News: Fremdsprachenlernen hilft gegen Lese- und Rechtschreibschwäche
"Meine These war", so Zoltán Samu, "daß die im Vergleich zur Muttersprache langsamere, präzisierte Art der Darbietung gesprochener Sprache und ihre somit begünstigte Verarbeitung einen möglichen Trainingsfall für elementare Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse gesprochener Sprache sowie des Lesens und Schreibens darstellt. Wenn dies so ist, müßten sich das Wahrnehmen und Produzieren der gesprochenen und geschriebenen Fremdsprache auch auf die muttersprachlichen Fertigkeiten günstig auswirken".
Die Annahme erwies sich als richtig: Für die 15 untersuchten Kinder ergaben sich nach Ablauf eines Jahres gegenüber den 15 Schülern einer Kontrollgruppe deutliche Verbesserungen. "Das Training von Wahrnehmung und Verarbeitung der gesprochenen Sprache, des differenzierenden Hörens sowie der Automatisierung der Informationsverarbeitung haben zu günstigeren Resultaten in Teilbereichen der Zeichenidentifizierung, so z. B. der Wortdurchgliederung und der Worttrennschärfe, geführt", zeigt sich Samu begeistert. Seine Forschungsergebnisse zeigen, daß das Förderprogramm im verbal-akustischen Bereich der Fremdsprache mittelbar auf das Arbeitsgedächtnis eingewirkt haben muß. "Wahrscheinlich hat das Training vor allem auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit der sogenannten 'artikulatorischen Schleife', bei der es sich um ein sprachspezifisches Subspeichersystem des Arbeitsgedächtnisses handelt, eingewirkt", erläutert der ungarische Doktorand ein Detail.
"Auch wenn die Langzeitwirkung des Trainingserfolges noch nicht kontrolliert werden konnte, ist damit eine gut anwendbare Übungsmethode für die Entwicklung des Lese- und Schreibprozesses in der Muttersprache gegeben, die die Symptome der Lese-Rechtschreibschwäche günstig beeinflußt", stellt Prof. Meinhold, Sprachwissenschaftler an der Universität Jena, fest und hofft, daß die Trainingsmethode in Zukunft weite Verbreitung findet.
Allerdings verbesserten sich nicht alle Lese- und Schreibleistungen, schränkt Samu ein. Vielmehr waren es vorrangig diejenigen Teilleistungen, die auf die Beziehung zwischen Lauten und Buchstaben angewiesen sind. Dadurch wurde sowohl die Lesegeschwindigkeit erhöht als auch die Leistung in den Subbereichen "Vokal-Konsonanten-Fehler" des Lesetests deutlich verbessert.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 3.12.1997
"Die Grundlagen der Legasthenie" - Spektrum der Wissenschaft 1/97, Seite 68
"Legasthenie gestörte Lautverarbeitung"
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