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Georg Christoph Lichtenberg

Sein kleiner, verwachsener Körper trug einen der originellsten Köpfe des 18. Jahrhunderts. Er lehrte die seinerzeit neueste Physik, entdeckte die nach ihm benannten Entladungsfiguren und notierte tausende Aphorismen in seinen Sudelbüchern.


Elektrizität kennt der Mensch, seit es ihn gibt, in Gestalt des Blitzes. Irdische Ladungsphänomene beschrieb als erster vor 2600 Jahren Thales von Milet, und da er sie im Bernstein (griechisch elektron) fand, erhielten sie dessen Namen. Aber erst mehr als 2300 Jahre später, Anfang April 1777, gelang es zum ersten Mal, ein elektrisches Kraftfeld dem menschlichen Auge nicht nur sichtbar zu machen, sondern diese Sinnfälligkeit auch zu konservieren. Die sternförmigen Gebilde aus Staub wurden alsbald nach dem Erfinder des Verfahrens, einem in Göttingen lehrenden Physiker, "Lichtenberg-Figuren" genannt.

Zwei Jahrzehnte nach seiner Entdeckung notierte der Namenspatron: "Es scheint, als wenn allen Entdeckungen eine Art von Zufall zum Grunde läge, selbst denen, die man durch Anstrengung gemacht zu haben glaubt." ("Sudelbuch", L 806.) Indes: Den vermeintlichen Zufällen in der Wissenschaft geht in aller Regel planvolles Suchen voraus – oder folgt ihnen unmittelbar nach. Manches Naturphänomen nimmt der gewöhnliche Betrachter nur im Vorübergehen wahr, weil es ihm ein hübsches Schauspiel bietet; doch da er es nicht sofort verstehen kann, geht er achtlos weiter.

Nicht so vor 223 Jahren der Göttinger Professor der Physik und Mathematik Georg Christoph Lichtenberg, als er gerade da-mit beschäftigt war, sich für seine künftigen Forschungen und Vorlesungen ein leistungsfähiges Demonstrationsgerät zu bauen. Schon seit geraumer Zeit interessierte er sich für die Lehre von der Elektrizität, die in den Jahrzehnten zuvor ganz außerordentliche Fortschritte gemacht hatte.

Im 18. Jahrhundert erzeugte man Elektrizität mittels Reibung eines Lederkissens, das auf einen rotierenden Körper gedrückt wurde. Ursprünglich nahm man dafür eine Schwefelkugel, doch seit den 50er Jahren etwa trat an deren Stelle immer häufiger eine Glaskugel oder ein Glaszylinder und schließlich eine runde gläserne Scheibe. Die auf der Oberfläche dieser Körper durch die Reibung gebildete elektrische Ladung konnte über Metallspitzen ("Konduktoren") abgegriffen und für begrenzte Zeit auf "Leidener" oder "Kleistischen Flaschen" gespeichert werden. Schaltete man mehrere Flaschen hintereinander, so wurde diese Anordnung mit dem artilleristischen Terminus "Batterie" bezeichnet, der sich für die moderne Form der Elektrizitätsspeicherung erhalten hat. Oder man verbrauchte diese Elektrizität – die oft beträchtliche Spannung, zum Glück aber wenig Stärke hatte – lieber gleich: Der Hausherr ließ beispielsweise alle Dienstboten oder sogar die Gäste eine Kette bilden und freute sich daran, wie die Entladung durch alle Körper hindurch ging und je nach Erdung die Teilnehmer des Spiels zucken ließ oder auseinander warf.

Wenige Jahre zuvor, 1762 beziehungsweise 1771, hatten unabhängig voneinander ein deutscher Schwede aus Wismar, Johann Karl Wilcke, und ein savoyischer Italiener aus Como, Professor Alessandro Volta von der Universität Pavia, ein neues Gerät entwickelt, das leichter herzustellen war und zunächst zweckmäßiger schien: den von Volta griechisch-italienisch Elettroforo perpetuo – anhaltender Elektrizitätsträger – genannten Produzenten und Speicher. So ein Elektrophor besteht seit Volta lediglich aus einem Harzkuchen – an seiner Stelle nimmt man heutzutage meist Kunststoffe – auf einem geerdeten Metallteller. Die Elektrizität wird erzeugt, indem die glatte Oberfläche des Kuchens, der ein sehr guter Isolator ist, mit einem Katzenfell gerieben oder mit einem Flederwisch aus Haaren gepeitscht wird. Mit einem etwas kleineren metallischen Deckel, der an Seidenschnüren isoliert aufgehängt ist, kann die entgegengesetzte Ladung abgenommen und, wie vorhin beschrieben, gespeichert oder für Experimente genutzt werden.

Mit dem Elektrophor ließen sich recht hohe Spannungen erzeugen, vor allem aber über längere Zeit immer wie-der kleine Mengen abnehmen (daher perpetuo). Man musste lediglich den Deckel, bevor man ihn abnahm, an seiner Oberseite gegen die Metallpfanne erden. Die üblichen Elektrophore waren rund und maßen einen halben bis ganzen Meter im Durchmesser. In der Hoffnung, dass man mit größeren Geräten auch größere Erfolge erzielen könne, baute Lichtenberg sich im April 1777 ein Gerät von 6 Fuß, also über 1,80 Meter Durchmesser; dazu brauchte er 51 Pfund Harz. Später konstruierte er sogar einen mehr als 2,25 Meter großen Elektrophor von 56 Pfund Gewicht.

