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News: Antiker Siphon

Der Bau von römischen Aquädukten war nicht nur eine schweißtreibende Sklavenarbeit, sondern erforderte auch von den Architekten technisches Fachwissen und Präzision. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die kilometerlangen, monumentalen Wasserleitungen am Ende nicht funktioniert hätten.
Wasser war für die Römer nicht nur lebenswichtig, sondern bedeutete auch Luxus und Lebenslust: Schon früh errichteten römische Baumeister umfangreiche Kanalnetze, um ihre Badeanlagen, Paläste und Städte zu versorgen – so auch in Aspendos, südlich von Antalya in der Türkei gelegen.

Bereits im Altertum war Aspendos ein Wirtschaftszentrum, das verkehrsgünstig an wichtigen Handelswegen lag, die eine Verbindung zwischen dem Mittelmeer und dem asiatischen Raum herstellten. Parallel zur Entwicklung der Stadt stieg auch die Einwohnerzahl und der Wasserbedarf an, doch leider reichten die Ressourcen bereits 300 vor Christus nicht mehr aus, um alle Haushalte zu versorgen. Doch woher nehmen, wenn die Brunnen nichts mehr hergeben? Nun war das technische Know-how der römischen Baumeister gefragt, und so kam es, dass der Bau eines gigantisches Aquäduktes in Angriff genommen wurde. Dabei sollte Wasser aus den Bergen jenseits des Tales nach Asperandos geleitet werden.

Also bauten die Römer im Norden ein Sammelbecken, das topographisch höher lag als die Stadt. Von dort ließen sie das Wasser talwärts ab und führten es über eine Strecke von fast zwei Kilometern im Gefälle dem Ziel zu. Die römische Pipeline verlief oberhalb einer Bogenbrücke, deren Gerüst sich schätzungsweise aus 3200 Steinblöcken zusammensetzte – eine grandiose Leistung, wenn man bedenkt, dass jeder Stein zehn Kubikmeter maß und von Hand hergestellt wurde. Bei der Konstruktion des Aquädukts mussten die römischen Bauingenieure akribisch darauf achten, dass auf der gesamten Strecke ein absteigender hydraulischer Gradient herrschte, denn nur so konnte das Wasser über weite Strecken im Fluss gehalten werden.

Der Verlauf der Wasserleitung war jedoch anders als die sonst üblichen Konstruktionen der Römer: Zuerst führte der Kanal im nördlichen Streckenabschnitt steil nach unten, dann ging es über weite Strecken fast horizontal weiter, bis plötzlich ein Turm auftauchte, der die Pipeline wieder nach oben auf eine Höhe von 38 Metern führte. Was sollte diese Wildwasserfahrt?

Abenteuerlich ging es weiter: Wieder stürzte der Kanal vom Turm fast senkrecht in die Tiefe, blieb über 900 Meter in der Ebene und stieg dann ein weiteres Mal auf einen Turm an. Welchen Sinn machten diese siphonartige Wasserleitung?

Charles Ortloff und Adonis Kassinos von CTC Engineering Consultants wollten es genauer wissen und untersuchten das hydraulische Verhalten mit rechnergestützten Systemen. In ihrer Simulation versetzten sie das Wasser im Siphon ruckartig in Bewegung. Dabei traten kurzzeitig starke Druckwellen auf, die in der Realität sogar die Anlage hätten beschädigen können. Um das zu verhindern, teilten die römischen Baumeister, so vermuteten die Forscher, das ganze System in drei Abschnitte:

Zwei Türme dämpften das mit großer Wucht heranrollende Wasser ab, während eingebaute Behälter am oberen Ende der Türme dafür sorgten, dass Schwankungen im Verbrauch ausgeglichen und der Wasserdruck konstant gehalten wurde.

Es gab jedoch noch eine weitere mysteriöse Sache: Ortloff und Kassinos hatten sich römische Überlieferungen zu Gemüte geführt und stießen dabei auf wichtige Passagen des römischen Schriftstellers Vitruvius. In seinem Werk De Architecture beschreibt er die Bautechniken römischer Wasserbauten und erwähnt dabei, dass die Funktion des Siphons beim Projekt Aspendos ganz entscheidend von den colliquiaria abhing. Leider kennt heute niemand mehr diesen lateinischen Fachbegriff, und so lassen sich nur Vermutungen anstellen.

Nach Meinung der Wissenschaftler handelt es sich hierbei wahrscheinlich um die kleinen, drei Zentimeter großen Löcher, die immer wieder in der römischen Wasserleitung auftauchen und einzelne Steinblöcke durchsieben. Im Modell zur Fließdynamik zeigte sich, dass durch diese Öffnungen Wasser und Luft entweichen konnte, um Turbulenzen in der Rinne möglichst gering zu halten.

Die Konstruktion des Aquädukts war also bis ins Detail überlegt. Die Architekten achteten sogar auf die Beschaffenheit der Oberflächen im Inneren des Kanals. Diese durfte nicht zu eben sein, sonst hätten sich beim Öffnen des Tanks zu große Wellen gebildet; sie durften aber auch nicht zu rau sein, denn das hätte wiederum starke Reibungen verursacht und den Wasserstrom gebremst. Die Innenwände hatten demnach eine optimale Oberflächenstruktur. Kein Wunder, denn damals war alles noch "handmade" und Sklavenarbeit war zugleich auch tüftlerische Präzisionsarbeit. Das System hat jedenfalls lange Zeit funktioniert.

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