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Ein kommunales Konzept zur Verminderung der Kohlendioxid-Emissionen

Die Möglichkeiten der Kommunen, zum globalen Klimaschutz beizutragen, sind begrenzt. Durch Anreize zum Energiesparen und die Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs können aber auch sie helfen, den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken, wie eine Studie am Beispiel der Stadt Heidelberg zeigt.

Die Klima-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages forderte 1990 von den Kommunen Energie- und Verkehrskonzepte, um bis zum Jahre 2005 das nationale Ziel, die Kohlendioxid-Emissionen um 30 Prozent zu mindern, erreichen zu können. Wie Frankfurt am Main, Hannover, Wuppertal und andere Städte kam dem auch Heidelberg nach. Mit finanzieller Unterstützung der Kommission der Europäischen Gemeinschaft erstellte das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) eine Studie, die den bisherigen Ausstoß des Treibhausgases CO2 bilanziert und abschätzt, welche Emissionsminderungen die Kommune bis 2005 aus eigener Kraft erreichen könnte.

Bei einer solchen Untersuchung sind nicht nur die Emissionen zu berücksichtigen, die direkt und vor Ort die Luftqualität beeinträchtigen. Vielmehr muß man auch jene Emissionen einbeziehen, die in das Umland verdrängt werden können – das Verlagern von Kraftwerken und Industrie sowie der Bau von Umgehungsstraßen schönen zwar die innerstädtische CO2-Bilanz, ändern aber nichts an der nationalen. Die Kommunen dürfen nicht mehr die globalen Effekte ihrer Entscheidungen außer acht lassen.

Die Stadt Heidelberg mit ihren annähernd 140000 Einwohnern emittiert jährlich etwa 1,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Knapp ein Drittel davon entfällt auf den Energieverbrauch in privaten Haushalten, ein Viertel auf den motorisierten Verkehr (Bild 1).

Nicht berücksichtigt sind dabei die indirekten Emissionen durch den Konsum von Gütern, die an anderen Orten produziert wurden; der rechnerische Wert von 8,5 Tonnen Kohlendioxid je Einwohner und Jahr ist deshalb nur scheinbar sehr viel geringer als der Durchschnitt in den alten Bundesländern mit 12 Tonnen.

Größtes Sparpotential bei der Raumheizung

Wie die Studie zeigt, kann die Kommune am wirksamsten beim Energieverbrauch ansetzen, indem sie insbesondere Sparmaßnahmen forciert und die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung fördert. Sparmaßnahmen in städtischen Gebäuden selbst, so durch Wärmedämmung und energiebewußtes Verhalten der Angestellten, können dabei nur Vorbildfunktion haben, denn sie betreffen lediglich 3 Prozent der Gesamtemissionen.

Das eigentliche Sparpotential liegt – zumindest in industriearmen Städten wie Heidelberg – bei der Raumheizung der privaten Haushalte. Aus den heutigen Preisen von Öl und Gas ergeben sich Heizkosten von etwa fünf Pfennig je Kilowattstunde.Wie Berechnungen des Tübinger Büros für Energieberatung, Haustechnik und ökologische Konzepte (ebök) ergeben haben, ließen sich dabei schon durch Wärmedämmung auf rentable Weise 7 bis 10 Prozent des Nutzenergiebedarfs für die Raumwärme einsparen. Das erfordert jedoch gezielte Aufklärung und Beratung der privaten Investoren sowie finanzielle Anreize, beispielsweise über eine Anschubfinanzierung oder günstige Darlehen.

Über die Wirtschaftlichkeit hat der Energiepreis großen Einfluß auf das Einsparpotential und damit auf die Minderung der CO2-Emission. Bei acht Pfennig je Kilowattstunde ließe sich ein Potential von etwa 25 Prozent, bei 13 Pfennig gar eines von mehr als 30 Prozent mobilisieren (Bild 2). Die Kommunen haben auf den Energiepreis jedoch praktisch keinen Einfluß; hier wären Initiativen der Bundesregierung oder EG-Kommission – beispielsweise in Form von Energie- oder Kohlendioxid-Abgaben – nötig.

