Direkt zum Inhalt

Interview: »Plutonium ist nicht das Hauptproblem«

Kann Transmutation helfen, ein Endlager für künftige Generationen sicherer zu machen? Ein Gespräch mit Dirk Bosbach, Sprecher des Helmholtz-Forschungsprogramms NUSAFE zur Sicherheit der nuklearen Entsorgung und Reaktorsicherheit.
Kernkraft

Herr Bosbach, mit Hilfe der so genannten Transmutation ließen sich radioaktive Elemente, die hunderttausende Jahre lang strahlen, in Stoffe mit viel kürzerer Halbwertszeit "verwandeln". Das klingt traumhaft. Was kann die Technologie tatsächlich leisten?

Ja, das hört sich viel versprechend an. In dem Zusammenhang heißt es oft, dass man mit der Technologie ein Endlager für radioaktive Abfälle vermeiden könnte. So einfach ist es aber nicht.

Bei der Kernspaltung entstehen aus Uran neue Elemente, die Spaltprodukte. Daneben bilden sich Elemente, die schwerer sind als Uran: Neptunium, Plutonium, Americium und Curium, die so genannten Transurane. Diese kann man in der Tat sehr gut transmutieren, das heißt, nach ihrer Abtrennung vom restlichen Abfall durch die Bestrahlung mit Neutronen in kurzlebige oder sogar stabile Elemente umwandeln. Es gibt aber trotzdem noch fünf bis sechs sehr langlebige Spaltprodukte, bei denen das nicht möglich ist. Dazu gehören Cäsium-135, Iod-129 und Selen-79. Man könnte das Endlager also gar nicht vollständig vermeiden.

Außerdem haben wir in Deutschland in der Vergangenheit einen Teil der bestrahlten Brennelemente im Ausland wiederaufarbeiten lassen. Nach Abtrennung von Uran und Plutonium wurden die hoch radioaktiven Abfälle in Gläser konditioniert, also quasi eingeschmolzen, und mit den berühmten Castor-Transporten zu uns zurückgebracht. Die Gläser kann man eigentlich nicht noch einmal anfassen, es sei denn, unter enormem Aufwand. Ihr Anteil am gesamten Atommüll liegt bei rund zehn Prozent, und man müsste sie auf jeden Fall ebenfalls endlagern.

Könnte man ein Endlager zumindest kleiner bauen?

Ja. Angenommen, man würde Uran und Plutonium aus den bestrahlten Brennelementen abtrennen, dann wäre das Volumen an hoch radioaktivem Abfall geringer. Doch die Sicherheitsanalysen zu Endlagerkonzepten weltweit zeigen,dass es keinen wesentlichen Sicherheitsvorteil bringt, wenn das Endlager kleiner ist. Es lohnt sich nicht, diesen Parameter zu optimieren.

Dazu kommt, dass die einfach zu transmutierenden Radionuklide wie Uran und die Transurane gar nicht das Problem sind. Falls Grundwasser in einer fernen Zukunft Zugang zu den Abfällen bekommen sollte, ist die Frage wichtig, wie gut sich die Radionuklide darin lösen. Und unter Endlagerbedingungen nimmt ein Liter Wasser weniger als 10-8 mol von Elementen wie Uran und Plutonium auf – sie sind also extrem unlöslich. Ausgerechnet einige der langlebigen Spaltprodukte, die ich eingangs erwähnt habe, haben hingegen eine vergleichsweise hohe Löslichkeit und werden von den Komponenten in einem Endlager, etwa dem Wirtsgestein, nur schlecht zurückgehalten. In allen Sicherheitsanalysen, die ich kenne, sind einige der langlebigen Spaltprodukte die Problemnuklide. Plutonium ist dagegen nicht das Hauptproblem.

Wir brauchen also keine Transmutation?

Doch, ich unterstütze das! …

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Das gestohlene Mädchen

Ein friedliches Familientreffen im August 1970 in der Salischen See, das für das Orcamädchen Toki und 74 weitere Schwertwale in einer Tragödie endete. Begleiten Sie ihr Schicksal in der aktuellen Ausgabe der »Woche«. Außerdem: wieso der Aufbau von Atomkernen vielleicht neu gedacht werden muss.

Spektrum der Wissenschaft – Das Universum im Labor

Der Artikel »Das Universum im Labor« erklärt, wie Atomwolken den Kosmos nach dem Urknall simulieren. Daneben: Pilzinfektionen, Ökologie: Extremereignisse in den Ozeanen, Kohlendioxid: Ein Endlager für das Treibhausgas?

Spektrum - Die Woche – Muskeln halten das Herz-Kreislauf-System fit – sogar im Schlaf

Es ist Januar und die Fitnessstudios sind so voll wie nie. Klar, Sport tut gut – vor allem unserem Herzen. Doch wie und was sollte man trainieren? Außerdem in dieser Ausgabe: Wie Atommüll die Erforschung des Mondes befeuern kann. Und: Was ist dran an der Theorie der Achsenzeit?

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.