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Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte über einen Krieg der Menschen gegen Vögel

Kurz nach der Weltwirtschaftskrise zog Australien in den Krieg. Im eigenen Land. Gegen die flugunfähigen Emus. Es war ein Kampf wie David gegen Goliath, berichten unsere Kolumnisten.
Kopf eines Großen Emus.
Der Große Emu (Dromaius novaehollandiae) ist in Australien heimisch. In den 1930er Jahren fraßen Schwärme des Laufvogels die Felder der Bauern leer. Was folgte, war ein Krieg Mensch gegen Vogel.
Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« auf ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Alles begann am Ende des Ersten Weltkriegs. Diese Zeit stellte Australien – so wie viele andere Nationen – vor eine ganz besondere Herausforderung: heimkehrende Veteranen, die es wieder in die Gesellschaft einzugliedern galt. In Anlehnung an historische Vorbilder, wie die Landvergabe an römische Soldaten in der Antike, beschloss die australische Regierung, ein ähnliches Programm aufzulegen.

Bereits einige Jahre vor Kriegsende hatte man angefangen, mehr als 5000 Soldaten auf dem australischen Kontinent anzusiedeln. Das ihnen zugewiesene Land, hauptsächlich in Westaustralien, war für den Weizenanbau und die Schafzucht vorgesehen. Doch viele der neuen Landwirte hatten keine Erfahrung in der Agrarwirtschaft, und die Böden, insbesondere in den entlegenen Gebieten wie am äußeren Rand von Perth, waren oft unfruchtbar und schwer zu bearbeiten.

Die Lage verschärfte sich im Jahr 1932, als die Weltwirtschaftskrise die Weizenpreise drastisch drückte und die Lebensgrundlage der Veteranen wegzubrechen drohte. Zu dieser wirtschaftlichen Notlage gesellte sich nun noch eine unerwartete Plage: Emus! Die großen, flugunfähigen Laufvögel formierten sich in Zeiten der Nahrungsknappheit zu großen Gruppen. Angelockt von den landwirtschaftlichen Flächen, die zusätzliche Wasserquellen boten, fielen bis zu 20 000 dieser Vögel in die Anbaugebiete ein. Sie fraßen nicht nur die Saat und den Weizen, sondern zerstörten auch Zäune, so dass weitere Schädlinge wie Kaninchen in die Gebiete eindringen konnten. Doch die Emus waren nicht ohne Grund so plötzlich und massiv auf die Felder eingefallen: Ihr natürlicher Lebensraum hatte sich durch die Landwirtschaft verändert.

Üblicherweise halten sich die Vögel an saisonale Wanderrouten, aber in den Anbaugebieten der Veteranen fanden sie ideale Bedingungen vor: genügend Nahrung und vor allem Wasser. Was demnach als wohlgemeintes Programm zur Unterstützung von Kriegsveteranen begann, wandelte sich unversehens in einen Kampf gegen eine Naturgewalt, die der Mensch selbst heraufbeschworen hatte.

Das Militär rückte gegen die Emus aus

Anfangs versuchten viele Bauern, die ja im Umgang mit Waffen geschult waren, der Plage selbst Herr zu werden. Schnell stellte sich aber heraus, dass sie gegen die schiere Masse an Vögeln völlig machtlos waren. Sie hatten daher keine andere Wahl, als die Regierung um Hilfe zu bitten. Verteidigungsminister George Pearce (1870–1952) entschied daher, eine unkonventionelle Maßnahme zu ergreifen: den Einsatz des Militärs. Major G. P. W. Meredith wurde mit zwei weiteren Soldaten, Sergeant S. McMurray und Gunner J. O'Halloran, samt zweier Lewis-Maschinengewehren entsandt, um die Emuplage zu bekämpfen. Statt mit Kanonen auf Spatzen, jetzt also mit Maschinengewehren auf Emus.

Toter Emu | Ein Mann präsentiert einen der erlegten Emus. Das Bild stammt aus der australischen Zeitung »The Land« und war in der Ausgabe vom 25. November 1932 abgedruckt.