Erst zehn Monate später berichtete Lichtenberg in einem lateinischen Vortrag vor der "Königlichen Sozietät der Wissenschaften zu Göttingen" (der heutigen Göttinger Akademie) über den "Anlaß der Beobachtung dieser Erscheinung", die nach ihm benannten Figuren: "Gegen Frühlingsanfang des Jahres 1777, unmittelbar nach der Fertigstellung meines Elektrophors, war mein Zimmer noch voll von feinstem Harzstaub, der beim Abhobeln und Glätten des Fundaments bzw. der Grundfläche des Instruments aufgestiegen war, sich danach an den Wänden und auf den Büchern abgesetzt hatte und oft bei Luftzug zu meinem großen Verdruß auf den Schild [den Deckel] des Elektrophors herabfiel. Als ich später des öfteren den Schild an der Zimmerdecke hängen ließ, geschah es, daß der auf der Grundfläche liegende Staub diese nicht, wie zuvor den Schild, gleichmäßig bedeckte, sondern sich nun an mehreren Stellen zu meinem großen Vergnügen in kleinen Sternen anordnete, die anfangs matt und schwer zu erkennen waren, die aber, als ich mit Eifer mehr Staub darauf streute, sehr deutlich und sehr schön wurden und häufig getriebener Arbeit glichen".

Im Anschluss wurde Lichtenbergs Beschreibung dann geradezu poetisch – hatte er doch einen bis dahin unbekannten, nie zuvor gesehenen Teil der Schöpfung entdeckt: "Es zeigten sich mitunter fast unzählbar viele Sterne, Milchstraßen und größere Sonnen; Bogen, die an ihrer hohlen Seite dunkel, an ihrer erhabenen aber mit Strahlen versehen waren; ganz fein gebildete Ästchen, denen ähnlich, welche gefrorener Dampf an Fensterscheiben erzeugt; ferner Wolken, sehenswert in ihrer mannigfachen Gestalt und den verschiedenen Graden des Schattens". Wen wundert es, dass Lichtenberg in der Folgezeit versuchte, diese neue Welt in immer wieder variierten Experimenten zu reproduzieren, sie dabei zu verstehen – und mit Hilfe von gekleistertem Papier Abdrücke von ihr zu nehmen.

Freilich war Lichtenberg damit noch weit entfernt von dem Gerät, dem wir Heutigen, in Fluten vervielfältigten Papiers Ertrinkenden jeden Tag begegnen: dem Xerokopierer. Es wäre gewiss übertrieben, das Fixieren elektrostatischer Staubfiguren auf Papier als Vorstufe moderner Kopiergeräte zu bezeichnen. Aber Chester F. Carlson, der 1944 seinen vier Jahre zuvor konstruierten "Electro-Photographic Apparatus" patentieren ließ, würdigte in seiner "History of Electrostatic Recording" 1965 ausdrücklich die Leistung des großen Vorgängers.

Zunächst hatte man anscheinend nur wenig Sinn in Lichtenbergs Erfindung sehen wollen; dann aber hagelte es förmlich Briefe, Manuskripte und Bücher. Die englischen Physiker verzeichneten seine Entdeckung bald in ihren Lehrbüchern, und umgehend ging sie auch mit einer Abbildung nach Lichtenbergs verschollener Vorlage in die "Encyclopaedia Britannica" ein. Dabei wurde das elektrisch erzeugte Zeichen "GR" für Georgius Rex, den britischen König, das Lichtenberg bei seinem Akademie-Vortrag demonstriert und später nach England geschickt hatte, fein säuberlich in Kupferstich nachgedruckt. So bleibt ihm der Ruhm des Erstentdeckers, auch wenn hier immer noch mindestens zwei weitere, ansonsten ziemlich vergessene Physiker angeführt werden, die wohl dicht daran gewesen sein mögen – doch nichts darüber publiziert haben. Aber schon Lichtenbergs Nachfolger auf dem Lehrstuhl, Tobias Mayer junior, mochte die Bedeutung und Originalität der Entdeckung nicht recht einsehen.

Überhaupt hat es lange gedauert, bis man die theoretischen Grundlagen der Gleitentladungen und ihre fraktale Struktur einigermaßen begriff – länger jedenfalls als ihre technische Anwendbarkeit. Aber in regelmäßigen Abständen erinnerte man sich an Lichtenbergs Sterne, und noch heute spielen sie eine kleine – freilich von seinen Problemen nun wirklich weit entfernte – Rolle: in der modernen Plasma-Physik.

