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Vor fünfzig und vor hundert Jahren


1944

Über das Verhalten von Tieren bei Luftangriffen macht Leo Schreiner auf Grund von Angaben, die aus dem Zoologischen Garten in Berlin stammen, nähere Angaben. Die schreckhaftesten und scheuesten Tiere, die Antilopen und Hirscharten, hielten während der Luftangriffe merkwürdigerweise vollständige Ruhe. Auf die Raubtiere machte das Feuer der Flak überhaupt keinen Eindruck, ebenso wenig auf die Elefanten. Die Alligatoren und Krokodile benahmen sich dagegen sehr aufgeregt, Seehunde und Seelöwen stürzten ins Wasser und schwammen darin umher. Gebirgstiere, wie Steinböcke, Mähnenschafe usw. flüchteten erschreckt auf die höchsten Gipfel ihres Geheges. Die größte Angst bei Fliegerangriffen zeigten die Affen. Sie gebärdeten sich wie toll und erhoben ein gewaltiges Geschrei. Sehr beruhigend wirkte auf die Tiere immer die Anwesenheit ihrer Wärter. Die Tiere werden bei Alarm immer in ihre Tierhäuser gebracht, wo sie sich sichtbar wohler fühlen als in ihren Freigehegen. (Die Umschau, Jg. 48, Heft 9, Seite 160)

Körperliches Sehen bei der Röntgendurchleuchtung. Das übliche Verfahren läßt sich an lebenden Gegenständen nicht anwenden, weil sie sich zwischen den zwei Aufnahmen für das rechte und das linke Auge bewegen. Alle Schwierigkeiten lassen sich beseitigen, wenn man zwei Röntgenstrahlenquellen im Wechseltakt aufleuchten läßt und synchron dazu abwechselnd beide Augen abdeckt. Nach einem Vorschlag von H. Wiegelmann stellt man etwa in Augenabstand von der einen Röntgenröhre eine zweite auf, die beide im Gegentakt an das Wechselstromnetz geschaltet sind und so wechselweise 50mal in der Sekunde in der einen bzw. der anderen Halbwelle des Wechselstromes aufleuchten. Das 100mal in der Sekunde wechselnde Durchleuchtungsbild auf dem Leuchtschirm betrachtet man mit einer von Wiegelmann konstruierten Schwingblendenbrille, die elektromagnetisch synchron mit dem Wechselstromnetz und damit den Röntgenlichtblitzen abwechselnd das linke und das rechte Auge abdeckt. Man erblickt also das räumliche Bild des durchstrahlten Körpers in natürlicher Größe auch in der Bewegung, das Gewicht der Schwingblendenbrille von 40 g ist so gering, daß es nicht stört. (VDI-Zeitschrift, Bd. 88, Nr. 35/36, Seite 494, 2. Sept. 1944)

Genußfähiges Seewasser? Das genußfähiges Seewasser manchem Schiffbrüchigen das Leben retten könnte, ist offensichtlich. Wie berichtet, soll Dr. Alexander Goetz aus Pasadena, Cal., eine einfache Methode erfunden haben, die Seewasser trinkfähig machen soll. Nach seiner Auffassung machen das im Seewasser enthaltene Natrium-Chlorid und Magnesium-Chlorid das Seewasser für den Menschen ungenießbar. Andere Salze sind wegen ihres geringen Anteils unschädlich. Um die beiden unerwünschten Salze zu entfernen, fügt Dr. Goetz Silber-Oxyd als Reagenzmittel hinzu, so daß ein unlösliches Silber-Chlorid sich als weißes Pulver ausscheidet. Magnesium wird zu dem unlöslichen Magnesium-Hydroxyd, während das lösliche Natrium-Hydroxyd, das dem menschlichen Körper unzuträglich ist, im Wasser zurückbleibt. Durch einfaches Hinzufügen einer schwachen organischen Säure, z. B. Weinsteinsäure oder Zitronensäure, entsteht eine giftfreie Verbindung mit dem Natrium-Hydroxyd, und das Wasser soll durch diese beiden einfachen Vorgänge genießbar werden. (Die Umschau, Jg. 48, Heft 9, Seite 152)

1894

Das Ereigniss der diesjährigen Versammlung der britischen Gesellschaft war die Ankündigung des Physikers Lord Rayleigh, des Nachfolgers Tyndall's, dass es ihm und dem Professor Ramsay gelungen sei, ein neues Gas in der atmosphärischen Luft, ausser den bekannten Bestandtheilen nachzuweisen. Lord Rayleigh hatte eine Reihe Versuche vorgenommen, um die Dichtigkeit der Gase festzustellen, als er bemerkte, dass der der Atmosphäre entnommene Stickstoff schwerer sei, als der aus anderen Quellen stammende. Soweit gelangt, kam ihm Ramsay zur Hilfe. Die nächstliegende Annahme war natürlich die, dass der Stickstoff, mit dem Rayleigh experimentirt hatte, nicht rein war. Es dauerte aber nicht lange, bis Ramsay fand, dass es in der Atmosphäre ausser Stickstoff ein noch bisher nicht bekanntess, noch indifferenteres Gas gäbe. Lässt man elektrische Funken durch eine mit atmosphärischer Luft gefüllte Flasche schlagen, die entstehenden Dämpfe von salpetriger Säure von Pottasche aufnehmen und den Sauerstoff von pyrogallussaurem Alkali, so bleibt noch ein Rest, der weder Sauerstoff noch Stickstoff ist, wie das Spectrum beweist. Dasselbe Gas kann man auch erhalten, wenn man in den Stickstoff der Luft Magnesium bringt. Während das Magnesium allmählich den Stickstoff aufnimmt, erreicht der Rest die Dichtigkeit von fast 20. Das neu entdeckte Gas bildet 1 Prozent der Atmosphäre. Im Spectrum hat es eine einzige blaue Linie, die intensiver ist, als die des Stickstoffes. (Uhland's Technische Rundschau, VIII. Jg., Nr. 36, Seite 288, 6. September 1894)

Unser messendes und wägendes Jahrhundert. Man hat unsere Zeit die Culturperiode des Dampfes, das Zeitalter der Locomotive, die Epoche der Elektricität genannt. Keine dieser Bezeichnungen geht den Dingen auf den Grund. Wir leben im Zeitalter des Meters, des Kilogramms, der Calorie, des Voltampère; das sind die Zeichen, die strahlend am Himmel der Wissenschaft und Technik des 19. Jahrhunderts stehen mit der stolzen Unterschrift: "In hoc signo vinces!" Wer das nicht einsehen will, wer heute noch glaubt, wissenschaftlich arbeiten zu können, ohne zu messen und zu wägen, der ist kein Kind des 19. Jahrhunderts, sondern befangen im Wahne einer vergangenen Culturperiode; nach dem Gesetze des Ueberlebens des Geeigneteren, dessen Erkenntniss wir auch dem Abwägen des Einflusses der Lebewesen auf einander verdanken, muss er zu Grunde gehen und fossilisiren. Denn es wird eine Zeit kommen, wo auch die schöpferische Leistung des menschlichen Geistes mit scharfem Maasse und Gewicht gemessen werden wird. (Prometheus, V. Jg., Nr. 235, Sei-te 430)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1994, Seite 123
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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