Zum ersten Aufeinandertreffen kam es in der Siedlung Campion, im so genannten Westaustralischen Weizengürtel, wo die Soldaten versuchten, eine Gruppe von etwa 50 Vögeln zu erlegen. Die Emus reagierten jedoch unerwartet schnell und entkamen in verschiedene Richtungen. Die Jagd per Maschinengewehr erwies sich daher als nutzlos. In einem zweiten Versuch konnten die Soldaten zwar ein Dutzend Vögel erlegen, was aber noch immer weit weniger war als erwartet.

Ein weiterer Angriff fand zwei Tage später statt. Die Soldaten legten sich bei einem Damm auf die Lauer, wo etwa 1000 Emus gesichtet wurden. Als die Vögel in Schussreichweite kamen, eröffneten die Soldaten das Feuer. Eine Ladehemmung führte aber dazu, dass doch wieder nur einige wenige Emus erlegt wurden, bevor der Rest der Herde fliehen konnte. Trotz weiterer Versuche – etwa ein Maschinengewehr von einem Kleinlaster aus abzufeuern, was sich sich als ineffektiv erwies, da der Laster nicht mit der Geschwindigkeit der Vögel mithalten konnte – waren die Ergebnisse enttäuschend. Insgesamt wurden in der ersten Phase des später als Emukrieg bekannten Konflikts zwischen 50 und 200 Emus erlegt. Aus Sicht der Bauern viel zu wenige.

Es war nun klar, dass man die Vögel maßlos unterschätzt hatte. Wie der australische Historiker Murray Johnson in einer Studie über den Emukrieg schreibt, waren die Tiere nicht nur zäh und schnell, sondern hatten auch begonnen, Guerillataktiken anzuwenden. Statt sich in einer großen Herde zu bewegen, teilten sie sich in kleine Grüppchen auf und machten damit die Maschinengewehre nutzlos.

Die Menschen ziehen sich aus dem Emukrieg zurück

Die öffentliche Meinung kippte recht bald gegen die Aktion, und die Regierung sah sich gezwungen, die Soldaten abzuziehen. Doch die Probleme der Bauern verschwanden damit nicht. Die Veteranen, die bereits mit unfruchtbarem Land und der Weltwirtschaftskrise zu kämpfen hatten, sahen sich weiterhin einer Übermacht von Emus gegenüber. Der Emukrieg, der als praktische Lösung gedacht war, wurde so zu einem Symbol für die unzulänglichen Bemühungen der Regierung und ihrer Fehleinschätzungen.

Im Laufschritt | Emus können eine Geschwindigkeit von bis zu 50 Kilometer pro Stunde erreichen. Die australischen Vögel werden zudem fast zwei Meter groß.

Trotz dieser Niederlage wurden bis in die 1940er Jahre Rufe nach neuerlicher militärischer Intervention laut, denn die Emus bedienten sich weiterhin an den Ernten und Vorräten der Bauern. Erst als 1943 ein Kopf- beziehungsweise Schnabelgeld ausgesetzt worden war und die Bauern kostenlos Munition erhielten, stellte sich der erhoffte Erfolg ein. So wurden im selben Jahr über 50 000 tote Emus registriert, zwischen 1945 und 1960 dann insgesamt mehr als 280 000. Vielen der Veteranen half das allerdings nicht mehr viel. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation hatten vor allem die Emus dafür gesorgt, dass geschätzt 60 Prozent der angesiedelten Veteranen scheiterten. Die Siedlung Campion zum Beispiel, wo der erste Angriff auf die Emus stattfand, ist heute eine Geisterstadt.

Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich die Sicht auf Emus. Statt deren Abschuss zu belohnen, wurde in den 1950er Jahren ein über 150 Kilometer langer Zaun errichtet, der die Emus von den Feldern der Bauern fernhalten sollte. Der Zaun wurde schließlich um zwei weitere Zäune ergänzt, diesmal allerdings um vor allem Kaninchen und Dingos abzuwehren. Seit 1999 gelten Emus in Australien als geschützte Art. Ein später, aber eindeutiger Sieg der Vögel über ihre menschlichen Widersacher.

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