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Kindesentwicklung: Auch Kleinkinder erwarten gerechte Anführer

Bereits im Alter von 17 Monaten reagieren Kinder überrascht, wenn ein Anführer unfaires Verhalten innerhalb seiner Gruppe nicht ahndet.
Teilen oder behalten?

Wer über andere bestimmen kann, sollte dafür sorgen, dass diese fair miteinander umgehen. Das sehen offenbar nicht nur Erwachsene tendenziell so, sondern auch Kleinkinder, wie eine Versuchsreihe von Maayan Stavans von der israelischen Bar-Ilan-Universität und Renée Baillargeon von der University of Illinois in Urbana–Champaign zeigt.

Die Wissenschaftler führten 120 Kindern im Alter von 17 Monaten ein kurzes Puppenspiel mit drei Bärenhandpuppen vor. Ein Bär wurde manchen Kindern dabei als Anführer vorgestellt, indem er den beiden anderen Bären sagte, was diese zu tun hatten. Anschließend überreichte er ihnen zwei Spielzeuge, die sie unter sich aufteilen sollten. Doch ein Bär schnappte sich einfach dreist beide Geschenke und ließ den anderen mit leeren Tatzen zurück. Daraufhin schritt der Anführer-Bär in einigen Fällen ein, um das begangene Unrecht zu korrigieren. In anderen Durchgängen ignorierte er das unfaire Verhalten hingegen.

Stavans und Baillargeon beobachteten ganz genau, wo ihre Probanden während des Schauspiels wie lange hinblickten. Der Hintergedanke dabei: Kleinkinder schenken Dingen, die sie überraschen, länger ihre Aufmerksamkeit als solchen, mit denen sie gerechnet haben. So lässt sich auch ohne zu fragen darauf schließen, mit welchen Erwartungen sie an eine Situation herangehen.

Im Ergebnis, so entdeckten die Forscher, sahen ihre kleinen Versuchspersonen länger hin, wenn ihnen die Handpuppe, welche die Spielzeuge austeilte, zuvor als Anführer vorgestellt worden war und nicht einschritt, wenn sich ein Bär einfach beide Spielzeuge schnappte. Von Bären, die keine Anführer waren, schienen die Kinder hingegen nicht zu erwarteten, dass sie ungerechtes Verhalten korrigierten.

Um ihre Ergebnisse noch einmal zu bestätigen, variierten Stavans und Baillargeon den Versuchsaufbau in einem zweiten Experiment ein wenig. Dabei gab einer der beiden Bären bekannt, dass er kein Interesse an den Spielzeugen habe und der andere seines ruhig nehmen könne. Nun reagierten die Kinder überrascht, wenn der Anführer-Bär dennoch einschritt und die Geschenke umverteilte.

Die Forscher schließen daraus, dass Kinder schon früh im Leben ein ausgereiftes Verständnis für soziale Hierarchien und Machtdynamiken entwickeln, wie sie im Fachmagazin »PNAS« schreiben. In diese Richtung deutet auch eine Untersuchung, die Baillargeon 2018 gemeinsam mit zwei italienischen Kollegen durchführte. Dabei entdeckten die Wissenschaftler, dass Kleinkinder bereits vor ihrem zweiten Geburtstag zwischen respektablen Anführern und Tyrannen unterscheiden können.

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