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News: Jugendlicher Übermut

Junge Sterne können gar nicht genug bekommen und wachsen mit dementsprechend rasender Geschwindigkeit. Damit sie nicht auseinanderfliegen, bilden sie an den Polen Jets aus, welche die Rotation bremsen. Ein Stern im kosmischen Kreißsaal Cepheus A ist indes ein wenig aus der Art geschlagen. Vor gut 30 Jahren stieß er im Übermut eine kugelrunde Blase aus.
Kein Mensch weiß, wie viele Sternlein stehen und niemand weiß, wie viele geboren werden oder nach langem Leben sterben. Doch weil es so viele Sterne gibt, weiß man viel über den typischen Lebenslauf eines Sterns. Am Anfang treibt eine Gas- und Staubwolke durch das All, in der irgendwo ein Kern konzentrierter Masse entsteht, in den nun alles drängt. Durch die wachsenden Anziehungskräfte strömt immer mehr Material nach, das sich erhitzt und schließlich einen Stern zeugt.

Aufgrund des initialen Drehimpulses rotiert auch dieses Sternenkind, in der Äquatorebene bildet die nachströmende Materie deshalb eine flache Scheibe aus, während an den Polen das Drehmoment von Stern und Akkretionsscheibe ausgeglichen wird, indem von hier Materie in Form strahlförmiger Jets ausgestoßen wird. Sie bremsen den Stern, der sonst schlichtweg auseinanderfliegen würde.

In rund 2200 Lichtjahren Entfernung steht so eine Sternenwiege: Cepheus A. Und dort scheint eines der jungen Dinger ziemlich aus der Art zu schlagen. Denn es strahlt nicht wie alle anderen zwei ordentliche Materie-Jets aus, sondern stieß stattdessen eine kugelrunde Blase aus - als mache das Sternchen ein Bäuerchen.

Jetzt expandiert die Hülle der Blase und wird dabei dünner und dünner. Lange wird sie sich deshalb wohl nicht mehr halten, obwohl sie doch erst vor 33 Jahren ausgestoßen wurde. Dies herauszufinden, bedurfte es schon eines Tricks, denn mit normalen Teleskopen ist die Messung solch niedriger Geschwindigkeiten in so großer Entfernung gänzlich unmöglich.

Die Arbeitsgruppe um Jose Torrelles vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics bediente sich deshalb des Very Long Baseline Array (VLBA), einer Kombination von zehn 25-Meter-Radioteleskop-Antennen, die von Hawaii bis in die Karibik über die USA verstreut liegen. Auf diese Weise lassen sich noch Objekte in der Größenordnung von Millisekunden auflösen. Und das ist ganz ordentlich; im Vergleich dazu könnte ein Beobachter in Hamburg erkennen, wenn in Peking ein Sack Mehl umfällt.

Allerdings müssen die zu beobachtenden Objekte schon überdurchschnittlich hell leuchten, sonst nützt auch die VLBA-Methode nichts. Und überdurchschnittlich hell leuchten so genannte kosmische Maser (microwave amplification by stimulated emission of radiation). Das sind molekulare Gase, bei denen sich die Moleküle überwiegend im angeregten Zustand befinden und deshalb zu ungewöhnlich starken Radioquellen werden. Wasser, Methanol, Siliziumoxid und Hydroxylgruppen sind die Stoffe aus denen die Maser in aller Regel sind.

Eigentlich bewegen sich die Maser in Form jener Jets mit mehr als 70 Kilometern pro Sekunde von den Polen des jungen Sterns fort. In diesem Fall aus der Region Cepheus A sind sie indes entlang eines Bogens angeordnet, treiben mit neun Kilometern pro Sekunde gleichsam im Schneckentempo auseinander und markieren auf diese Weise die perfekt runde, expandierende Gasblase.

Irgendwie passt das alles nicht in das althergebrachte Konzept zur Sternenentstehung, welches das Wechselspiel von Drehimpus, Akkretionsscheibe und Jets beschreibt. Kevin Marvel von der American Astronomical Society fürchtet schon, dass das ganze Modell zu überdenken sei. Vielleicht müssen die Forscher dafür auf die Ergebnisse des noch höher auflösenden Atacama Large Millimeter Array warten, das derzeit in der chilenischen Wüste entsteht. Vielleicht stellt sich aber auch nur heraus, dass es die Ausnahmen sind, die die Regeln bestätigen, und dass das Sternchen in Cepheus A tatsächlich nur ein flüchtiges Bäuerchen machte.

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  • Quellen
Nature 411: 277–280 (2001)

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