Damals indes glaubte man, den Saum der letzten Naturerkenntnisse berührt zu haben. Lichtenbergs Freund, der Naturphilosoph Jean André Deluc aus Genf, Vorleser der englischen Königin, schrieb ihm enthusiastisch: "j’espère toujours que vos jolies Étoiles repandront quelque lumière dans la nuit des plus & des moins électriques" – was Lichtenberg auf Deutsch, um das "ich hoffe" am Anfang verkürzt, noch Jahre später, am 13. 7. 1783, stolz seinem Freund Wolff zitierte: "Ihre Sterne werden Dereinst noch in der Nacht der Elecktrizität leuchten." Denn es war nicht nur das prinzipielle Sichtbarmachen der Elektrizität, was Lichtenberg gelungen war: Endlich konnte man in dem wunderlichen zoologischen Garten der Elektrizitätsarten – von zwei bis drei Dutzend wurde zeitweilig ausgegangen – Ordnung bringen. Lichtenbergs Leistung bestand darin, dass er den Zwiespalt, ob positive und negative Elektrizität zwei verschiedene Materien oder aber zwei Seiten ein und derselben Substanz seien, im Sinne des amerikanischen Blitzforschers Benjamin Franklin weiterdachte: Indem Lichtenberg dessen Bezeichnungen "positiv" und "negativ" durch die mathematische Notation +E und –E präzisierte, entzog er dem Streit den Boden und entwarf die noch heute gültige Auffassung elektrischer Phänomene als Folge unterschiedlicher Ladungsverteilungen, die einander durch Ausgleich aufheben können.

Georg Christoph Lichtenberg, dessen 200. Todestag am 24. Februar 1999 im allgemeinen Trubel des Goethejahres fast gänzlich untergegangen ist, war – im Unterschied zum naturverliebten Weimarer Dichterfürsten – also wirklich Physiker. Diesen Umstand vergessen Festredner und Politiker, die Lichtenberg gelegentlich im Munde führen, allzu oft. Auch die deutsche Literaturgeschichte, die sich mit aller Berechtigung für ihn zuständig fühlt, dürfte ihn eigentlich nur halb für sich beanspruchen. 1927 erschien der bislang einzige zusammenfassende Versuch, den naturwissenschaftlichen Lichtenberg – den Mathematiker, Astronomen, Experimentalphysiker und Naturphilosophen – monografisch darzustellen. Eigentlich ist es der Physiker Lichtenberg, an den wir jeden Tag denken müssten: wenn wir etwa eine Xerokopie anfertigen oder eine Taschenlampenbatterie richtig gepolt einsetzen. Berühmt geworden ist er jedoch auf einem anderen Wege.

Ein Physiker und Schriftsteller dazu

Lichtenberg hat nämlich zu seiner modernen Bekanntheit etwas beigetragen, was eigentlich jedem Wissenschaftler, gleich welchen Fachs, immer wohl anstünde: Er machte sich systematisch Aufzeichnungen – nur freilich ein bisschen bessere und interessantere als die üblichen – und bewahrte sie auf. Vermutlich begann er schon zu Schulzeiten damit; überliefert ist uns eine über Jahrzehnte ununterbrochene Folge seit seinen Studententagen. Er schrieb seine Beobachtungen, Einfälle und Lesefrüchte erst in kleine selbst genähte Hefte im Taschenformat, dann in extra angefertigte Schreibbücher, zumeist im Format 28 ¥ 21 cm. Diese Hefte und Bücher nannte er selbstironisch "Sudelbücher" und schuf damit nachgerade ein eigenes literarisches Genre.

Gesudelt ist darin aber fast nichts. Diese säuberlich aufgezeichneten Gedanken und Formulierungen gehören zum Besten, was unsere Sprache und Literatur zu bieten hat. Obgleich uns ungefähr ein Viertel durch Unachtsamkeit verloren gegangen ist, füllt das Verbliebene, fast 8500 unzusammenhängende Notizen, rund 1500 Seiten – und ist das unerschöpflichste Buch der deutschen Literatur geworden. Aber nicht nur: Wenn Lichtenberg gegen Ende seines Lebens, als formulierte er sein wissenschaftliches Testament, bemerkte: "Meine Fragen über die Physik könnten vielleicht den Titul bekommen: Vermächtnisse. Man vermacht ja auch Kleinigkeiten" (L 166), dann wird klar, worin er einen bleibenden Wert seiner "Pfennigswahrheiten" witterte. Wenig später fügte er hinzu: "Wenn ich meine Fragen über die Physik noch herausgebe, so müssen sie bloß jungen tätigen Physikern zugeeignet werden, Gren, Herrn von Humboldt, Hildebrandt, Scherer ppp." (L 233). Das hieß doch offensichtlich: Es ist nicht – oder nicht zuerst – die wohlfeile Antwort, die der Forscher geben soll. Davor hat Gott oder die Natur die Frage gesetzt, und die gilt es zunächt einmal zu suchen – und an jeder Erklärung erst einmal bohrend zu zweifeln.

Über solche Rezepte hat auch so mancher moderne Forscher den geistigen Gesprächspartner Lichtenberg schätzen gelernt. Albert Einstein bemerkte über ihn: "Ich kenne keinen, der mit solcher Deutlichkeit das Gras wachsen hört." Einstein hat Lichtenberg wohl erst gelesen, als er seine großen Entdeckungen schon gemacht hatte. Geweckt wurde sein Lob gewiss durch Formulierungen wie diese: "Wenn das Licht trotz seiner Geschwindigkeit noch eine Schwere hat, so würde doch so etwas wie Refraktion am Horizonte erscheinen müssen, weil es von der Erde stark gezogen wird. Eigentlich wäre es Inflexion, durch die ganze Masse der Erde bewirkt." (K 362).

