Direkt zum Inhalt

Treibhausgase: Die Methan-Rechnung geht nicht auf

Rund ein Drittel des menschengemachten Methanausstoßes wird durch fossile Brennstoffe verursacht – dachte man zumindest. Nun zeigt sich: Dieser Wert liegt offenbar viel zu niedrig.
Braunkohleabbau

Methan ist unberechenbar und gefährlich. Über lange Zeiträume ist es nur das zweitwichtigste Treibhausgas, kurzfristig aber ist sein Erwärmungspotenzial um ein Vielfaches höher als jenes des Kohlendioxids. Nicht zuletzt steigt seine Konzentration seit Jahren dramatisch an. Der Grund ist unklar, denn bisher weiß niemand so genau, woher wie viel des Gases in die Umwelt gelangt.

Eine Studie von Wissenschaftlern um Benjamin Hmiel von der University of Rochester legt nun nahe, dass Fachleute sich bei einer bedeutenden Methanquelle deutlich verschätzt haben könnten. Denn Hmiel und seine Kollegen stellten fest, dass offenbar rund zehnmal weniger Methan auf natürliche Weise aus geologischen Quellen austritt als bislang angenommen. Damit hat die Kohle-, Öl- und Gasförderung im Umkehrschluss einen deutlich höheren Anteil am Methanausstoß.

Wie viel Methan sich aktuell in der Atmosphäre befindet, können Forscher eigentlich relativ gut ermitteln. Schwieriger ist es hingegen, festzustellen, woher das Treibhausgas genau kommt: Welcher Anteil des Methans ist biologisches Methan, das etwa aus Sümpfen, aus der Landwirtschaft oder aus der Verbrennung von Biomasse stammt? Wie entsteht geologisches Methan – in Folge von vulkanischer Aktivität oder durch die Gewinnung fossiler Brennstoffe? Welcher Anteil wird durch den Menschen verursacht, welcher durch die Natur?

Studien haben in den vergangenen Jahren, je nach verwendeter Methodik, relativ unterschiedliche Zahlen zu diesen Aspekten hervorgebracht. Die meisten Fachleute waren sich allerdings einig, dass rund ein Drittel des menschengemachten Methanausstoßes aus der Gewinnung und Nutzung fossiler Brennstoffe stamme. Tatsächlich ist es wohl deutlich mehr.

Um bis zu 40 Prozent verschätzt

Hmiel und sein Team konzentrierten sich in ihrer Arbeit ausschließlich auf das geologische Methan. Um der Frage nachzugehen, wie viel davon aus natürlichen Quellen und wie viel durch industrielle Prozesse in die Atmosphäre gelangt, untersuchten sie Eisbohrkerne aus Grönland und der Antarktis. In diesen fanden sich unter anderem winzige Lufteinschlüsse aus jener Zeit, in der sich die Eisschicht gebildet hatte, und erlaubten so einen Blick in die Vergangenheit. Die Forscher ließen das Eis in einer speziellen Kammer schmelzen und analysierten anschließend die chemische Zusammensetzung der frei gewordenen Luft. Das im Methan enthaltene Kohlenstoffisotop 14 (14C) ermöglichte es ihnen dabei, zwischen biologischem und geologischem Methan zu unterscheiden, da es im Lauf der Zeit zerfällt und deshalb nur in Ersterem enthalten ist.

Auf diese Weise ermittelten die Wissenschaftler, dass die natürlichen geologischen Methanemissionen im frühen 18. Jahrhundert – vor dem Beginn der Industrialisierung – nur bei 1,6 Teragramm pro Jahr lagen (was 1,6 Millionen Tonnen entspricht), maximal bei 5,4 Teragramm. Um 1870 herum stiegen die Emissionen dann sprunghaft an, was zeitlich mit dem Beginn der verstärkten Nutzung fossiler Brennstoffe zusammenfalle, erklären die Forscher.

In früheren Untersuchungen bezifferten Experten den natürlichen Methanausstoß aus geologischen Quellen auf 40 bis 60 Teragramm pro Jahr. Hmiel und sein Team schließen daraus, dass man die menschengemachten Methanemissionen aus fossilen Quellen bisher um rund 25 bis 40 Prozent unterschätzt habe. Statt einem Drittel könnte bald die Hälfte der durch den Menschen verursachten Methanemissionen auf das Konto fossiler Brennstoffgewinnung und -nutzung gehen.

»Die Unsicherheit der älteren Studien war deutlich höher als in der neuen Studie, und damit muss der gefundene Unterschied als sehr wahrscheinlich zutreffend betrachtet werden«, sagt Ralf Sussmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung am KIT, der nicht an der Untersuchung beteiligt war. »Der Grund für die höhere Unsicherheit der früheren Studien liegt darin, dass diese auf Stichproben an Einzelquellen und deren fehlerbehaftete modellbasierte Extrapolation auf die globale Skala angewiesen waren. Demgegenüber vermisst die neue Studie direkt die atmosphärischen 14CH4-Spurengas-Hintergrundkonzentrationen und ist damit frei von derartigen Extrapolationsfehlern.«

Was zunächst wie eine Hiobsbotschaft klingt, habe aber auch seine guten Seiten, sagt Studienautor Hmiel: »Die Einführung strengerer Vorschriften für Methanemissionen in der fossilen Brennstoffindustrie hat das Potenzial, die globale Erderwärmung stärker einzudämmen als bisher angenommen.« Und auch Thomas Kleinen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg kann den Ergebnissen der Studie durchaus etwas Positives abgewinnen: »Für den Klimaschutz ist dies eine gute Nachricht. Die Emissionen von Methan, das aus menschlichen Quellen stammt, können wir Menschen reduzieren, so schwer es uns auch fallen mag. Wenn das Methan dagegen aus geologischen Quellen stammte – was bislang unsere Annahme war – hätten wir keinen Einfluss darauf und müssten an anderer Stelle umso mehr reduzieren.«

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.