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Zerebrale Organoide: Minihirne mit Potenzial

Sie sind zwar eine Million Mal kleiner als unser Oberstübchen. Doch einiges, was in den Minigehirnen abläuft, ist bei uns ähnlich - zumindest ganz am Anfang.
Querschnitt durch ein Minigehirn

Querschnitt durch ein Minigehirn

Die erbsengroßen Modellgehirne, die ein Team um den Biologen Alysson Muotri von der University of California angefertigt hat, können sicherlich noch keinen klaren Gedanken fassen. In der Art, wie sich die Stammzellklümpchen entwickelten und verhielten, erkannten die Forscher jedoch erstaunliche Ähnlichkeiten zu unseren grauen Zellen – zumindest zu deren Anfängen. Über mehrere Monate hinweg bildeten sich aus den Vorläufern unterschiedliche Zelltypen heraus (im Bild verschiedenfarbig markiert), die sich in einer gehirntypischen dreidimensionalen Struktur organisierten.

Doch das ist noch nicht alles: Die reifen Nervenzellen schlossen sich zusammen und feuerten gemeinsam oder zeitversetzt; sie bildeten also dynamische Netzwerke aus. Die elektrischen Ströme, die dabei flossen, ähnelten denen eines Frühgeborenen, schreibt das Team um Muotri in der Fachzeitschrift »Cell Stem Cell«.

Bereits seit einigen Jahren dienen aus Stammzellen hergestellte Gehirnmodelle – so genannte zerebrale Organoide – dazu, die Entwicklung des menschlichen Gehirns zu untersuchen. Allerdings konnte man darin bisher noch keine neuronalen Netzwerke nachweisen. Indem es Bedingungen wie die Nährstoffversorgung für die anspruchsvollen Stammzellen optimierte, gelang es dem Team um Muotri, die Zellkulturen weiter reifen zu lassen als bisher. Zehn Monate lang wuchsen die Gehirne heran. Dabei wurden sie nicht nur größer, sondern veränderten auch ihre Zusammensetzung und damit ihre elektrische Aktivität. Während des ersten Monats bestanden sie noch zu über 70 Prozent aus nichtleitenden Nervenvorläuferzellen. Doch bereits nach zwei Monaten konnten die Forscher mittels Elektroden im Gewebe bestimmte Aktivitätsmuster nachweisen. Diese Spannungsmuster stammten von reifen Neuronen, die sich vernetzt hatten; sie veränderten sich im Lauf der Zeit und waren nach zehn Monaten sogar in einigen Parametern mit dem EEG – also den aufgezeichneten Hirnströmen – von Frühgeborenen vergleichbar.

Zudem bevölkerten immer mehr Gliazellen die Minigehirne; über 40 Prozent machten die stützenden und isolierenden Hilfszellen schließlich aus. Zum Vergleich: Ein erwachsenes Gehirn besteht zu mehr als der Hälfte aus Gliazellen. Um festzustellen, um welche Zelltypen es sich jeweils handelte, färbten die Forscher bestimmte charakteristische Proteine auf der Oberfläche und im Inneren der Zellen an (siehe Bild). So konnten sie auch die räumliche Anordnung der Zelltypen innerhalb eines Minigehirns untersuchen.

Obwohl die Organoide etwa eine Million Mal kleiner sind als ein menschliches Gehirn, glauben Muotri und seine Kollegen, dass sie dessen früher Entwicklung mit ihren Modellen einen Schritt näher gekommen sind. Unter anderem schließen sie aus ihren Beobachtungen, dass die Entwicklung von neuronalen Netzwerken im Gehirn eines Embryos nach einem festen genetischen Programm abläuft.

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