Tatsächlich beobachteten im Jahr 1919 zwei britische Expeditionen während einer Sonnenfinsternis auf der Südhalbkugel, dass die Masse der Sonne das Sternenlicht geringfügig beugt. Man könnte darum auf den Gedanken kommen, Lichtenberg habe diese wichtige Bestätigung der Relativitätstheorie – und damit am Ende gar sie selbst – mit dem zitierten Satz vorweggenommen. Aber das wäre des Guten zu viel: In Wahrheit hatte Lichtenberg die Korpuskulartheorie des Lichts im Sinn.

Zur zeitgenössischen Diskussion um Wellen- oder Teilchennatur des Lichts bemerkte Lichtenberg : "Es kann bei einem so verwickelten Streite, wie der über die Theorie des Lichts, wo Newton und Euler an der Spitze der Parteien stehen, nicht mehr schlechtweg die Frage sein, was ist hierin wahr? sondern, welche Erklärungsart ist die einfachste? Durch das Einfache geht der Eingang zur Wahrheit" (K 361). Lichtenberg, der nach der pragmatischen Kombination empirisch bewährter Teil-Modelle fahndete, hätte sich mit dem Welle-Teilchen-Dualismus der Quantenphysik sicherlich gut arrangieren können.

So lässt sich auch verstehen, dass der experimentelle Quantenphysiker Wolfgang Paul in seinem Nobel-Vortrag vom Dezember 1989 den Göttinger gleich zwei Mal zitiert hat: "Man muss etwas Neues machen, um etwas Neues zu sehen" und: "Mich dünkt, es ist ein trauriger Umstand bei unserer ganzen Chemie, dass wir die Bestandteile der Körper nicht frei suspendieren können". Als Paul die nach ihm benannte Ionenfalle erfand – in der tatsächlich einzelne Atome "frei suspendiert" werden können –, verfolgte er zwar kaum die von Lichtenberg hinterlassene Spur, kannte sie wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Aber er bemerkte dann 1989 zurückblickend, wie geistesverwandt die Lichtenbergsche Denkungsart seiner eigenen war, die ihn von einem Problem über eine neu gestellte Frage zur originellen Lösung geführt hatte.

Geistliche, heißt es, hinterlassen nur Kinder und Bücher. Dass sie von der Kanzel über das Weltgebäude und die Sterne predigen, wie der Pfarrer und nachmalige Superintendent (also Landesbischof) Johann Conrad Lichtenberg (1689–1751) dies tat, war im aufgeklärten 18. Jahrhundert zwar nichts Ungewöhnliches. Dass aber aus einem Pfarrhaus im kleinen Ober-Ramstadt bei Darmstadt ein bedeutender deutscher Physiker, ein Musterbeispiel an beharrlicher Gedankenkraft und Skepsis, hervorgehen würde, das hätte wohl keiner für möglich gehalten.

Bucklig seit der Kindheit

Georg Christoph war die 17. und letzte Geburt seiner Mutter Henriette Katharina (1696–1764); viele ihrer Kinder waren tot zur Welt gekommen oder starben in den ersten Tagen oder Jahren. Den Vater überlebten nur fünf, die Mutter vier. Weder die Bücher noch das bescheidene Vermögen, das der Geistliche mit Nebentätigkeiten als Architekt und Dichter zusammengetragen hatte, konnten dem Jüngsten eine sorglose Erziehung gewährleisten. Allerdings fiel der schwächliche und wohl infolge von Rachitis bereits in Kindheitstagen entsetzlich verbuckelte Knabe schon in den Oberklassen der Schule durch sein Interesse an Mathematik und Physik auf: Er gab seinen Mitschülern Unterricht. Bald stand fest, dass er diese Fächer studieren wollte, was ihm dann ein Stipendium der Landgrafen von Hessen-Darmstadt ermöglichte.

Im Mai 1763, 21-jährig und damit für seine Epoche recht spät, trug er sich eigenhändig als "Mathematum et Physices Studiosus" in die Matrikel der Göttinger Universität ein. "Der Mathematik und Physik Student": Das hieß damals weitaus mehr als heute, denn zur angewandten Mathematik zählten auch bürgerliche und militärische Baukunst, Feldmessung und Kartografie, Geodäsie im Bergbau und Astronomie, und das Fach Physik umfasste u. a. auch Chemie, Theorie der Erde und physische Geografie. Sein Stipendium hatte der Darmstädter nur unter der Auflage zugesprochen bekommen, dass er nach absolviertem Studium als akademischer Lehrer für seine Fächer und zusätzlich für englische Sprache an die Landesuniversität nach Gießen gehen würde.

Schon 1767 erhielt er den Titel, konnte aber den Antritt der ungeliebten Stelle mit Hinweis auf die Chance einer Studienreise nach England gerade noch einmal abwenden. In der Zwischenzeit nämlich hatte Lichtenberg sich wie so viele seiner Zeitgenossen als Hofmeister von Söhnen aus wohlhabenderen Häusern durchgeschlagen, jedoch glücklicher als im Regelfall: Seine Zöglinge aus dem englischen Hochadel blieben ihm lebenslang freundschaftlich verbunden. Die Einladungen nach London führten ihn ans königliche Observatorium, und Georg III. persönlich veranlasste Lichtenbergs Bestallung als Göttinger Professor – wenngleich zu dürftigen finanziellen Konditionen. Seine wichtigste Funktion sollte sein, den Kontakt zu den englischen Studenten in Göttingen zu halten und seinen dortigen Lehrer Abraham Gotthelf Kästner bei der astronomischen Arbeit am Observatorium zu entlasten.