Die eigentlich lokale Aufgabe der Kommunen liegt bei der Information der Öffentlichkeit über die Möglichkeiten der Energieeinsparung. Aber auch das setzt strukturelle Änderungen voraus. In sogenannten Energiedienstleistungskonzepten muß es sich auch für die Stadtwerke lohnen, auf Energiesparmaßnahmen hinzuwirken, und nicht nur Ener- gie zu verkaufen. Erlöseinbußen durch Energiesparen dürfen schon deshalb nicht auftreten, weil viele Kommunen mit den Überschüssen der Stadtwerke den defizitären öffentlichen Personennahverkehr finanzieren.

Große Bedeutung kommt der Kraft-Wärme-Kopplung zu, der kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme in Blockheizkraftwerken oder der Nutzung der Abwärme herkömmlicher Kraftwerke zu Heizzwecken. Heidelberg bezieht seit 1988 Fernwärme aus dem Großkraftwerk der nahegelegenen Stadt Mannheim. Der Betrieb der Heidelberger Heizwerke konnte daher nahezu eingestellt werden. Insgesamt werden dadurch 60000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr weniger emittiert.

Probleme ergeben sich allerdings bei der Ausweitung des innerstädtischen Fernwärmenetzes. Gegenwärtig sind erst 16 Prozent der Heidelberger Haushalte angeschlossen. Der Anteil von ölbeheizten Wohnungen liegt noch bei 42 Prozent. Würden auch sie mit Fernwärme versorgt, sänke der Kohlendioxid-Ausstoß von 310 Gramm je Kilowattstunde Heizenergie um 140 Gramm, mithin um mehr als 40 Prozent. Erforderlich wären dazu allerdings die gezielte Förderung zusätzlicher Fernwärmeanschlüsse und die Erschließung weiterer Stadtteile. Durch die hohen Investitionskosten des Fernwärmenetzes ist die Fernwärme gegenüber dem billigen Erdgas und Erdöl immer noch benachteiligt.

Geringe Potentiale beim Verkehr

Wird nicht rasch und entschieden gegengesteuert, werden die verkehrsbedingten Kohlendioxid-Emissionen in der Bundesrepublik nicht sinken, sondern noch beträchtlich steigen. Unser Institut rechnet bis zum Jahre 2005 mit einer Zunahme um 38 Prozent.

Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen dürfte sich der motorisierte Verkehr in Heidelberg allein bis zum Jahre 2000 um etwa 20 Prozent steigern. Auch eine Verlagerung könnte wenig bewirken: Eine Verdoppelung des Fahrrad- und ei-ne Verdreifachung des öffentlichen Nahverkehrs würden die verkehrsbedingten Kohlendioxid-Emissionen in der Stadt lediglich um 8 Prozent mindern.

Ein Grund für diesen geringen Effekt ist, daß immer mehr Berufstätige und Studenten aus der Region einpendeln; ihre Zahl hat in Heidelberg von 1970 bis 1987 um 70 Prozent zugenommen. Zum einen liegt das an der Konzentration von Arbeitsplätzen im Stadtgebiet, zum anderen am Wohnungsmangel – bedingt wiederum im wesentlichen durch steigende Ansprüche: Während 1968 noch 26 Quadratmeter Wohnfläche auf jeden Einwohner Heidelbergs entfielen, waren es 1987 bereits 34.

Auch die einseitige Nutzung der Bebauung im Stadtbereich hemmt die Reduktion der verkehrsbedingten Kohlendioxid-Emissionen. Bei einer reinen Wohn- oder Gewerbebebauung – meistens an der Peripherie – müssen die Einwohner etwa doppelt so viele Fahrten pro Person mit dem Privatwagen unternehmen wie in gewachsenen Stadtvierteln mit einer gemischten Nutzungsstruktur (Bild 3).

Eine verkehrsvermeidende Kommunalpolitik muß deshalb anstreben, die Nutzungsmischung in den Stadtvierteln wieder zu steigern, also Arbeiten und Wohnen räumlich zu integrieren und den lokalen Freizeitwert zu erhöhen. Nur so lassen sich auch langfristig die verkehrsbedingten Kohlendioxid-Emissionen in größerem Maße mindern. Denn die Reduktion des gesamten CO2-Ausstoßes in Deutschland um 30 Prozent ist ohnehin nur ein Etappenziel. Die Enquete-Kommission des Bundestages hat bereits für das Jahr 2020 eine Minderung um 50 und für 2050 gar eine um 80 Prozent gefordert.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1993, Seite 97
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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