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Autophagie-Aktivator: Heilkrautwirkstoff schützt vor dem Altern

Ein in der traditionellen japanischen Medizin bekanntes Heilkraut wirkt auf die Zellen von Wurm, Maus und Mensch - und stoppt offenbar ihre Alterung. Wie das?
Das Ashitaba-Heilkraut, Angelica keiskei

Das Altern von Zellen, Geweben oder ganzen Organismen wie dem Menschen hängt von vielen zum Teil unverstandenen oder unscheinbaren Vorgängen ab. Allerdings: Einige sind aus Sicht der Seneszenzforschung dabei sicher entscheidender als andere, so etwa die Autophagie, für deren Erforschung der Zellbiologe Yoshinori Ohsumi 2016 den Nobelpreis erhalten hat. Im Alter versagt dieser Zellmechanismus, so dass die Zellen allmählich in ihrem eigenen Müll ersticken. Nun glauben Forscher ein Mittel gefunden zu haben, den Prozess bei Bedarf vielleicht ankurbeln zu können: mit einem einfachen Molekül, das zumindest in Laborkulturen das Altern der Zellen von Würmern, Mäusen und Menschen zu bremsen scheint.

Bei dem hoffnungsvollen Antiaging-Molekül handelt es sich um ein Flavonoid, berichten Frank Madeo und seine Kollegen in »Nature Communications«: 4,4'-Dimethoxychalkon, das man unter anderem aus den Blättern des Doldengewächses Angelica keiskei koidzumi, eines traditionellen japanischen Heilkrauts, gewinnen kann. In verschiedenen Experimenten wirkte die Substanz auf die Alterungsprozesse von Zellen, so die Forscher: Gängige Labororganismen wie Hefepilze, Taufliegen und Fadenwürmer lebten im Schnitt länger, wenn ihnen die Substanz in geringer Menge zugeführt wurde. Auch menschliche Zellen in Kultur profitierten vom Pflanzenwirkstoff und zeigten weniger typische Alterserscheinungen. Mäuse, die das Chalkon regelmäßig im Futter erhalten hatten, lebten zwar nicht nachweislich länger, hatten aber eine bessere Herzgesundheit: Infarkte schädigten die Muskeln des Herzens weniger stark; offenbar waren diese durch den Pflanzenwirkstoff geschützt.

Demnach wirkt Dimethoxychalkon generell auf tierische Zellen. Dabei kurbelt es offensichtlich, wie Madeos Team analysierte, die zellulären Autophagie-Prozesse an – bremst man die Autophagie künstlich, so wirkt das Flavonoid nicht länger. Zudem zeigen Markierungsversuche in Hefezellen, dass die Autophagie-Maschine unter dem Einfluss des Doldengewächs-Chalkons deutlich flinker Müllvakuolen in der Zelle herumreicht und entsorgt. Das schützt direkt vor Seneszenz und schließlich dem Absterben. Wo genau die Substanz ansetzt, ist noch nicht klar: Sie kurbelt, anders als andere bekannte Autophagie-Aktivatoren, weder das so genannte Proteasom noch direkt die Reifung von Abfallentsorgungsbläschen am endoplasmatischen Retikulum an. Stattdessen scheint der Wirkstoff einen bestimmten Transkriptionsfaktor anzuregen, Gln3 – dieser schaltet dann in der Folge einige Gene an, die den Prozess beeinflussen.

Unklar ist nun, ob das neue Wissen um die Wirkung des Heilkräuterinhaltstoffs bald in irgendeiner Form praktisch genutzt werden kann. Bislang nicht bekannt ist unter anderem, ob es wirklich nur positive Effekte hat, in die Autophagie-Regulation von Geweben und Organismen einzugreifen – und ob man gewährleisten könnte, dass tatsächlich seneszente Zellen trotz des Jungbrunnenmoleküls entsorgt werden, statt durch überaktive Prozesse über ein wünschenswertes Maß hinaus am Leben gehalten zu werden.

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