Lichtenbergs erster großer Auftrag lautete folgerichtig, bei der kurhannoverischen Landesvermessung die Koordinaten der drei anderen Hauptorte (Hannover, Osnabrück und Stade – Göttingen hatte man schon) für die neue Landkarte astronomisch zu bestimmen. Mit Unterbrechungen verwendete er eineinhalb Jahre auf diese Aufgabe. Nach damaligen Maßstäben absolvierte er die Fleißarbeit mit größter Genauigkeit und glänzender methodischer Umsicht; bei der Breitenbestimmung bediente er sich der neuesten Methode und unterzog am Ende der Messungen die Instrumente einer eingehenden Fehleranalyse.

Die nächste Aufgabe, die Lichtenberg übernahm, lag auf ähnlichem Gebiet: 1762 war der große Astronom und Selenograph Tobias Mayer gestorben. Seinen wissenschaftlichen Nachlass hatte die Göttinger Königliche Sozietät der Wissenschaften erworben, deren Mitglied Lichtenberg seit 1774 war. Mayer hatte zu Lebzeiten wenig publiziert, und Lichtenberg machte sich an die Edition, die er mit einer Reihe von weiterführenden Anmerkungen, ja ganzen Abhandlungen versah. Der sowohl typografisch wie wissenschaftlich musterhafte erste Band fand aber 1774 kein rechtes Publikum, woran jedenfalls damals nicht das Latein oder die Unbrauchbarkeit der Untersuchungen Schuld hatten, sondern eine geänderte Interessenlage innerhalb der Wissenschaft – allzu rasch war die Zeit über Mayers Arbeiten hinweggeschritten. Weder der Verleger Dieterich noch der Herausgeber Lichtenberg hatten Lust, das in den wenigen Rezensionen zwar hoch gelobte, aber sonst folgenlose Editionswerk zu vollenden. Noch 1921 war der erste Band beim Verlag lieferbar, und erst vor dreißig Jahren ist die Ausgabe durch den britischen Wissenschaftshistoriker Eric Forbes in zwei weiteren Bänden abgeschlossen worden.

Man wird es daher nicht unverdient finden, wenn Johann Hieronymus Schroeter in Lilienthal, ein viel bedeutenderer Astronom als Lichtenberg, ihm ein Denkmal setzte und ein 220 km langes Ringgebirge auf dem Mond nach ihm benannte. Inzwischen ist Lichtenberg jedoch um diese Ehre geprellt worden: 1837 teilten die Nomenklatoren Johann Heinrich Mädler und Wilhelm Beer in einem neuen Mondkatalog den lang gezogenen Bergrücken "Lichtenberg" auf mehrere Astronomen auf; Lichtenberg bekam weiter nördlich einen im Vergleich zum alten Platz verschwindend kleinen Krater zugebilligt – er hat nur 20 km Durchmesser –, dazu aber noch zehn winzige Mondflecken in der Nachbarschaft.

Zwischen Kopf und Zahl

Indessen hatte Lichtenberg nicht bloß in der Astronomie gezeigt, was er zu leisten im Stande war. Seine gedruckte, vermutlich nie gehaltene Antrittsvorlesung, mit welcher ein Neuling sich auch damals schon der universitären Öffentlichkeit präsentierte, handelt von "Betrachtungen über einige Methoden, eine gewisse Schwierigkeit in der Berechnung der Wahrscheinlichkeit beym Spiel zu heben". Hinter dem umständlich-akademischen Titel steckt aber mehr als die artige Behandlung eines mathematischen Problems: Abgesehen von der kritischen Haltung gegenüber seinen Vorgängern – immerhin so namhaften Mathematikern wie Bernoulli oder d’Alembert – ist an Lichtenbergs Ansatz vor allem der Versuch bemerkenswert, sich dem Problem auf ganz neuen Wegen zu nähern als diese, teilweise sogar experimentell. So warf Lichtenberg selber Münzen und fand, dass zwischen Kopf und Zahl auch noch ein dritter Fall eintreten kann, denn einmal stellte sich eine Münze auf den Rand.

Lichtenbergs Interesse an der "elektrischen Materie", das schließlich zur Entdeckung der nach ihm benannten Figuren führte, hatte zunächst ganz profane Gründe – etwa den Umstand, dass er seit jeher von einer entsetzlichen Gewitterangst gequält wurde. Zog ein "Donnerwetter" auf, wurde die Vorlesung ausgesetzt, und der Naturforscher suchte in der Mitte des Zimmers Deckung. Dass der Blitz etwas Elektrisches ist, wusste man seit Benjamin Franklins Experimenten; der Tod des Physikers Richmann in Petersburg, den ein von ihm ins Zimmer geleiteter Blitz zum Märtyrer des noch jungen Forschungszweigs gemacht hatte, führte die Gefährlichkeit solchen Tuns vor aller Augen.

