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Archäologie: Das grausame Ende zweier alter Österreicher

Es war und blieb ein hartes Leben: Der älteste bekannte erwachsene »Österreicher« bekam vor 9000 Jahren ein Steinbeil ab, der zweitälteste vor 7000 Jahren eine Keule.
Der Mann von Wöllersdorf

Wenig verbindet die beiden ältesten Menschenfunde aus Österreich: Der eine wurde vor rund 9000 Jahren nahe dem heutigen Wöllersdorf in Niederösterreich bestattet, der andere starb vor 7000 Jahren kaum 20 Kilometer entfernt im heutigen Pöttsching im Burgenland. Dazwischen liegen nicht nur 2000 Jahre, sondern auch ein grundlegender Wandel in der Lebensweise. Während der ältere Mann aus Niederösterreich noch der Mittelsteinzeit angehörte, lebte der jüngere bereits als Teil einer Ackerbau und Viehzucht betreibenden Gemeinschaft, die Archäologen als Bandkeramiker bezeichnen.

Was sie verbindet, ist ihr gewaltsames Ende. Am Schädel des älteren Funds aus Niederösterreich machte die Anthropologin Silvia Renhart vom Universalmuseum Joanneum in Graz nun Spuren von Schlägen mit einem Gegenstand, vermutlich einem Steinbeil, fest. Das Skelett des 31 bis 40 Jahre alten Manns fanden Archäologen um Dorothea Talaa in seiner zweiten Grablege. Er wurde offenbar nach seinem Tod umgebettet, so lassen sich Hinweise an den Knochen deuten. Insgesamt scheint er Mitglied der Oberschicht gewesen zu sein, dem ein besonderer Bestattungsritus zuteilwurde.

Der Junge aus Pöttsching wurde abseits der Siedlung getötet | Wissenschaftler der Forschungsgruppe FoSIL der Hochschule Mittweida um Dirk Labudde rekonstruierten die ursprünglichen Gesichter der Toten. Während der oben auf der Seite dargestellte Mittelsteinzeitler einen dunklen Teint aufweist, hatte der 15-jährige Bandkeramiker einen helleren Teint. Seine Augen könnten auch braun gewesen sein. Die Träger der jungsteinzeitlichen Kultur gelten als Nachkommen von Bauern aus dem anatolischen Raum.

Dem zweiten Opfer ließ man eine solche Behandlung nicht angedeihen. Es handelte sich bei ihm um einen etwa 15-jährigen Jungen, dem Angreifer mit Pfeil und Bogen sowie einer Keule zusetzten. Die entsprechenden Spuren machten die Forscher jetzt an seinem Skelett fest. »Offenbar war er vor dem Angriff auf sein Dorf in das unmittelbar neben der Siedlung liegende Abbaugelände für den für Hausbau und Töpferei benötigten Lehm geflüchtet und dort getötet worden«, erläutert Talaa in einer Pressemitteilung.

So wurde der Junge gefunden | Offenbar ließen die Angreifer ihn einfach liegen. Sein linker Arm war ihm über den Kopf gefallen. Über seine Angehörigen aus dem nahe gelegenen Dorf sagen die Archäologen nichts.

Wie alt die beiden zum Zeitpunkt ihres Todes waren, ergab sich zum einen aus der Untersuchung und Vermessung der Knochen, zum anderen durch eine moderne molekulare Methode der Gerichtsmedizin, heißt es in der Mitteilung des Museums. Stefanie Ritz-Timme vom Institut für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Düsseldorf analysierte dazu bestimmte Marker in der DNA und den noch enthaltenen Proteinen, aus denen sich Rückschlüsse über das Lebensalter einer Person gewinnen lassen. Es sei das erste Mal gewesen, dass Forscher dies bei so alten Funden durchführen konnten. Entdeckt wurden die beiden Skelette bereits im Jahr 2011; ihr erstaunlich hohes Alter ergab sich allerdings bei jüngst durchgeführten Datierungen mit der Radiokarbonmethode.

Update 29.01.: Einem Leser verdanken wir den Hinweis, dass tatsächlich noch ältere menschliche Überreste im heutigen Österreich gefunden wurden. Auf dem Wachtberg in Krems an der Donau in Niederösterreich kamen 2006 in zwei Grabgruben insgesamt drei Säuglinge zu Tage, die aus der altsteinzeitlichen Kultur des Gravettien stammen und damit ungefähr 30 000 Jahre alt sind.

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