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News: Dickköpfe

Die riesige Melone männlicher Pottwale ist nicht nur Sonarempfänger, sondern auch Stoßdämpfer.
Nachdem am 20. November 1820 ein riesiger weißer Pottwal das im Südpazifik kreuzende amerikanische Walfängerschiff "Essex" rammte und versenkte, hatte Herman Melville den Stoff für seine Geschichte von "Moby Dick". Das war nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass Seefahrer durch Physeter macrocephalus in Bedrängnis gerieten, dabei bleibt bis heute nur schwer vorstellbar, wie ein Wal einem Schiff gefährlich werden kann, das bis zu fünf mal so groß ist wie er selbst.

David Carrier von der University of Utah und seine Kollegen glauben jetzt, des Rätsels Lösung gefunden zu haben. Zwar stößt sie bei den Kollegen auf ziemlich wenig Gegenliebe, plausibel ist sie dennoch. So postulieren die Forscher, dass die große, mit dem gelblichen, wachsartigen Walrat gefüllte Melone der Wale nicht oder nicht nur der Bündelung von Schalwellen dient, sondern vornehmlich eine wirksame Waffe der Bullen ist.

Gerade der Umstand, dass dieses so genannte Spermaceti-Organ bei den männlichen Tieren doppelt so groß ist wie bei den weiblichen, spricht nach Meinung der Forscher für die "Macho"-These, wonach sich Hirsche mit ihrem Geweih oder eben Walbullen mit ihrer Melone gegenüber Nebenbuhlern behaupten.

Die Melone macht ein Drittel der bis zu 20 Meter langen Walmännchen aus. Über die Funktion des Organs gibt es verschiedene Ansichten. Manche vermuten, dass es den Walen bei den bis zu 3000 Meter tiefen Tauchgängen hilft, andere sehen darin ein Sonar, das die akustische Orientierung unter Wasser ermöglicht. Seinen Namen erhielt das Spermaceti-Organ übrigens, weil das Walrat der Samenflüssigkeit ähnlich sieht und man deshalb einst glaubte, der Kopf der Pottwale diene auch der Fortpflanzung.

"Mit so etwas würde man nicht um sich schlagen", meint denn auch Jonathan Gordon von der schottischen University of St Andrews, der von Carriers Idee nicht sonderlich angetan ist. Und Hal Whitehead von der Dalhousie University in Halifax hält dagegen, dass Männchen ihrer größeren Melonen wegen eben mit lauteren Walgesängen prahlen könnten. Doch da das Leben der Pottwale - ihre Konkurrenzkämpfe und das Paarungsverhalten - ungemein schwer zu erforschen sind, ist die Beweisführung schwierig.

Immerhin weisen die Melonen verendeter Pottwale häufig tiefe Narben auf. "Es könnte ja sein, dass die Melone zwei Funktionen erfüllt: als Waffe und für die Lautäußerung", kommt David Carrier den Skeptikern entgegen.

Jedenfalls zeigen die Ergebnisse mathematischer Modellierungen - Carrier und seine Kollegen ließen dazu virtuelle Computerwale aufeinander los -, dass des Pottwals Dickkopf beim Konkurrenten - oder im Frust vielleicht an einem Schiff - einigen Schaden anrichten könnte, während er dem Angreifer selbst als Stoßdämpfer diente.

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