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Wildtiere und der Mensch: Enterbte Menschenscheu bei Kojoten

Kojoten sind eigentlich menschenscheu - verbreiten sich aber bis in US-Großstädte. Wie schaffen sie das? Ist Stress eine Frage der Gewohnheit?
Ein Kojote schaut in die Kamera

Wer in den USA auf dem Land wohnt, ist an gelegentliche Stippvisiten wilder Tiere wie Schwarzbär oder Stinktier gewohnt – viel häufiger und längst sogar in Großstädten treffen mittlerweile allerdings Mensch und Kojote aufeinander. Seit Jahren untersuchen Forscher daher auch, wie die von Natur aus eigentlich menschenscheuen Tiere sich an den lohnenden, aber Furcht einflößenden urbanen Lebensraum gewöhnen konnten – und zwar so gründlich, dass sie längst sogar an Orten wie dem Central Park in New York gesichtet wurden. Die nachhaltige Gewöhnung innerhalb der Kojotengemeinschaft funktioniert sogar verblüffend rasch, wie nun Experimente einer Wildtierexpertengruppe der University of Washington zeigen: Zunächst furchtsame Elterntiere können offenbar unbeeindruckte Junge haben, berichtet das Team im Fachblatt »Ecology and Evolution«.

Kojoten sind auch im Osten Nordamerikas auf dem Vormarsch, seit dort ihre wichtigsten Feinde wie Wolf und Puma ganz oder völlig ausgerottet wurden. Zudem vermehren sich die Tiere stark und paaren sich mit Hunden – Forscher hatten vermutet, dass die mehr und mehr gemischte Kojotenpopulation allein dadurch schon weniger scheu geworden ist. Tatsächlich können aber selbst zwei reinrassige Kojoteneltern eine Art Menschenfurcht-Toleranz auf ihre Nachkommen »vererben«, meinen nun Christopher Schell und seine Kollegen nach der experimentellen Beobachtung mehrerer Generationen von Kojoten.

In den Experimenten hatten die Wissenschaftler acht natürlich scheue Kojotenpaare über mehrere Saisons hinweg beobachtet, die in einem weitläufigen Naturareal wie wild lebend und ohne Menschenkontakt gehalten werden. Die Tiere konnten sich allerdings bequem an Futterstellen versorgen. Hier platzierten sich Beobachter zu Versuchsbeginn hinter Zäunen in sicherem Abstand und dokumentierten, wie rasch sich die Tiere trotz ihrer Angst vor dem Menschen näherten. Wie erwartet trauten sich in der ersten Saison nur wenige, besonders mutige Tiere rasch an die Futterstelle. Ein deutlich anderes Bild ergab sich bereits in der folgenden Tragzeit. Allerdings traten dabei nicht nur die schon erfahrenen Tiere der ersten Generation mit ihrer abtrainierten Scheu hervor – auch die Jungtiere waren generell deutlich weniger ängstlich als noch ihre Eltern.

Offenbar vererben die Tiere demnach einen weniger ängstlichen Auftritt. Die vermeintliche Furchtlosigkeit bei der Annäherung ist dabei zunächst eher äußerlich, wie Analysen von Haarproben der Tiere zeigten: Im Blut der von Geburt an mutigen zweiten Generation war die Konzentration von Stresshormonen demnach ähnlich hoch wie bei Tieren, die keinen Kontakt mit Menschen gewöhnt sind, diesen aber gelegentlich erdulden müssen. Demnach haben die Tiere eher die Fähigkeit, mit höherem Stress zu leben, als typische wild lebende Tiere. In weiteren Versuchen wird nun geklärt, ob sich diese Stresstoleranz weitervererbt – oder ob sich die Tiere allmählich auch daran gewöhnen, stressfrei in der Nähe des Menschen zurechtzukommen.

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