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Computertechnik: Super-Elektronik auf Eisenbasis

Ein neues Molekül erlaubt Elektronik mit fünf Zuständen statt bloß 0 und 1. Außerdem speichert es mehrere frühere Zustände und ermöglicht so komplexere logische Operationen.
Grün leuchtender Prozessorkern auf blauer Platine. Widerstand ist Zwecklos!

Verkleinerung war der Schlüssel zu den immer leistungsfähigeren Computern der letzten Jahrzehnte, doch sie stößt langsam an ihre Grenzen. Konventionelle Halbleiterbauteile können kaum noch kleiner werden. Ein neues Molekül jedoch könnte nun Komponenten aus nur wenigen hundert Atomen möglich machen – und sogar weit über die Fähigkeiten konventioneller Bauteile hinausgehen. Wie eine Arbeitsgruppe im Sreetosh Goswami von der National University of Singapore nun nämlich in »Nature« berichtet, bewahrt der von ihnen untersuchte Stoff eine Art Erinnerung an die Abfolge zuvor erhaltener Signale. Dadurch kann er mehr Daten speichern als konventionelle Halbleiter – und dadurch sogar komplexe Abfolgen von Signalen nach festen Regeln verarbeiten.

Bei dem Molekül handelt es sich um ein Eisenatom, das von drei stickstoffhaltigen organischen Molekülteilen gebunden und stabilisiert wird. Seine Ladung und Elektronenkonfiguration bestimmt, ob das Molekül Strom leitet oder nicht, und man kann zwischen den Zuständen umschalten, indem man eine Spannung anlegt. Damit hat es die wesentlichen Eigenschaften eines Memristors, eines Bauteils, das zwischen leitend und nicht leitend geschaltet werden kann und diese Zustandsänderung speichert. Memristoren gelten als wesentliches Element zukünftiger leistungsfähigerer Elektronik. Doch das Molekül der Arbeitsgruppe um Goswami geht sogar einen Schritt weiter. Anders als ein gewöhnlicher Memristor kann man es nicht nur zwischen zwei Zuständen schalten – es gibt acht mögliche Übergänge zwischen fünf verschiedenen Zuständen, die jeweils nur nach bestimmten Abfolgen von Schaltvorgängen auftreten.

Der Trick ist, dass das Eisenatom nicht nur verschiedene Ladungszustände einnehmen kann, sondern auch Elektronen mit den umgebenden stickstoffhaltigen Molekülteilen austauscht. Wie viele Elektronen das Molekül trägt und wie sie auf die beteiligten Atome verteilt sind, hängt davon ab, welche Spannung man anlegt und in welchem Zustand das Molekül vorher war. Und das wiederum bestimmt die Natur des Übergangs. Dass das Verfahren nicht nur theoretisch funktioniert, zeigte die Arbeitsgruppe, indem sie aus zwei Elektroden und einer dünnen Schicht des eisenhaltigen Moleküls einen Memristor baute.

Dank der Abhängigkeit der Zustände von der Abfolge der vorherigen Zustände kann ein solcher Memristor komplexe Entscheidungsbäume abbilden, deren Ausgangssignal abhängig von gleich mehreren Eingangssignalen ist. Daneben können einfache Schaltkreise aus solchen Elementen die grundlegenden logischen Verknüpfungen wie AND, OR oder XOR durchführen, die Computern zu Grunde liegen, berichtet das Team um Goswani. Damit entsprechen sie den Bauteilen klassischer Elektronik – mit dem großen Vorteil, dass die Ausgabewerte nicht mehr im Register zwischengespeichert werden müssen, weil Memristoren selbst als Speicher dienen.

Allerdings gilt es noch einige grundlegende Hürden zu nehmen, bis die Technik in tatsächlichen Computern zum Einsatz kommt. Nicht zuletzt ist nicht im Detail bekannt, warum das Molekül so viele Zustände hat und wie die Übergänge zwischen ihnen funktionieren. Daneben sei noch unklar, wie sich das Molekül im Betrieb verhalte und ob sich Memristoren auf der Basis solcher Moleküle tatsächlich miniaturisieren lassen, dass sie in klassische Schaltkreise eingebaut werden können. Möglich sei, dass im Größenbereich heutiger Elektronik von wenigen Nanomentern bisher unbekannte Effekte auftreten und sich die Eigenschaften des Moleküls noch einmal drastisch verändern, schreiben die Materialforscher Matthew J. Marinella und A. Alec Talin von den Sandia National Laboratories in Livermore in einem Kommentar für »Nature«.

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