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Astrophysik: Welche Farbe haben Sterne?

Die Sonne ist nicht gelb, der Rote Riese nicht rot, der Weiße Zwerg nicht weiß. Forscher haben die Farben von Sternen berechnet, wie Menschen sie mit ihren Augen sehen würden.
Einfach erscheint die Frage nach der Sternenfarbe, weil die Farbe eines Sterns lediglich von seiner Oberflächentemperatur abhängen sollte. So einfach ist es aber nicht.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Sonne war noch nie gelb. Ihr scheinbar gelblicher Stich ebenso wie das schöne Rot der Morgen- oder Abenddämmerung sind auf Atmosphäreneffekte zurückzuführen. Direkt nachschauen sollte man trotzdem nicht: Es ist keine gute Idee, mit dem bloßen Auge in die Sonne zu blicken. »Aber manchmal kann man die Sonnenscheibe durch eine nicht zu dünne Wolke sehen, dann wirkt die Wolke wie ein Graufilter. Die Sonne erscheint dann tatsächlich nicht gelblich«, sagt der Physiker Dietrich Zawischa von der Universität Hannover. »In Bezug auf unseren Gesichtssinn ist die Sonne weiß.«

Und welche Farbe hat ein Stern dann? »Ich habe im letzten Jahr einen Artikel gelesen, in dem erwähnt wurde, dass der darin beschriebene Rote Riesenstern gar nicht rot sei, sondern orange«, erzählt der Astrophysiker René Heller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. »Dann habe ich angefangen zu überlegen, wie das bei anderen Sternen ausschaut. Sind Weiße Zwerge wirklich weiß?«

Was Heller beschäftigte, war eine eigentlich einfach erscheinende Frage nach der realen Farbe der Sterne – in Bezug auf die Sonne beispielsweise außerhalb der Erdatmosphäre. Aus Hellers neugieriger Frage, welche Farbe Sterne denn haben, wurde eine größere Recherche und schließlich ein Fachartikel zu genau dieser Frage, der kürzlich erschienen ist.

Farbe hängt von der Oberflächentemperatur ab

Studiert man nun die Abbildung eines sonnenähnlichen Sterns in jenem Fachartikel von Jan-Vincent Harre und René Heller, dann erscheint er trotzdem nicht weiß. Sondern irgendwie ein bisschen orange. Was geht da vor? Einfach erscheint die Frage nach der Farbe, weil die Farbe eines Sterns lediglich von seiner Oberflächentemperatur abhängen sollte. Sterne werden nämlich gerne als fast perfekte Schwarzkörperstrahler betrachtet.

»Allgemein gilt, dass ein Körper umso stärker abstrahlt, je stärker er Licht absorbiert«, sagt Dietrich Zawischa. Daraus folgt, dass ein schwarzer Körper am hellsten glüht. Daher kommt der Name Schwarzkörperstrahlung. Und warum werden auch Sterne als Schwarzkörperstrahler bezeichnet? »Die Meinung ist, dass Strahlung, die auf so einen Gasball trifft, tief in ihn eindringt und kaum reflektiert wird, oder, umgekehrt, der Gasball so riesig ist, dass das bisschen Abstrahlung gegenüber der im Volumen vorhandenen Strahlungsmenge vernachlässigbar ist«, erklärt Zawischa.

Ein Schwarzkörperstrahler sendet Licht in allen Wellenlängen aus. Die Form seines Spektrums – also die Verteilung, wie viel Licht er in jeder einzelnen Wellenlänge aussendet – wird dabei von der Temperatur bestimmt. Je heißer der Stern, desto mehr verschiebt sich das Maximum dieses Spektrums hin zu kürzeren Wellenlängen.

Die Sonne sollte weiß sein

Die Sonne sollte weiß sein, da sie als Schwarzkörperstrahler Licht in allen Wellenlängen ausstrahlt und ihr Maximum in einem für uns sichtbaren Bereich liegt. Kleinere Sterne hingegen sind kühler und daher rötlicher, weil ihr Strahlungsmaximum in den rötlichen Bereich verschoben ist. Die größten Sterne der Galaxis sollten hingegen bläulich erscheinen, da ihre Oberflächentemperatur um ein Vielfaches höher ist als die der Sonne.