Lichtenberg las alles zum Thema, was er in die Hand bekommen konnte. Bereits 1782 brachte er an seinem Gartenhaus Göttingens ersten Blitzableiter an und versah ihn mit einem Richmannschen Abzweig, um im Innern die Luftelektrizität studieren zu können; 1794 perfektionierte er die Vorrichtung an einem anderen Häuschen – nun ohne Abzweig. Er musste regelmäßig Gutachten über solche Anlagen erstellen, und was er dazu sagte, nahm in Grundzügen den Faradayschen Käfig vorweg: "Wenn der Blitz das Metall erreicht, so folgt er ihm, das ist gewiß, und das gantze Problem von Blitzableitern läuft darauf hinaus, wie soll man ein Hauß gegen den Blitz armiren, so daß kein Wetterstrahl das Hauß, sondern immer die Armatur treffe? Hierzu sehe ich nun keinen andern Ausweg, als den, die Häußer unter Käfige zu setzen, mit einer Spitze. Ein solcher Pavillion in einem Garten z.[um] E.[xempel] müste herrlich aussehen. Freylich müste der Käfig nach Proportion größer seyn ... Das Eisen könte allerley Verzierungen enthalten, z. E. Einen Jupiter, dem ein Professor der Physic den Blitz auspisset. Auch könte man an das Eisen Werck Reben, Bohnen, Geißblatt und Hopfen pflantzen. Ueberhaupt aber [könnte] ein solcher Käfig, in dem die Götter der Erde sich verkriechen müssen, wenn der Gott des Himmels zu donnern anfängt, Raum zu allerley Witz geben" (an Hollenberg, 18. 2. 1788). Mit Entschiedenheit verwarf Lichtenberg die von Reimarus, Deutschlands führendem Blitzableitertheoretiker, vertretene Annahme, es genüge, den Ableiter an der Erdoberfläche enden zu lassen; Lichtenberg wollte ihn bis zur nächsten Wasserader fortführen.

Lichtenbergs Forschen und Nachdenken über Elektrizität wurde dadurch intensiviert, dass sein Studienfreund und Kollege Christoph Polykarp Erxleben überraschend verstarb. Von ihm erbte er das Kolleg über Experimentalphysik und das von Erxleben verfasste Lehrbuch. Nach dem Erfolg, den Lichtenberg mit der Entdeckung seiner Staubfiguren auch in Göttingen hatte, überließ ihm sein Lehrer Abraham Gotthelf Kästner nunmehr die Hauptvorlesung zu diesem Thema, nicht ohne ihm jedoch noch ein paar Ermahnungen zum Thema Mathematik in der Physik mit auf den Weg zu geben.

Zwanzig Jahre lang, von 1778 bis wenige Tage vor seinem Tod, hat Lichtenberg Physikvorlesungen gehalten und fleißig Experimente vorgeführt. Von seinem Hörer Gottlieb Gamauf, der später fünf Bände "Erinnerungen aus Lichtenbergs Vorlesungen" publizierte, wissen wir es ganz genau: "Schon im Jahre 1781 zählte Jemand 600 Versuche [pro Semester] ... Seit jener Zeit haben sie sich noch vermehrt." Ein großes Spektakel war das, und so wundert man sich nicht, dass in manchen Semestern bis zu 120 Studenten in diesem Kolleg saßen; Gebühren entrichteten allerdings nur durchschnittlich 60.

Lichtenberg schaffte auf eigene Kosten einen Apparat für seine Demonstrationsversuche an. Indem er das Gerät später der Universität verkaufte, etablierte er sein Fach überhaupt erst als Institution an der "Königin der Universitäten", der Göttinger "Georgia Augusta". Dort sieht man daher in ihm noch heute den Begründer des I. Physikalischen Instituts und der mittlerweile legendären Göttinger Schule der Experimentalphysik. Zwar war Lichtenberg gewiss nicht der erste Experimentalphysiker in Deutschland; aber er begründete die Disziplin als Unterrichtsfach.

Vor ihm war das Experiment allenfalls schmückendes Beiwerk gewesen, wohl auch Eigenwerbung wie bei Guerickes berühmten Halbkugeln oder "Kassenmagneten", denn auch Professoren wurden damals keineswegs pauschal entlohnt. Bei Lichtenberg aber wurde das Experiment integraler Bestandteil eines spezifisch naturwissenschaftlichen Denkens, eines forschenden Lernens. Urgrund dieses Denkens ist der Zweifel, seine grammatische Signatur der Modus des Konjunktivs. Deswegen hat man den Antisystematiker Lichtenberg in älteren Darstellungen gern als großen Skeptiker bezeichnet, ja sogar als Skeptizisten, als Anhänger einer diesbezüglichen philosophischen Schule oder Richtung. Wenigstens das Letztere ist jedoch sicher zu weit gegriffen.

Aber Lichtenbergs sokratische Methode des beharrlichen Zweifelns – nicht nur in seinem Kolleg vor mehr als 200 Jahren, sondern vor allem auch in den Sudelbüchern – war tatsächlich durch abwägendes Fragen, experimentierendes Denken, sparsames Aufstellen neuer Hypothesen charakterisiert. Der Zweifel bedeutete ihm ein wichtiges "heuristisches Hebzeug": "Zweifele", notierte er im Sudelbuch, "an allem wenigstens Einmal, und wäre es auch der Satz: zweimal 2 ist 4" (K 303). "Könnte auch dieses nicht falsch sein?", ließ er sein "großes Genie" sich ähnlich fragen (C 194) – "Selbst unsere häufigen Irrtümer haben den Nutzen, dass sie uns am Ende gewöhnen zu glauben, alles könne anders sein" (J 942).

