ab. Verändert man die eigene Position, so verschieben sich ebenfalls die Streifen. Sie zeigen den Ausschnitt des Himmels, den man vom jeweiligen Standpunkt aus durch die Öffnungen auf die Rückseite der Lamellen gespiegelt sieht. Auch die bläuliche Färbung verweist darauf.

Eingeschränkte Aussichten

Wir könnten ebenso direkt durch die Schlitze blicken und würden jeweils einen anderen Ausschnitt des Himmels zu Gesicht bekommen. Demgegenüber wäre der direkte Blick auf die Sonne nur durch einen einzigen Schlitz möglich (und sollte ohnehin unterlassen werden). Der Himmel ist viel größer, und deswegen sieht man ihn aus jeder Lage streifenweise reflektiert und projiziert, allerdings an jeweils anderen Stellen.

Bemerkenswert sind die Anzahl und die Anordnung der gespiegelten hellblauen Streifen. Um zu verstehen, wie es dazu kommt, muss man sich die möglichen Lichtwege durch die Doppelglasscheibe genauer anschauen. In einer Grafik lassen sich die Projektionen zeigen, die durch eine einmalige Reflexion je Grenzschicht zu Stande kommen. Bei mehrfachen Reflexionen reicht die Intensität nicht mehr für einen sichtbaren Lichtfleck auf der Lamelle aus.

Lichtwege zwischen Lamellen und Scheiben | Himmelslicht, das durch einen Schlitz (rechts) einfällt, wird an den Grenzschichten der Scheiben (links) reflektiert und fällt zurück auf den Rollladen.

Unter dieser Voraussetzung sind insgesamt sechs unterschiedliche Lichtwege zu erwarten. Die daraus resultierenden Lichtflecken werden durch jede Reflexion weiter nach unten verschoben. Ein zusätzlicher, vergleichsweise großer Versatz tritt auf, wenn an den Reflexionen die zweite, vom Schlitz weiter entfernte Scheibe beteiligt ist.

Die Reflexion, die unmittelbar an der äußeren Grenzschicht der ersten Scheibe auftritt (rot), ruft keinen sichtbaren Streifen hervor. Er fällt in den Bereich der Grenzen des Schlitzes und wird weitgehend überstrahlt vom überbordenden Licht. Erst das an der rückwärtigen Grenzschicht dieser Scheibe reflektierte Lichtbündel (gelb) ist wegen des Versatzes gleich unterhalb zu sehen.

»Noch viel wunderbarer als der einfache Spiegel ist der durchsichtige Spiegel, zum Beispiel ein Fenster«Christian Morgenstern

An allen weiteren Lichtwegen ist die zweite Scheibe beteiligt. Dadurch landen die reflektierten Bündel entsprechend weiter unten. Man würde vier gegeneinander verschobene Streifen erwarten. Es tritt jedoch nur ein Tripel dicht aneinanderliegender Streifen auf, da zwei der unterschiedlichen Pfade zu einem gleichen Versatz führen. Der mittlere Reflex besteht demnach aus der Überlagerung zweier Lichtwege, was den Streifen intensiver leuchten lässt.

Ausschnitt der Streifenmuster | Ein kleiner Bereich des Gesamtbilds macht die Lichtreflexe durchschaubar.

Die Aussagen gelten natürlich nur für einen bestimmten Blickwinkel, hier für die oberen Lamellen. In den weiter darunter liegenden treten zunehmend Verschiebungen auf.

Wer demnächst die Rollläden herunterlässt, sollte sich vielleicht ein wenig Zeit nehmen, um dieses Miniaturschauspiel im schmalen Zwischenraum zwischen den Lamellen und den Fensterscheiben zu beobachten – und als Aufforderung zum Puzzeln mit Licht zu betrachten.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.