Doch das ist eine Idealisierung, die nicht unbedingt das beschreibt, was Menschen mit ihren Augen sehen könnten. Außerdem weisen die echten Spektren von Sternen Absorptionslinien auf, also durch Absorption von Strahlung entstehende Lücken im Spektrum der Strahlung. Diese sind auf Elemente in den Sternatmosphären zurückzuführen – beispielsweise auf das Edelgas Helium, dessen Existenz zunächst anhand seines Vorhandenseins im Sonnenspektrum nachgewiesen wurde.

Heller und sein Student Jan-Vincent Harre von der Universität Göttingen beschlossen herauszufinden, welche Farben Sterne wirklich haben, zumindest für das menschliche Auge. Dafür verwendeten sie computergenerierte Sternspektren aus zwei Modellen, die alle möglichen Sternklassen und einen Temperaturbereich von 2300 Kelvin bis 55 000 Kelvin Oberflächentemperatur abdecken.

Es sind nicht unendlich viele Wellenlängen sichtbar

Um herauszufinden, wie das menschliche Auge diese Spektren sehen würde, verwendeten sie bekannte Funktionen, um die so genannte Farbvalenz zu ermitteln. Diese misst den Unterschied von Farben auf Grundlage der Tatsache, dass das menschliche Auge nicht dazu in der Lage ist, ein Spektrum mit unendlich vielen Wellenlängen zu erfassen. Sie beschreibt die Farbwahrnehmung, die ein Lichtstrahl mit einem derartigen Spektrum im menschlichen Auge auslöst. Üblicherweise wird sie durch drei Zahlenwerte dargestellt, für die drei Farbrezeptoren rot, grün und blau. Farbreize gleicher Farbvalenz sind beim Farbvergleich für Menschen ununterscheidbar.

Harre und Heller entdeckten so, dass das idealisierte Schwarzkörperspektrum für einige Sterntypen genau das ist: idealisiert. »Das fällt vor allem bei kleinen Sternen auf«, erklärt Heller. Gerade die kühleren »roten« Zwerge mit Oberflächentemperaturen von rund 3000 Kelvin erscheinen uns eher orange, weil ihre Sternatmosphären einen Teil des austretenden roten Lichts absorbieren. Ein Schwarzkörper tut dies nicht. Und Weiße Zwerge, die Überreste von massearmen Sternen, werden ihrem Namen nur zu Beginn ihrer Karriere gerecht. Im Lauf der Zeit kühlen sie ab und würden uns nach einigen Milliarden Jahren ebenfalls eher orange erscheinen.

»Die Sonne ist fast weiß. Aber sie hat einen minimalen Orange-Touch. Es ist also ein bisschen mehr Rot vorhanden als Blau und Grün«
René Heller, Astrophysiker

Und was ist nun mit der Sonne? »Die Sonne ist so ein mittelgut idealisierter Schwarzkörper«, sagt Heller. »Sie ist fast weiß. Aber sie hat einen minimalen Orange-Touch. Es ist also ein bisschen mehr Rot vorhanden als Blau und Grün.« Tatsächlich: Schaut man im Fachartikel nach, steht da bei einem Stern der Spektralklasse G2V, wie die Sonne einer ist: 1,0 für Rot, 0,931 für Grün und 0,905 für Blau im RGB-Farbraum. Dazu passt der hexadezimale Farbcode #ffede6 – und das ist nicht Weiß.

Auch die unterschiedlichen Metallizitäten haben Auswirkungen auf die Farbe eines Sterns. Die Metallizität bezeichnet die Häufigkeit von Elementen, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium, in der Atmosphäre eines Sterns. Die ersten Sterne in der Geschichte des Universums weisen weniger massereiche Elemente auf als Exemplare jüngeren Alters. »Aber diese Unterschiede sind so gering, dass uns zwar der Computer sagen kann, dass das rein theoretisch eine andere Farbe ergibt. Ob wir das dann mit dem menschlichen Auge erkennen könnten, ist allerdings fraglich«, sagt Heller.

Ein weiteres Ergebnis: Grüne Sterne gibt es nicht. »Damit uns ein Stern grün oder auch nur grünlich erscheint, müsste er im Bereich der mittleren sichtbaren Wellenlängen deutlich stärker strahlen als im lang- und kurzwelligen«, erklärt Dietrich Zawischa. »Und auch wenn wir gezeigt haben, dass Sterne sich oft nicht wie idealisierte Schwarzkörper verhalten, dann strahlen sie wenigstens nicht in Stufenfunktionen aus«, sagt Heller und lächelt. Das gilt auch für die Farben Zyan, Magenta und Gelb. Die angeblich gelbe Sonne ist damit endgültig Geschichte.

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