Ein anderes "heuristisches Hebzeug" war für Lichtenberg sein kindliches Anstaunen der Natur, die ihn zeitlebens in ihren Bann schlug, immer wieder verblüffte und auf neue Gedanken brachte: ob er nun eine Uhrfeder aus Stahl in reinem Sauerstoff verbrannte – der optische Effekt dabei interessierte ihn nebenbei auch – oder mit einer Messerklinge zusammenschmelzen ließ und so gewissermaßen das Elektroschweißen entwickelte; oder ob er knapp vor den Franzosen "aerostatische Maschinen", Gasballons also, erfand – freilich nur im Kleinen, als Seifenblasen, Schweinsblasen und Amnia (Gebärmütter) von Kühen.


Phantasie und Experiment

Sprachlichen Ausdruck fand Lichtenbergs Forscherwille in der Bildlichkeit, in der Metapher, mit der er Unbelebtes beseelte und die erstaunlichsten Gedankenverbindungen herstellte; so näherte er das noch Unbegriffene dem eigenen Verstand – und dem seiner Studenten und Briefpartner – an, ohne jedoch die Grenzen der Begreifbarkeit zu verwischen.

Später sollte er sich in seinem Lehrbuch ausdrücklich gegen die Ungenauigkeit der Metapher bei der Begriffsbildung verwahren: Der phantasiebegabten, ja poetischen Vergegenwärtigung und Versinnlichung habe unverzüglich das Experiment als Kontrollinstanz zu folgen. Auch hier verfolgte Lichtenberg ein höchst modernes Rezept, das er bereits in einer seiner ältesten Notizen – deren ironischer Unterton übrigens das Verfahren gleich wieder ein wenig in Zweifel zog – so formuliert hatte: "Der große Kunstgriff kleine Abweichungen von der Wahrheit für die Wahrheit selbst zu halten, worauf die ganze Differential-Rechnung gebaut ist, ist auch zugleich der Grund unsrer witzigen Gedanken, wo oft das Ganze hinfallen würde, wenn wir die Abweichungen in einer philosophischen Strenge nehmen würden" (A 1). So hat er dann wirklich – in Gedanken und am Labortisch – experimentiert: Anhand einer kontrollierten Veränderung wollte er im Kleinen beobachten, was sich entsprechend im Großen und Ganzen verändern würde.

Umgekehrt aber wollte er nie das große Ganze aus dem Blick verlieren, wünschte sich ein Verkleinerungsglas, um das ganze Panorama der Natur von weitem zu betrachten, und suchte nach einem leitenden Prinzip in allen Dingen, "ein paradigma ... wornach man dieses deklinieren kann" (J 1362). Oder, wie es in einer ungedruckten Notiz aus den Kolleg-Papieren heißt: "Nun geben Sie acht[:] mit einem elenden Stückchen Bernstein[,] das kleine Stäubchen anzieht und abstößt[,] fangen wir an, und mit Donnerwettern, die den Menschen offt in einem Augenblick tödten, Städte anzünden und gantze Saaten verwüsten[,] hören wir auf."

Das skeptische Verfahren ging bei Lichtenberg so weit, dass er auch jeden Angriff auf das bis dato Gültige wiederum zu hinterfragen suchte. So kam es, dass der Physiker Lichtenberg fast ein Jahrzehnt brauchte, bis er sich allmählich zu den Einsichten des großen Chemikers Antoine Laurent Lavoisier (1743– 1794) durchrang. Bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte nämlich eine vom Chemiker Georg E. Stahl zwischen 1697 und 1720 erdachte und propagierte Theorie die Vorstellung von der Verbrennung und vom Feuer bestimmt: Ein Stoff namens Phlogiston (das Entzündliche) entweiche beim Verbrennen aus den Körpern (Lavoisier – Die Revolution in der Chemie, Spektrum der Wissenschaft, Biografie 3/1999).

Das ganze Jahrhundert hindurch wurde diese Theorie – insbesondere von englischen Chemikern, auf deren Seite Lichtenbergs Sympathie natürlich lag – immer weiter modifiziert, bis dann Lavoisier in Paris den kleinen, aber entscheidenden Schritt tat. Er demonstrierte mit der exakt wiegenden Messung an der "Verkalkung des Mercurius" – der Quecksilber-Oxidation, bei der sich die Verbrennung leicht wieder umkehren lässt –, dass Oxidation und Reduktion einander gegenläufige Prozesse sind und keine Stoffe spurlos verschwinden. Die Einsicht, dass alle Verbrennung Aufnahme von Sauerstoff ist, wollte Lichtenberg nicht ungeprüft glauben – zumal sie mit großem Aplomb vom revolutionären Frankreich aus propagiert wurde. Doch am Ende musste der Experimentator hinnehmen, wogegen der anglophile Traditionalist sich lange gesträubt hatte.

