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Hydraulischer Sprung: Wie Superzellen bei Gewittern entstehen

Manche Gewitter bringen Tornados, extreme Böen und riesige Hagelkörner. Ausgelöst wird dies durch ein physikalisches Phänomen, bei dem Wolken bis in die Stratosphäre durchschießen.
Superzelle eines Gewitters

Der Amboss ist typisch für die meisten Gewitter: Die feuchtwarme Luft steigt nach oben, bis sie an die Tropopause gelangt, wo es für sie nicht mehr weitergeht: Sie breitet sich seitwärts aus und bildet die charakteristische ambossförmige Obergrenze der Gewitterwolke. In manchen Fällen stößt die Luft aber doch noch bis in die Stratosphäre vor, was auf der Erde höchste Alarmstufe bedeutet. Denn diese Superzellen gehen mit extremen Winden bis hin zu Tornados und vielfach riesigen Hagelkörnern einher. Ein Team um Morgan E. O’Neill von der Stanford University beschreibt in »Science«, wie es zu dem so genannten hydraulischen Sprung kommt und wie man damit Vorhersagen verbessern könnte.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass dieser Durchstoß etwa eine halbe Stunde vor den ersten starken Wettererscheinungen auf dem Erdboden im Satellitenbild erkennbar ist. Verursacht wird das durch starke Aufwinde, die mit Geschwindigkeiten von bis zu 240 Kilometern pro Stunde rotieren. Stoßen sie an die Tropopause, die die Troposphäre von der darüber liegenden Stratosphäre trennt, drücken sie diese nach oben und sorgen für eine Beule in der Stratosphäre. Starke Strömungen dort zerren an jener Ausstülpung, bis sie aufreißt und der Wasserdampf und Eiskristalle in diese Atmosphärenschicht schießen.

Sie bilden nun Above-Anvil-Cirrus-Plumes (AACP): Über dem eigentlichen Amboss entsteht eine weitere Wolkenspitze aus Cirren, die mehrere Kilometer über den Amboss hinausragt und auf Satellitenbildern erkennbar ist. Insgesamt bis zu 15 Kilometer hoch kann ein derartiges Ungetüm werden, das allerdings die Luftströmungen in der Stratosphäre blockiert. Die abgebremste Luft stürzt dann an der Leeseite der Wolkenspitze nach unten und erreicht Windgeschwindigkeiten von bis zu 380 Kilometern pro Stunde. Hier entwickelt sich der hydraulischer Sprung: In der Luftwalze mischt sich die kalte, trockene Stratosphärenluft mit den feuchtwarmen Luftmassen aus der Troposphäre.

Der Stratosphärenjet wird instabil und es entstehen gewaltige Turbulenzen. »Diese Windgeschwindigkeiten auf der Sturmoberseite wurden zuvor noch nicht beobachtet oder gar erahnt«, sagt O'Neill. Insgesamt ähnelt das Phänomen den Wasserwalzen, die hinter Wehren in Flüssen entstehen, oder den Verwirbelungen im Lee von Bergen, wenn diese von starken Winden überströmt werden. Die Modellrechnungen von O'Neills Arbeitsgruppe deuten an, dass an den durchlöcherten Stellen bis zu sieben Tonnen Wasserdampf pro Sekunde in die Stratosphäre jagen. Insgesamt ein knappes Fünftel des stratosphärischen Wassergehalts hat seinen Ursprung demnach in starken Tropenstürmen, die über die Tropopause hinausragen. Einmal dort angelangt kann der Wasserdampf tage- oder wochenlang in der Stratosphäre bleiben und so Wetter und Klima der Erde beeinflussen, etwa durch die Ausbildung von Cirren, die das Sonnenlicht abschirmen. Auf der anderen Seite begünstigen solche Wolken auch den Ozonabbau durch FCKW, sie erhöhen daher indirekt den Anteil gefährlicher UV-Strahlung an der Erdoberfläche.

Während des Gewitters sorgt diese Ausdehnung der Wolken dafür, dass Hagelkörner zum Beispiel stärker und länger wachsen können. Die extremen Temperaturgegensätze wiederum treiben Verwirbelungen und Turbulenzen an, die sich dann in starken Böen und Tornados austoben können. Um die Superzellen zu überwachen, setzt man bislang vor allem auf Dopplerradardaten, doch die entsprechenden Stationen können durch die Gewitter auch beeinträchtigt werden und ausfallen. Basierend auf der Studie könnten Satellitenbilder zukünftig die Prognose verbessern.

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