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Wetter: Deutschland im Gewittersumpf

Gewitter fast allerorten. Nur der Nordosten blieb bislang ziemlich verschont. Schuld ist die besondere Wetterlage - und ein sehr hoher Taupunkt.
Gewitter

Man hat sich fast schon daran gewöhnt: Jeden Tag kommen neue Nachrichten über Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen, die Keller volllaufen lassen und Straßen unter Wasser setzen. Erst traf es das Vogtland und den Hunsrück, dann Wuppertal und Aachen, schließlich die nördliche Oberpfalz, das Saarland oder Teile Nordbadens. Wo genau die Gewitter niedergehen, können die Meteorologen kaum und nur kurzfristig vorhersagen, zu unwägbar sind die zahlreichen kleinen und größeren Gewitterzellen, die seit Mitte Mai immer wieder in großen Teilen Deutschlands auftreten. Nur der äußerste Nordosten der Republik blieb davon bislang verschont: Er wird von einem kräftigen Hoch über Skandinavien beeinflusst und klagt mittlerweile über eine seit Wochen anhaltende Trockenheit. Angesichts der Wetterlage spricht der »Deutsche Wetterdienst« (DWD) von einem »Gewittersumpf«, der sich über Mitteleuropa etabliert hat und kaum weichen will.

Schuld daran ist eine sehr stabile Wetterkonstellation, die seit drei Wochen anhält und als »Tief Mitteleuropa« bezeichnet wird. Über Skandinavien und dem Nordatlantik hat sich ein ortsfestes und sehr stabiles Hoch etabliert, das sich immer wieder regeneriert. Dagegen kommen die gegenwärtig schwachen Atlantiktiefs nicht an: Weder können sie das Hoch nach Osten drücken noch nach Mitteleuropa vorstoßen. Stattdessen herrschen hier zu Lande nur schwache Luftdruckgegensätze ohne Fronten vor, so dass die feuchtwarme Luft ebenfalls nicht verdrängt wird. Dem starken Hoch gegenüber steht laut dem DWD ein nur schwaches Höhentief über Westeuropa, an dessen Vorderseite sehr warme, aber auch sehr feuchte Luft nach Deutschland geführt wurde. Außerhalb des trockenwarmen Nordostens wurde es daher vielerorts schwülheiß. Die warme Luft fängt meistens schon vormittags zu brodeln an und entlädt sich dann nachmittags oder abends in schweren Gewittern.

Diese Gewitter ziehen nur langsam voran und ergießen daher in kurzer Zeit enorme Wassermassen über kleinem Raum – mancherorts fielen in wenigen Stunden die Regenmengen eines kompletten Monats oder mehr: 150 und mehr Liter pro Quadratmeter waren keine Seltenheit. Diese Mengen können schon aus physikalischen Gründen nicht schnell genug im Boden versickern und fließen oberirdisch ab, weshalb kleine Fließgewässer oder Wassergräben rasch volllaufen und überschießen. In den ohnehin versiegelten Städten überfordern sie die Kanalisation und sorgen dafür, dass Straßen zu reißenden Strömen werden, wie beispielsweise in Wuppertal zu sehen war. Diese Unwetter sind allerdings zufällig verteilt und können nur schwer prognostiziert werden. »Lediglich schwache, bodennahe, rinnenförmige Tiefdruckzonen, in denen die feuchten Luftmassen zusammenströmen, geben den Meteorologen im Voraus einen Hinweis auf Gebiete mit der höchsten Gewittergefahr«, so Markus Übel vom DWD.

Wie viel Wasserdampf regional in der Luft ist, zeigen die hohen Taupunkte, die in einem breiten Streifen in der Mitte Deutschlands bei 17 bis 21 Grad Celsius liegen. »Ein Kubikmeter Luft enthält dann etwa 15 bis 20 Gramm Wasserdampf«, schreibt Übel. Dieser Streifen schwankt seit einer Woche über Deutschland hin und her, weshalb sich auch die Gewittertätigkeit mit den stärksten Niederschlägen verschiebt. »Im Nordosten Deutschlands liegen die Taupunkte dagegen nur bei 3 bis 9 Grad Celsius, was etwa 6 bis 9 Gramm Wasserdampf pro Kubikmeter entspricht.« Die Hitze dort ist eine trockene, Gewitter sind praktisch Fehlanzeige.

Am heutigen Freitag (1. Juni) ist die Gewittergefahr in einem Streifen von Niedersachsen über die nördliche Mitte bis nach Brandenburg und Sachsen am höchsten, weiter südlich ist das Risiko kleiner. Kachelmannwetter warnt sogar, dass die Signale in den Wettermodellen für extreme Regenmengen für Freitag noch alarmierender seien. Man müsse sehr wahrscheinlich lokal mit heftigen Überschwemmungen und Hochwasser an Bächen rechnen, die stärker ausfallen als jene am Dienstag in Wuppertal. Am Samstag bleibt der Schwerpunkt weiterhin im Norden und Osten, sonst sind laut dem DWD nur noch vereinzelt Gewitter zu erwarten. Ab Sonntag können wir dann zumindest kurzzeitig aufatmen, weil trockenere Luftmassen wetterbestimmend werden. Da ein wirklicher Luftmassenwechsel jedoch weiter auf sich warten lässt, dürfte der Gewittersumpf regional aber bald wieder aufleben.

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