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News: Abkürzung

Wer als Zooplankter das im Süßwasser gelöste organische Material als Energiequelle anzapfen möchte, der muss den Umweg über Bakterien nehmen und diese verspeisen - so die gängige Lehrbuchmeinung. Doch vielleicht gibt es eine Abkürzung zu dieser mikrobiellen Schleife - die auch die Entstehung des Lebens im neuen Licht erscheinen lässt.
Mikropartikel
Die Großen fressen die Kleinen – auf diesen einfachen Nenner lassen sich viele ökologische Nahrungsketten zusammenfassen. Auch das Zooplankton des Süßwassers, hauptsächlich winzige Krebse und tierische Einzeller, ernährt sich von den noch kleineren Algen des Phytoplanktons – und wird wiederum von kleinen Fischen verspeist, die letztendlich im Bauch der großen Raubfische landen können.

Doch im Wasser gibt es noch mehr Nahrungsquellen, und zwar in Form von gelöstem organischem Material. Diese Quelle scheint für tierisches Plankton verschlossen, für Bakterien stellen herrenlos umherschwimmende organische Moleküle jedoch ein gefundenes Fressen dar, auf das sie sich gerne stürzen. Und hier liegt die Chance für das Zooplankton: Indem sie die Bakterien verspeisen, können sie ebenfalls – wenn auch über einen Umweg – von den energiereichen Verbindungen zehren. Diese indirekte Nutzung fand als "mikrobielle Schleife" oder microbial loop ihren Weg in die Lehrbücher der Ökologie.

Geht es wirklich nur über diesen Umweg? Martin Kerner von der Universität Hamburg suchte zusammen mit Alejandro Spitzy, Heinrich Hohenberg und weiteren Kollegen aus Hamburg und Kiel eine Abkürzung und analysierte das gelöste organische Material in Wasserproben aus der Elbe.

Dabei machten die Forscher eine erstaunliche Entdeckung: Etwa ein Viertel des organischen Materials lag nicht frei gelöst vor, sondern bildete wohl geordnete Strukturen. Da die Forscher ihre Wasserproben vorher steril filtriert hatten, waren Bakterien an dieser Mikropartikelbildung nicht beteiligt; die Zusammenlagerung musste spontan erfolgt sein. Damit stände dem Zooplankton eine weitere Quelle für gelöstes organisches Material offen, ohne Umweg über Bakterien – und ein paar Ökologielehrbücher müssten umgeschrieben werden.

In Gestalt, Größe und chemischer Zusammensetzung ähnelten die im Durchmesser zwischen 0,4 und 0,8 Mikrometer großen Partikel jedoch verblüffend Bakterien und Zellorganellen. Das lässt die Forscher noch weiter spekulieren: Die Mikropartikel könnten einen Reaktionsraum bilden, in dem biochemische Prozesse katalysiert werden. Die organischen Moleküle hätten dann eine Vorstufe des Lebens erreicht, so wie es sich vermutlich vor vier Milliarden Jahren im Ur-Ozean abgespielt hat. Und vielleicht bestand die "Ursuppe" sogar aus Süßwasser.

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