Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Paläoanthropologie: Unser exotischer Vetter Paranthropus

Eine Million Jahre lang lebten unseren Vorfahren in Afrika Seite an Seite mit einem nahen Verwandten. Dieser »Nussknackermensch« erscheint so abson­derlich, dass sich Wissenschaftler bis heute den Kopf über seine seltsamen Eigenschaften zerbrechen.
Paranthropus boisei Modell

Verbergen sich in Ihrer Familiengeschichte ungewöhnliche Gestalten – vielleicht so etwas wie ein Zirkus­artist, ein Schatzsucher oder gar ein Pirat? Übertragen auf die kollektive Evolutionsgeschichte des Homo sapiens lautet die Antwort eindeutig: »Ja!« Wir Jetztmenschen hatten einen wahrlich exotischen Verwandten: Paranthropus boisei vereinigte in sich aufrechten Gang mit geringer Körpergröße, sein Gehirn war nur ein Drittel so groß wie unseres, und sein Gebiss zeichnete sich durch außerordentlich mächtige Backenzähne aus. Die ersten fossilen Belege für diese Spezies sind rund 2,3 Millionen Jahre alt und stammen damit aus der gleichen Zeit wie die frühesten Steinwerkzeuge. Und vor 1,3 Millionen Jahren, kurz vor den ersten Anzeichen für die Beherrschung des Feuers, verschwand die Vormenschenart wieder.

Bei den ostafrikanischen Fundstätten von P. boisei tauchten ebenfalls Fossilien von anderen Homininen auf, darunter von frühen Stadien unserer eigenen Gattung Homo – die Vorfahren des anatomisch modernen Menschen teilten demnach mehr als eine Million Jahre lang die urzeitliche Umwelt mit Paranthropus. Diese ausgedehnte Phase der Koexistenz bietet Paläoanthropologen eine besondere Chance: Auf Grund der gesammelten Erkenntnisse über die Lebensweise von P. boisei können wir mög­licherweise auch besser nachvollziehen, welchen ökologischen Bedingungen und welchem Selektionsdruck unsere direkten Ahnen ausgesetzt waren.

Die ersten fossilen Belege für P. boisei stammen aus der Olduvai-Schlucht im Norden des heutigen Tansanias …

Kennen Sie schon …

Spektrum Gesundheit – Neuroplastizität – Wie unser Gehirn lernt und heilt

Warum unser Gehirn sich immer wieder neu verdrahtet und ob man mit Neuroathletik die Sinne schärfen kann, lesen Sie ab sofort in »Spektrum Gesundheit«. Plus: gesunde Füße, chronische Schmerzen und Wechseljahre.

Spektrum - Die Woche – Wie der Wohnort uns prägt

Unterscheiden sich die Einwohner verschiedener Regionen und Landschaftsräume systematisch in ihrem Charakter? Und wenn ja, wie kommt das? Solchen Fragen gehen wir in dieser Ausgabe mit Hilfe geografischer Psychologen nach. Außerdem: Der Ausbau des Stromnetzes ist komplizierter als gedacht.

Spektrum - Die Woche – Es grünt nicht mehr in Spanien

Der Kampf ums Wasser ist auf der Iberischen Halbinsel längst entbrannt: Tourismus, Landwirtschaft und Natur konkurrieren immer stärker um das kostbare Nass. Außerdem beleuchten wir in dieser Ausgabe die Vor- und Nachteile von Milchpulver und berichten über die Psyche-Mission.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Arambourg, C., Coppens, Y.: Découverte d'un Australopithécien nouveau dans les gisements de l'Omo (Ethiopia). South African Journal of Science 64, 1968

DeSantis, L. R. G. et al.: Clarifying relationships between cranial form and function in tapirs, with implications for the dietary ecology of early hominins. Scientific Reports 10, 2020

Domínguez-Rodrigo, M. et al.: First partial skeleton of a 1.34-million-year-old Paranthropus boisei from Bed II, Olduvai Gorge, Tanzania. PLoS One 8, 2013

Green D. J. et al.: Scapular anatomy of Paranthropus boisei from Ileret, Kenya. Journal of Human Evolution, 125, 2018

Kim, Y.-J. et al.: A novel de novo mutation in LAMB3 causes localized hypoplastic enamel in the molar region. European Journal of Oral Sciences 124, 2016

Leakey, L. S. B.: Recent discoveries at Olduvai Gorge, Tanganyika. Nature 181, 1958

Leakey, L. S. B.: A new fossil skull from Olduvai. Nature 184, 1959

Leakey, L. S. B. et al.: A new species of the genus Homo from Olduvai Gorge. Nature 202, 1964

Tobias, P. V.: The cranium and maxillary dentition of Australopithecus (Zinjanthropus) boisei. In: Leakey, L. S. B.: Olduvai Gorge, Volume 2. Cambridge University Press, 1967

Towle, I., Irish, J. D.: A probable genetic origin for pitting enamel hypoplasia on the molars of Paranthropus robustus. Journal of Human Evolution 129, 2019

Walker, A. et al.: 2.5-Myr Australopithecus boisei from west of Lake Turkana, Kenya. Nature 322, 1986

Wood, B. A.: Koobi Fora research project. Vol. 4: Hominid cranial remains. Oxford University Press, 1991

Wood, B.: Human evolution. A very short introduction. Oxford University Press, 2019

Wood, B., Constantino, P.: Paranthropus boisei: Fifty years of evidence and analysis. American Journal of Physical Anthropology 134, 2007

Wood, B. A., Patterson, D. B.: Paranthropus through the looking glass. PNAS 117, 2020

Wynn, J. G. et al.: Isotopic evidence for the timing of the dietary shift toward C4 foods in eastern African Paranthropus. PNAS 117, 2020

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.