Niemand hätte mit mehr Recht Lichtenbergs Unterricht würdigen können als der junge und später viel berühmtere Naturforscher Alexander von Humboldt, der ein Semester zu seinen Füßen gesessen war. Humboldt schrieb ihm am 3. Oktober 1790 nebst Genesungswünschen seinen Dank für den genossenen Unterricht, den er so charakterisierte: "Ich achte nicht bloß auf die Summe positiver Kenntnisse, die ich Ihrem Vortrage entlehnte – mehr aber auf die allgemeine Richtung, die mein Ideengang unter Ihrer Leitung nahm. Wahrheit an sich ist kostbar, kostbarer aber noch die Fertigkeit, sie zu finden." Lichtenberg, der Lehrer, verkörperte wie kaum jemand sonst die sokratische Methode – jedoch nicht aus einem lehrhaften oder gar missionarischen Impetus, sondern aus einem besonderen Prinzip der Naturauffassung, das uns Heutige ganz modern anmutet.

Es ist eine alte Gewohnheit, die großen Leistungen der Vorfahren herauszustellen und sich in Demut vor den eigenen zu üben. Gewiss wäre es übertrieben, Lichtenberg als Vorläufer für alle möglichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts zu reklamieren. Er hat nicht den Xerokopierer entwickelt, nicht den Faradayschen Käfig, nicht die Relativitätstheorie oder den quantenmechanischen Welle-Teilchen-Dualismus. Aber immer wieder ist er "dicht an etwas Großem herumgetappt", wie er 1778 in einem Brief schrieb. Und er hat auf diesen "planlosen Streifzügen" genug "Wild aufgescheucht", um zu vermitteln, was nie veraltet: die Kunst, Entdeckungen zu machen, alte Wahrheiten zu bezweifeln und die Welt nicht als unveränderlich oder sattsam bekannt hinzunehmen.

Literaturhinweise


Georg Christoph Lichtenberg 1742–1799 – Wagnis der Aufklärung. Katalog der Landesausstellung Darmstadt und Göttingen. Von Ulrich Joost u. a. (Hg.). Hanser 1992.

Mit wenigen Worten viel sagen. Von Peter Brix und Ulrich Joost in: Physikalische Blätter, Bd. 48, S. 437– 439 (1992).

Elektromagnetische Käfige für geladene und neutrale Teilchen. Nobelpreis-Vortrag von Wolfgang Paul in: Physikalische Blätter, Bd. 46, S. 227 (1990).

Georg Christoph Lichtenberg: Briefwechsel. Von Ulrich Joost und Albrecht Schöne (Hg.). Beck, München, 1983 ff.

Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Von Wolfgang Promies (Hg.). Hanser, München, 1967 ff.

History of Electrostatic Recording. Von Chester F. Carlson in: Xerography and related processes. Von John H. Dessauer und Harold E. Clark (Hg.). Focal Press, London, New York, 1965.

Georg Christoph Lichtenberg und die exakten Wissenschaften. Materialien zu seiner Biographie. Von Paul Hahn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1927.




Steckbrief

Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) lehrte Mathematik, Astronomie und Naturgeschichte an der Universität Göttingen. In dem von ihm herausgegeben "Göttinger Taschen Calender" publizierte er populärwissenschaftliche, satirische und kunstkritische Aufsätze.

Lichtenbergsche Figuren sind fraktale Staubfiguren auf einer Platte aus Isolierstoff – seinerzeit Harz, heute zumeist Kunststoff –, längs deren Oberfläche eine elektrische Gleitentladung stattgefunden hat.




Lichtenbergs naturwissenschaftlicher Nachlass


Fast 200 Jahre hat es gedauert, bis die Göttinger Akademie der Wissenschaften endlich begann, den naturwissenschaftlichen Nachlass von Georg Christoph Lichtenberg für eine Edition vorbereiten zu lassen. Dazu wurde in Göttingen eine Arbeitsstelle eingerichtet, nachdem schon zehn Jahre zuvor die Technische Universität Darmstadt eine Forschungsstelle zur Dokumentation und Edition von Leben und Werk ihres großen Landeskindes ins Leben gerufen hatte. Die beiden Institutionen kamen überein, dass die Darmstädter im Wesentlichen die bereits gedruckten Werke – die aber zum Teil seit 150 Jahren nicht mehr aufgelegt waren – übernehmen und sie nur mit den Parerga und Paralipomena, den Nebenarbeiten und dem Weggelassenen, zu ergänzen hätten.

Wie viel der naturwissenschaftliche Nachlass, der in Göttingen zur Edition vorbereitet wird, noch an ganz Unbekanntem enthält, muss sich erst noch zeigen: Von den mehreren tausend Manuskriptseiten für die Vorlesung, den Zetteln und Notizheften ist vieles bloßes Exzerpt; mancher Gedanke, manche Vorlesungsstunde werden immer wieder rekapituliert, bis die Formulierung dem Schreiber Genüge tut – oder, um seine eigene Metapher zu gebrauchen, bis "der Ausdruck dem Gedanken sitzt wie angegossen" (E 204).

Eine vollständige Publikation wird man höchstens elektronisch in Betracht ziehen, aber eine umfangreiche Auswahl soll in einigen Jahren auch im Druck verfügbar sein.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2000, Seite 80
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