Direkt zum Inhalt

News: Atomare Leiter

Individuen legen im Kollektiv oft ganz neue Eigenschaften an den Tag. Warum sollte das bei Atomen anders sein?
Goldketten
Der Weg in den Mikrokosmos ist mit mancher Überraschung verbunden. Denn werden die Abmessungen der uns vertrauten Materie sehr klein, dann ändern sich ihre Eigenschaften häufig in dramatischer Art und Weise. Ob Wärmeleitung, elektrischer Widerstand oder optisches und mechanisches Verhalten – alles scheint in der Nanowelt anderen Spielregeln unterworfen zu sein.

Das liegt daran, dass bei sehr kleinen Strukturgrößen immer mehr der Charakter der einzelnen Atome durchschlägt. Und die elektronische Struktur eines einzelnen Atoms unterscheidet sich nun mal deutlich von der in einem ausgedehnten Festkörper. So können sich beispielsweise im Metallverbund die äußeren Elektronen – die Valenzelektronen – wegen ihrer geringen Ionisierungsenergie leicht von den Atomrümpfen trennen und als quasi-freies Elektronengas relativ ungehindert durch das Kristallgitter bewegen – die Ursache der ausgezeichneten elektrischen Leitfähigkeit von Metallen.

Einem einzelnen Goldatom kann man hingegen seine Elektronen eindeutig zuordnen. Sie befinden sich auf unterschiedlichen, festen Energieniveaus, die noch nicht zu jenen breiten Energiebändern verschmiert sind, die im Festkörper die leichte Wanderschaft der Ladungsträger ermöglicht. Doch wie und wann kommt es zum Übergang zwischen den scheinbar so gegensätzlichen Extremen Atom und Festkörper? Niklas Nilius und Wilson Ho von der University of California in Irvine sowie Mitch Wallis von der Cornell University in Ithaca haben in Experimenten diese Grenze ausgelotet.

Dazu schieden sie im Ultrahochvakuum bei einer Temperatur von zwölf Kelvin etwas Gold auf einem Nickel-Aluminium-Kristall ab. Mit einem Rastertunnelmikroskop (RTM), dessen Sondenspitze sich dicht über die Oberfläche bewegte, schoben sie anschließend die Goldatome auf der Oberfläche zu kurzen Ketten zusammen – eines, drei, fünf, acht, elf, 14, 17 und 20 Goldatome aufgereiht wie auf einer Perlenschnur. Doch das RTM ermöglichte den Forschern nicht nur, die Oberfläche zu manipulieren, sondern gestattete ihnen auch einen Blick auf die atomaren Strukturen und die Messung deren elektrischer Eigenschaften. Dazu hoben die Wissenschaftler die Sondenspitze des Mikroskops etwas an, ließen sie nun in größerer Höhe über die Oberflächen gleiten und maßen den Tunnelstrom zur Probenoberfläche, der ein Maß für die Strukturhöhe ist.

Durch die Variation des Tunnelstroms in Abhängigkeit von der angelegten Spannung zwischen Spitze und Probe erhielten die Wissenschaftler schließlich Aufschluss über die Leitfähigkeit der jeweiligen Goldstruktur. Und tatsächlich sahen die Forscher einen klaren Zusammenhang zwischen Geometrie und Leitfähigkeit der Goldketten. Denn als sie das fünfte beziehungsweise sechste Goldatom der Kette hinzufügten, begannen die Atome das kollektive Verhalten von Gold am Stück zu zeigen. Insbesondere wurde das Metall leitfähig, sodass es prinzipiell winzige Stromkreise formen könnte.

Die Arbeit von Ho und seinen Kollegen gibt also die Grenzgröße für elektronische Schaltungen an. Zumindest für Gold gilt demnach: Weniger als sechs Atome dürfen es nicht sein. Bei den folgenden Messungen an sechs bis 20 Atomen tat sich denn auch nicht mehr viel: Nur marginale Änderungen der Leitfähigkeit ließen sich feststellen. In weiteren Arbeiten wollen Ho und seine Kollegen neben anderen Materialien wie Silber auch untersuchen, wie sich eine zweidimensionale, flächenartige Anordnungen von Goldatomen verhält.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.